Und doch wirkt der Jubel im demokratischen Lager erstaunlich verhalten. Das führt zu der Eingangsfrage, ob es noch Hoffnung gibt für die normalen, vorhersehbaren Wahlkampfprozesse in den USA. Oder auch, ob Trump endgültig das Kunststück gelungen ist, dass Menschen Fakten zunehmend egal sind.
Vielleicht kann niemand das besser beurteilen als Entertainment-Stars. "Kurze Erinnerung", schrieb etwa die Bloggerin und Komödiantin Ashley Hesseltine: "Ihr denkt alle, Hillary hat es voll gebracht. Aber die idiotische Mehrheit in diesem Land denkt definitiv, der Donald habe sie kaltgemacht."
TV-Duelle in US-Präsidentschaftswahlkämpfen
Demokrat John F. Kennedy gegen Republikaner Richard Nixon - die erste Präsidentschaftsdebatte, die live im Fernsehen übertragen wurde. Kennedy bestach durch Charme und ein sonnengebräuntes Äußeres. Nixon, der zuvor im Krankenhaus lag, wirkte dagegen unrasiert und so unsympathisch, dass er seine Chancen verspielte. Kennedy konnte die Wähler für sich gewinnen. Bis 1976 wagte sich kein Kandidat mehr an ein öffentliches Duell.
Folgenreiches TV-Duell zwischen dem Demokraten Jimmy Carter und dem amtierenden Präsidenten Gerald Ford. Nach einer erfolgreichen ersten Debatte brachte sich Ford in eine unglücklich Lage. Er behauptete mitten in Zeiten des Kalten Krieges: „Es gibt keine Dominanz der Sowjetunion in Osteuropa, und unter einer Regierung Ford wird es auch keine geben.“ Ford verlor die Wahl.
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Jimmy Carter und dem Republikaner Ronald Reagan. Reagan, als erfahrener Schauspieler um einiges besser vor den Kameras, überzeugte die Zuschauer mit Witz und Charisma. Mit der Frage: „Geht es ihnen besser als vor vier Jahren?“, traf er vor allem mit Blick auf die Wirtschaftslage einen Nerv.
Präsident Reagan sticht wortgewandt den Demokraten Walter Mondale aus. Der damals 73-Jährige, im Duell auf sein hohes Alter angesprochen, sagt: „Ich werde Altersfragen in dieser Kampagne nicht thematisieren. Ich werde die Jugend und Unerfahrenheit meines Opponenten nicht politisch ausschlachten.“ Reagan wurde wiedergewählt. Rund 67 Millionen Zuschauer verfolgten das Duell.
Verhängnisvoll war eine Aussage des demokratischen Gouverneurs Michael Dukakis. Er sprach sich im TV-Duell gegen die Todesstrafe aus, selbst wenn seine Frau Opfer eines Gewaltverbrechens würde. Er verlor gegen den Republikaner George H. W. Bush.
Erstmals war neben George H. W. Bush und dem Demokraten Bill Clinton auch ein dritter Kandidat dabei, Ross Perot. Präsident Bush wurde für seinen Auftritt kritisiert, da er ständig auf die Uhr schaute, während die anderen Kandidaten sprachen.
Zwischen dem amtierenden Präsidenten Clinton und dem ehemaligen Senator aus Kansas, dem Republikaner Bob Dole, gab es zwei TV-Debatten. Clinton überzeugte in der Debatte souverän und behauptete sich als Präsident.
Der demokratische Vizepräsident Al Gore konnte in den Debatten die Zuschauer nur wenig überzeugen. Er schüttelte den Kopf oder stöhnte hörbar auf, wenn George W. Bush zu Wort kam. Einige Medien kritisierten Gore als selbstgefällig.
Für John Kerry wurde das TV-Duell zum Verhängnis. Das Thema Irak förderte bei Kerry größere Wissenslücken zu Tage. George W. Bush entschied die Wahl erneut für sich.
Zwischen dem Republikaner John McCain und dem Demokraten Barack Obama gab es drei TV-Debatten. Obama wirkte souverän und kompetent.
Präsident Barack Obama und der frühere Gouverneur aus Massachusetts, Mitt Romney, standen sich in drei hitzigen Debatten gegenüber. Mitt Romney zeigte jedoch Lücken, etwa seine Unkenntnis über die geografische Lage von Syrien, Irak und Iran. Obama präsentierte sich selbstbewusst.
Wie sehr Trump davon selbst überzeugt wirkt, zeigte sein Debattenauftritt - als er zum Beispiel auf Clintons Frage, ob er sie für alles Übel in der Welt verantwortlich machen wolle, schlicht antwortete: Warum nicht? Und gleich nach der Debatte twitterte Trump zur für ihn negativen CNN-Umfrage einfach, CNN gucke er sowieso nicht.
Trumps Ausfälle haben ihm meist genützt
Davon mal abgesehen: die Technik sei gegen ihn gewesen, das Mikro habe nicht richtig funktioniert. Wer will Clinton verdenken, dass sie Trump bescheinigte, "in seiner eigenen Welt zu leben".
So prägt eine seltsame Unsicherheit, eine postfaktische Ungewissheit, selbst die Einschätzung jener US-Experten, die es sich zum Beruf gemacht haben, Gewissheiten zu verkünden. Schließlich haben auch vorher Ausfälle Trumps, die in normalen Wahlkämpfen Kandidaten beerdigt hätten, ihm eher genützt. Und Trump kann durchaus auf Lichtblicke in der Debatte zurück blicken, etwa wenn es um die vermeintlich schlechten Seiten von Freihandelsabkommen ging.
Selbst Nate Silver, jener legendäre Meinungsforscher, der Obama-Wahlsiege punktegenau vorhersagen konnte, ist sich seiner Sache offenbar nicht mehr sicher. In den Vorwahlen ist Silver oft genug am Phänomen Trump verzweifelt, das sich in Zahlen so schwer messen ließ.
Also schrieb Silver am Montagabend seltsam unentschlossen: "Gute Nachricht für die Demokraten: Wirklich schwer zu sehen, wie diese Debatte Trump geholfen haben kann. Schlechte Nachricht: wenn sie irgendwie Trump geholfen hat – ist er dann vielleicht nicht mehr zu stoppen?"