Seit Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewonnen hat, haben sich Presse und Märkte auf seine Vorschläge konzentriert, die Steuern zu senken und während des kommenden Jahrzehnts eine Billion Dollar für die Infrastruktur auszugeben. Die Erwartung, dass diese Maßnahmen die Gesamtnachfrage ankurbeln, hat die langfristigen Zinssätze um 50 Basispunkte in die Höhe getrieben.
So sehen das die Märkte. Richtig ist es aber nicht. Trump hat nämlich nichts angekündigt, was notwendigerweise zu höheren Preisen und Löhnen führt. In seinen Reden oder im Wahlprogramm seiner Partei steht nirgendwo, die Regierung in Washington solle diese riesigen Investitionen tätigen. Denn ein Keynesianer ist Trump keineswegs.
Nein: Trump hat sich wörtlich für ein „defizitneutrales System von Infrastruktur-Steuergutschriften“ ausgesprochen, das private Unternehmen dazu bringen soll, Straßen, Brücken, Tunnel und Flughäfen zu bauen. Und bislang können wir nicht wissen, ob bei einer solchen Politik die entsprechenden Unternehmen auch anbeißen.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Steuergutschriften für Investitionen - das hat bisher gut funktioniert, wenn es darum ging, dass Unternehmen in die eigenen Produktionsanlagen investieren sollten. Jetzt aber soll die Privatwirtschaft in die öffentliche Infrastruktur investieren. Wer soll das eigentlich bezahlen und wie sollen die Firmen auf ihre Kosten kommen? Das ist noch völlig unklar.
Es wäre auch ein Denkfehler, solche Steuersenkungen als Mittel zur Steigerung der Gesamtnachfrage zu betrachten. Das ist kaum möglich, wenn die Republikaner im Kongress weiter darauf bestehen, zur Gegenfinanzierung der Steuersenkungen à la Trump die Freibeträge bei der Einkommensteuer zu begrenzen. Der republikanische Fraktionschef Paul Ryan fordert schon seit einer Weile, fast alle Freibeträge abzuschaffen. Nach Ryans ursprünglichem Plan ließen sich so deutliche Verringerungen der Steuersätze bei der Einkommensteuer finanzieren.
Mich selbst erinnert das an meine eigene Zeit im Weißen Haus unter Ronald Reagan. Unser inzwischen berühmtes Steuerreformgesetz von 1986 war eine angebotsorientierte Maßnahme: Es ging darum, die Anreize für die Wirtschaft zu verbessern, anders als bei der in den USA üblichen nachfrageorientierten Steuerpolitik. Wir sorgten zu Reagans Zeiten durch Neuregelungen verschiedener Einzelvorschriften dafür, dass einschneidende Steuersenkungen möglich wurden. Der Spitzensteuersatz sank von 50 auf 28 Prozent.
Rückbesinnung auf eine Politik der Achtzigerjahre
Die entsprechend niedrigeren Grenzsteuersätze veranlassten damals die Steuerpflichtigen, mehr zu arbeiten und sich den Großteil ihres Einkommens in bar auszahlen zu lassen statt in Form von anderen, nicht steuerpflichtigen Vergütungen. Weil die Bürger auf die verbesserten Anreize reagierten, stiegen ihre realen Einkommen vor Steuern - und sogar die Steuereinnahmen!
Washington sollte sich unsere Politik der Achtzigerjahre jetzt zum Vorbild zu nehmen. In den drei Jahrzehnten seit Reagans Steuerreform sind die Steuersätze für Gutverdiener erheblich gestiegen. Der Spitzensteuersatz für Einkommen aus abhängiger Tätigkeit ist von 28 Prozent auf 39,6 Prozent gestiegen, und der für manche Kapitaleinkünfte auf mehr als 43 Prozent.
Das überparteiliche Finanzbüro des Kongresses hat ermittelt, dass die meisten Einkommensgruppen 2013 eine niedrigere effektive Steuerquote als 1984 hatten. Für Haushalte im untersten Fünftel der Einkommensskala betrug diese Steuerquote 2013 rund 3,3 Prozent, etwa die Hälfte des Durchschnitts der vergangenen 30 Jahre. Bei den mittleren drei Quintilen waren es 2013 13,8 Prozent, weniger als der 30-Jahre-Durchschnitt von 16,6 Prozent. Für die nächsthöheren 19 Prozent der Steuerzahler sank die effektive Steuerquote nur geringfügig. Doch für das oberste Hundertstel stieg die effektive Steuerquote um 3,4 Prozentpunkte auf 34 Prozent.
Was folgt daraus? Es wäre nur logisch, wenn der Kongress jetzt die Spitzensteuersätze senken und die Steuerbasis einkommensneutral verbreitern würde. Im Sinne der Steuergerechtigkeit, aber keineswegs als Konjunkturspritze. Denn es gibt zurzeit keinen Grund, eine Erhöhung der Gesamtnachfrage in den USA anzustreben. Die Wirtschaft hat im Wesentlichen Vollbeschäftigung erreicht; die Arbeitslosenquote lag im Oktober bei 4,9 Prozent. Der Verbraucherpreisindex ist im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent gestiegen. Die Löhne in der Industrie sind um 2,4 Prozent gestiegen und damit schneller als die Preise. Das ist auch der Grund, warum die Zentralbank Federal Reserve jetzt endlich mit Zinserhöhungen beginnen kann, ohne dass im Gegenzug Steuerimpulse zur Ankurbelung der Nachfrage nötig wären.