Trompeten und Klaviergeklimper. Ein Mann singt auf Spanisch über eine verflossene Liebe. Die Finger von Victor Cuevas trommeln im Takt zu den Klängen aus den Musikboxen. Der 68-jährige Puerto Ricaner arbeitet in einem Plattenladen in „Spanish-Harlem“. In diesem Teil New Yorks, den seine Bewohner auch „El Barrio“, das Viertel, nennen, leben besonders viele Menschen Lateinamerikanischer Herkunft. Weiße sieht man dort nur wenige, das Straßenbild im Barrio dominieren Puerto Ricaner, Mexikaner, Menschen aus der Dominikanischen Republik, Afroamerikaner. Der Sänger und Schauspieler Marc Anthony stammt von hier, genau wie der Rapper Tupac Shakur.
Die Menschen aus dem Barrio mögen aus unterschiedlichen Regionen stammen, in einer Sache sind sich die meisten einig. Donald Trump wählen, das geht gar nicht. Sie ärgern sich über dessen Verbalattacken gegen mexikanischen Immigranten: „Sie bringen Drogen und Verbrechen ins Land, sie sind Vergewaltiger“ oder seine Sicht auf Schwarze: „Sie leben in Kriegszonen“. Der US-Wahlberechtigte Victor Cuevas, getrimmter Vollbart, goldene Ohrstecker, Baseballkappe der New York Yankees, sieht das anders. Er will am kommenden Dienstag für Donald Trump stimmen. Für einen Rassisten hält er Trump anders als viele seiner Landsleute nicht. „Die Dinge, die Trump über Hispanics sagt, richteten sich hauptsächlich gegen illegale Einwanderer und das hat seine Berechtigung“, meint Cuevas. "Die Menschen, die hier ohne Papiere leben und nichts tun, gehören raus.“
Man müsse junge Menschen vor Drogen schützen, fährt er fort, die kämen nun einmal hauptsächlich aus Mexiko. Cuevas, der 2001 nach New York zog, stört noch mehr. Der Schmutz in den Städten, die Kriminalität, kaputte Züge, veraltete Flughäfen. „Es kann nicht sein, dass das mächtigste Land der Welt technologisch hinter andere Staaten zurück fällt“, sagt Cuevas, während er CDs in eine Tüte packt. Trump könnte die Probleme bewältigen. Sein Traumkandidat ist er zwar nicht, aber Hillary Clinton findet Cuevas schlimmer. „Sie war eine miese Außenministerin. Außerdem weiß niemand, was in den Emails steht, die sie zurückhält.“
So denken Latinos in New York über Trump
Mit seiner Sympathie für Trump ist Victor Cuevas unter den US-Latinos zwar ein Exot. Doch allein ist er nicht. Etliche haben sich in Gruppen wie "Hispanics-, Latinos- oder Latinas for Trump" zusammengetan. Sie machen auf Facebook oder Twitter Stimmung gegen Hillary Clinton. Sie verteilen Flyer und werben auf Veranstaltungen für den Mann, der an der Südgrenze der USA eine Mauer bauen und den Mexikanern die Kosten dafür aufbürden will.
Auch einflussreiche Latinos wie Alfonso Aguilar, Chef der konservativen Organisation “Latino Partnership for Conservative Principles“ flirtete zwischenzeitlich mit Trump. Javier Palomares, Chef der größten lateinamerikanischen Wirtschaftsorganisation in den USA, der United States Hispanic Chamber of Commerce, nannte den Republikaner gar einen Gentleman, bevor er sich im September endgültig distanzierte. Laird Bergad, der das Lateinamerikazentrum an der City University New York (CUNY) leitet, überrascht das nicht.
„Die Hispanics in den USA sind keine homogene Gruppe“, sagt er. Es gehöre zur Meinungsvielfalt, dass sich neben den vielen Latinos, die Trump verabscheuten, auch einige mit ihm identifizierten. „Gerade konservative, rechtsgerichtete Latinos lieben Trump, weil er den starken Mann und Macho mimt“.
75 Prozent aller wahlberechtigten Latinos wurden in den USA geboren. Gerade solche, die seit mehreren Generationen im Land lebten, störten sich wenig an Trumps Parolen. Sie betrifft es nicht, wenn Trump fordert, illegal eingewanderte Mexikaner „sofort zu deportieren“. Im Südwesten der USA leben viele Amerikaner mit mexikanischen Wurzeln. Die wüssten aber nichts über Mexiko, sagt Bergad.
Marco Gutierrez, in Mexiko geboren und Mitgründer der "Latinos4Trump" aus Kalifornien, geht noch einen Schritt weiter. In einem Interview mit dem TV-Sender MSNBC sagt er Sätze wie diesen: „Meine Kultur ist dominant und verursacht Probleme. Wenn nichts passiert, wird es bald an jeder Ecke Taco-Trucks (mobile Verkaufsstände für mexikanische Maisfladen) geben“.