Quo vadis, Amerika? Trump "ein Desaster", Clinton "irritierend"

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"Trump wäre ein Desaster für die Innovationskraft Amerikas"

So verwundert es nicht, dass große Teile der Wirtschaft gegen Trump mobil machen. Amerikas Technologiebranche etwa steht nahezu geschlossen gegen den Republikaner und dessen Pläne. In einem offenen Brief haben sich im Sommer Führungspersonen von Branchengrößen – wie Facebook, Google oder Apple – sowie Start-ups gegen den Präsidentschaftskandidaten Trump ausgesprochen.

Einer der Unterzeichner: Clayton Banks, Gründer von Silicon Harlem, einem Unternehmen, das den afroamerikanisch geprägten Stadtteil im Norden Manhattans zum Innovationszentrum umbauen will. „Trump wäre ein Desaster für die Innovationskraft Amerikas“, sagt Banks. Um auch in der Zukunft kreativ und wettbewerbsfähig zu sein, brauche Amerika Zuwanderung aus allen Kulturen, den freien Gedankenaustausch und einen ungehinderten Zugang zum Internet.

Clintons wirtschaftspolitische Pläne

Doch wäre Demokratin Clinton aus Sicht der Wirtschaft die bessere Wahl? Martin Richenhagen ist sich da nicht so sicher. Der Deutsche, 64, amtiert als Chef von Agco, dem drittgrößten Landmaschinenhersteller der Welt, in Duluth in Georgia, eine halbe Autostunde von Atlanta entfernt. Richenhagen ist neben Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld einer von nur zwei deutschen Chefs eines der 500 größten US-Unternehmen.

Seit 2011 hat er einen amerikanischen Pass: Richenhagen wird wählen. Und er macht sich Sorgen. „Ich halte beide Kandidaten für vollkommen ungeeignet.“ Beide wollten die nationale Wirtschaft gegenüber Billigimporten abschotten. „Und beide sind gegen Freihandel. Das ist eine Katastrophe.“ Selbst das weit moderatere Programm von Clinton sei „wenig präzise“, so Richenhagen, und streckenweise einfach irritierend.

Was Deutsche und Amerikaner über TTIP denken

Auch Clinton will Abkommen nachverhandeln

Tatsächlich stemmt sich auch Clinton, im Vorwahlkampf ihrer Partei vom Rivalen Bernie Sanders nach links getrieben, immer offener gegen die Nebenwirkungen der Globalisierung. Einst hatte sie die transpazifische Handelspartnerschaft TPP als „Goldstandard“ bezeichnet, was ihr Trump in der ersten TV-Debatte vorhielt. Heute ist Clinton entschieden dagegen. Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP hätte wohl auch unter ihrer Ägide erst einmal keine Chance. Selbst das bestehende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta, einen großen politischen Erfolg ihres Mannes Bill, will sie mittlerweile „nachverhandeln“.

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Ob die politische Macht des US-Präsidenten ausreichte, um den Freihandel einzudämmen, darauf bietet die amerikanische Verfassung, wie auf so viele Fragen, keine glasklare Antwort. Immerhin existiert das merkwürdige Instrument der „Executive Orders“, mit denen US-Präsidenten weitgehend durchregieren dürfen – und ihre eigenen politischen Vorstellungen so gut wie ungefiltert durchsetzen können. So strich Ronald Reagan einst einfach Mittel für Abtreibungen, Obama setzte so Klimapolitik durch, gegen die sich Republikaner im Kongress lange sträubten. Und mit diesem Wundermittel könnten Clinton oder Trump auch versuchen, per Federstrich aus TPP auszusteigen, die TTIP-Verhandlungen zu stoppen oder mit horrenden Strafzöllen neue Handelskriege vom Zaun zu brechen. Was wir derzeit im aufgeheizten Streit um Milliardenforderungen gegen die Deutsche Bank oder VW erleben, wäre dann womöglich erst ein Vorgeschmack.

Allerdings ist der Kongress stets geneigt, derartige Alleingänge so schwer wie möglich zu machen. Doch würden die Abgeordneten das auch in (Frei-)Handelsfragen tun wollen? 160 von 188 Demokraten verweigerten ihrem Präsidenten Barack Obama vor Kurzem mehr Spielraum bei den Verhandlungen zu TPP. Und auch in den Reihen der Republikaner, traditionell die Partei des Freihandels, wächst die Zahl der Handelsskeptiker stetig.

Die Globalisierung, so viel steht fest, ist kein Wahlkampfschlager in den USA. Schlimmer noch: Sie ist, weitgehend abgelehnt, der kleinste gemeinsame Nenner von Trump und Clinton.

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