Nikki Haley nimmt Aufstellung. Routiniert führt sie vor den Kamin ihres Governor’s Mansion, drückt den Rücken durch, streckt die Hände nach unten, knipst ihr Lächeln an. Foto. Dann bittet sie auf zwei schwere Stühle mit rotgoldenem Bezug und Löwenköpfen als Armlehnen. Haley hat nur ein paar Minuten. „Wir müssen aufhören, immer nur die Medien und die Demokraten für alles verantwortlich zu machen. Bei dieser Wahl dreht sich mir der Magen um. Das amerikanische Volk hat etwas Besseres verdient“, sagt die 44-Jährige und verzieht dabei keine Miene.
Es ist Mitte Oktober, zwei Wochen noch bis zu den US-Wahlen. Und es ist der Beginn einer Abrechnung mit ihrer eigenen Partei, die Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten erkoren und sich damit aus ihrer Sicht für Millionen Menschen unmöglich gemacht hat. „Die Republikaner brauchen nach der Wahl einen Neuanfang“, sagt sie. Und Nikki Haley lässt keinen Zweifel daran, wer diesen gestalten sollte: Nikki Haley.
Nicht Trumps größte Freundin
Einen Monat später steht eben diese Frau vor einer blauen Wand der „Federalist Society“. Gerade ist durchgesickert, dass Donald Trump – inzwischen designierter nächster US-Präsident – Haley als Botschafterin zu den Vereinten Nationen entsenden will. Haley trägt ein dunkles Sakko, sie schmunzelt etwas verlegen. Dann sagt sie in die Mikrofone: „Ich war im Wahlkampf nicht als Donald Trumps größte Freundin bekannt. Aber ich habe ihn gewählt. Und ich war absolut überwältigt, als er die Wahl gewann.“
Darum hat Trump gewonnen
Clinton schnitt trotz Trumps frauenfeindlicher Äußerungen in der Wählergruppe deutlich schwächer ab als im Vorfeld erwartet. Zwar erhielt sie von Frauen zwischen 18 und 34 Jahren deutlich mehr Unterstützung als Trump, insgesamt aber betrug ihr Vorsprung bei Frauen mit 49 Prozent nur zwei Prozentpunkte. Zum Vergleich: Der scheidende Präsident Barack Obama schnitt 2012 bei Frauen sieben Prozentpunkte besser ab als sein damaliger Herausforderer.
Clinton kam Umfragen zufolge deutlich besser bei Amerikanern mit spanischen Wurzeln, Afroamerikanern, und Amerikanern mit asiatischen Wurzeln an. Allerdings erhielt sie nicht so viel Rückhalt wie Obama vor vier Jahren, der seine Wiederwahl besonders den Stimmen der Minderheiten verdankte.
Trump punktete besonders bei Wählern ohne College-Ausbildung. Insgesamt betrug sein Vorsprung auf Clinton in dieser Gruppe zwölf Prozentpunkte. Bei weißen Männern ohne höheren Bildungsabschluss schnitt er sogar um 31 Prozentpunkte besser ab, bei weißen Frauen ohne Abschluss waren es 27 Prozentpunkte.
Streng gläubige weiße Amerikaner haben Trump die Treue gehalten - trotz der sexuellen Missbrauchsvorwürfe, die gegen den Milliardär im Wahlkampf erhoben wurden. Etwa 76 Prozent der Evangelikalen gaben an, für Trump gestimmt zu haben.
Clinton tat sich in Ballungsräumen schwer, obwohl dort in der Regel viele Anhänger der Demokraten leben. Ihr Vorsprung auf Trump betrug dort gerade einmal sechs Prozentpunkte. In ländlichen Regionen schnitt Trump dagegen um 27 Prozentpunkte besser ab.
Mit diesen Worten wird aus der einstigen Trump-Gegnerin die erste Frau der neuen amerikanischen Administration. Ein Hauptgewinn für den neuen Präsidenten. Denn mit Haley bindet er nicht nur eine ehemalige Gegnerin in seine Mannschaft ein. Sie ist auch gut fürs Image: Tochter einer Einwandererfamilie, verheiratet, zwei Kinder, Geschäftsfrau und Quereinsteigerin in die Politik. Seit sechs Jahren ist Haley die Gouverneurin des US-Bundesstaates South Carolina. Und eine erfolgreiche obendrein. Wer will bei so einer Personalauswahl noch sagen, Trump sei frauenfeindlich oder habe ein Faible für das weiße Amerika?
Für Haley liegen die Dinge etwas komplizierter: Zwar klingt der Botschafterposten bei der UN verlockend, ist aber tatsächlich einigermaßen machtentleert: Schließlich balgen sich auch schon Außenministerium und der Präsident selbst um die Rolle der USA als Weltpolizist. Zumal Trump im Wahlkampf keinen Hehl daraus gemacht hat, was er von dem Staatenclub hält: nichts.
Und so stellt sich die Frage: Ist ihr neuer Job tatsächlich nicht nur eine gute Nachricht für Trump, sondern auch für Nikki Haley?
Gestartet als damals jüngste Gouverneurin der USA, hat Haley es im Amt schnell verstanden, sich mit geschickter Wirtschaftsförderung einen Namen zu machen. Sie brachte BMW dazu, das Werk in Spartanburg auszubauen, holte Boeing in den Südstaat, reiste mehrmals nach Deutschland, um für South Carolina als Standort zu werben. In ihrer Amtszeit halbierte sich die Arbeitslosigkeit, die Wachstumsrate wurde eine der höchsten in den USA, sie startete ein Unterstützungsprogramm für arme Landkreise.