Nach der TV-Debatte Trump und Clinton leben noch. Und Amerika?

Es kommt bei der ersten Fernsehdebatte nicht zum offenen Eklat, Umfragen sehen Hillary Clinton vorne. US-Experten sind trotzdem verunsichert: Ist Trump endgültig das Kunststück gelungen, dass den Menschen die Fakten egal sind?

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"Donald, du lebst in deiner eigenen Realität"
Der Hitzkopf und die Atomwaffen„Das ist nicht das richtige Naturell, um Commander-in-Chief (Oberkommandierender) zu sein. Ein Mann, der von einem Tweet provoziert wird, sollte nicht in der Nähe der nuklearen Codes sein.“ Quelle: AP
Vorteil Temperament?„Ich habe eine viel bessere Urteilsfähigkeit als sie. Ich habe auch ein viel besseres Naturell als sie. Mein größter Vorteil ist mein Temperament. Ich habe ein gewinnendes Naturell. Ich weiß zu gewinnen.“ Quelle: REUTERS
Richtungswechsel oder Ablenkungsmanöver?„Ich werde meine Steuererklärung veröffentlichen. Meine Anwälte raten mir ab, aber ich werde sie freigeben.“ Quelle: REUTERS
Clinton glaubt nicht an Trumps Offenheit„Das ist nicht das richtige Naturell, um Commander-in-Chief (Oberkommandierender) zu sein. Ein Mann, der von einem Tweet provoziert wird, sollte nicht in der Nähe der nuklearen Codes sein.“ Quelle: AP
Eingeständnis„Ich habe einen Fehler gemacht, private Konten genutzt zu haben.“ (Clinton über ihre E-Mail-Affäre) Quelle: REUTERS
Wende des Zweiflers?„Stimmt nicht.“ (Trumps Reaktion auf den Vorwurf Clintons, den Klimawandel abgestritten zu haben) Quelle: AP
Die bösen Ausländer„Wir müssen Recht und Ordnung zurückbringen. (...) Illegale Migranten haben Waffen, und sie erschießen Leute.“ Quelle: REUTERS

Die gute Nachricht zuerst: Beide leben noch. Das ist eine wichtige Feststellung, schließlich konnten einen durchaus Zweifel überkommen, ob Hillary Diane Rodham Clinton und Donald John Trump die Bühne in New York lebend verlassen würden. Angekündigt war von Amerikas Medien für den Montagabend schließlich ein Showdown von einer Brisanz, als habe jeder der Bewerber vorab bereits die Passwörter für das US-Atomwaffenarsenal erhalten.

Zweite gute Nachricht, zumindest für die Kandidaten: ihre Hoffnungen auf den Einzug in das Weiße Haus leben ebenfalls beide noch. Relativ einhelliger Tenor der US-Experten nach den 90 Minuten vom Dienstagabend war, dass die Hoffnungen von Clinton ein wenig mehr leben. Der Demokratin sei es gelungen, Trump in die Falle zu locken, urteilte etwa die einflussreiche Fachseite Politico – indem sie nicht allein durch Details und Vorbereitung überzeugt habe, sondern auch mit Haltung, gelegentlich gar mit Witz.

Tatsächlich gelang es Clinton, ihren lautstarken Rivalen vor allem am Ende der Debatte so in die Seile zu drängen, dass Trump sich etwa minutenlang rechtfertigen musste, warum er eine TV-Moderatorin einst ein fettes Schwein genannt hatte.

Also könnte das lang erwartete erste TV-Duell vor allem als eine verpasste Groß-Gelegenheit für Trump in die Geschichte eingehen. Die Erwartungen an den Baumogul waren so gering, wie die Bühne in New York - fast 100 Millionen Amerikaner schalteten wohl ein - riesig war. Seiner Bewerbung wäre wohl viel Rückendeckung sicher gewesen, hätte er auch nur ein Unentschieden gegen Clinton erreicht.

Trump gelang kein großer Punch

Doch das sahen viele Zuschauer offenbar anders, wie die "New York Times" den erfahrenen republikanischen Meinungsforscher Frank Luntz feststellen ließ. Luntz versammelte eine kleine Gruppe unentschiedener Wähler, von denen immerhin rund 70 Prozent Clinton vorne sahen. Ähnliches war aus einer CNN-Umfrage direkt nach der Debatte abzulesen, laut der Clinton bei 62 Prozent der Befragten vorne lag, Trump nur bei 27 Prozent.

Protokoll einer Achterbahnfahrt - Der Wahlkampf in den USA

Und noch eins gelang dem Maulhelden Trump nicht: der große Punch, jener eine kesse Spruch, der am nächsten Morgen überall präsent gewesen wäre. Davor hatten Clintons Leute gezittert, die sich natürlich daran erinnerten, wie ein anderer großer Polit-Entertainer - Ronald Reagan – einst eine Wahl schon dadurch gewann, dass er Zweifel an seinem fortgeschrittenen Alter mit dem trockenen Spruch auslöschte, er wolle die Jugend und Unerfahrenheit seines Rivalen nicht zum Thema machen.

Die Umfragen legen also nahe, dass Clinton in den nächsten Tagen zulegen wird. Die Energie, die sie während der Diskussion zeigte, könnte ihr auch helfen, ihr wichtigstes Problem zu lösen: sie muss ja gar nicht in erster Linie Trump-Wähler zurück gewinnen, sondern erst einmal ihre eigenen Anhänger mobilisieren - jene Obama-Koalition aus jungen Frauen, aus Afro-Amerikanern, auch aus Latinos.

Viele von denen zeigten sich, trotz massiver Wahlkampfhilfe durch Präsident Barack Obama, bislang wenig begeistert von der Kandidatin Clinton, die für sie einen Teil der alten Elite verkörperte. Ihr energischer Auftritt könnte sie neu mobilisieren.

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