Rex Tillerson hatte seinen großen Tag mit Wladimir Putin im Jahr 2013. Damals überreichte ihm der russische Präsident die Freundschaftsmedaille des russischen Staates, die höchste Auszeichnung, die ein Ausländer erhalten kann. Tillerson, Vorstandschef des Ölmultis Exxon Mobil, hatte zuvor mit der staatlichen Ölgesellschaft Rosneft einen Vertrag über eine Summe von bis zu einer halben Billion Dollar abgeschlossen. Die gemeinsame Ausbeutung von gigantischen Ölfeldern in der Antarktis war das Ziel. Es war der größte Deal, der jemals in der Geschichte der Ölindustrie abgeschlossen wurde. Er hätte Exxon über Jahrzehnte unfassbar reich gemacht und Putins Ölgesellschaft ebenfalls. Der Deal war so groß, dass Experten damals glaubten, er alleine werde die wirtschaftliche Entwicklung Russlands dramatisch beeinflussen.
Doch dann kam der Ukraine-Konflikt, der Überfall auf die Krim. Noch-US-Präsident Barack Obama grätschte den Ölgiganten mit umfassenden Sanktionen gegen Russland in die Parade. Seitdem liegt das arktische Ölabenteuer auf Eis. Bei Exxon Mobil häufen sich die Verluste. Russlands Superreiche leiden. Diejenigen, die auch in Deutschland die Abschaffung der Sanktionen herbeisehnen, könnten sie schneller bekommen, als sie erhofft hatten. Ob sie sich darüber nur freuen werden, steht auf einem anderen Blatt.
Für Tauwetter in der Arktis könnte der künftige US-Präsident Donald Trump sorgen, der sich aus vielen Krisenherden der Welt zurückziehen will, auch schon die Beistandspflicht in der Nato in Frage gestellt hat, und Putin als einen großen Führer verehrt. Dazu kommt ein ausgewiesener Russland-Versteher: Rex Tillerson. Der 64-Jährige soll laut übereinstimmenden Medienberichten am Dienstag von Trump für den Außenministerposten nominiert werden, die Entscheidung soll am Dienstagmorgen offiziell bekanntgeben werden. Das könnte auch Exxon zurück ins Spiel bringen, vielleicht sogar an der Wall Street wieder wertvoller machen als Apple. Der Wechsel in die Politik wäre für Tillerson, der nie außerhalb eines Ölunternehmens gearbeitet hat, finanziell kein allzu großer Verlust. Mit 65 müsste er ohnehin den Chefsessel bei Exxon Mobil abgeben.
Darum hat Trump gewonnen
Clinton schnitt trotz Trumps frauenfeindlicher Äußerungen in der Wählergruppe deutlich schwächer ab als im Vorfeld erwartet. Zwar erhielt sie von Frauen zwischen 18 und 34 Jahren deutlich mehr Unterstützung als Trump, insgesamt aber betrug ihr Vorsprung bei Frauen mit 49 Prozent nur zwei Prozentpunkte. Zum Vergleich: Der scheidende Präsident Barack Obama schnitt 2012 bei Frauen sieben Prozentpunkte besser ab als sein damaliger Herausforderer.
Clinton kam Umfragen zufolge deutlich besser bei Amerikanern mit spanischen Wurzeln, Afroamerikanern, und Amerikanern mit asiatischen Wurzeln an. Allerdings erhielt sie nicht so viel Rückhalt wie Obama vor vier Jahren, der seine Wiederwahl besonders den Stimmen der Minderheiten verdankte.
Trump punktete besonders bei Wählern ohne College-Ausbildung. Insgesamt betrug sein Vorsprung auf Clinton in dieser Gruppe zwölf Prozentpunkte. Bei weißen Männern ohne höheren Bildungsabschluss schnitt er sogar um 31 Prozentpunkte besser ab, bei weißen Frauen ohne Abschluss waren es 27 Prozentpunkte.
Streng gläubige weiße Amerikaner haben Trump die Treue gehalten - trotz der sexuellen Missbrauchsvorwürfe, die gegen den Milliardär im Wahlkampf erhoben wurden. Etwa 76 Prozent der Evangelikalen gaben an, für Trump gestimmt zu haben.
Clinton tat sich in Ballungsräumen schwer, obwohl dort in der Regel viele Anhänger der Demokraten leben. Ihr Vorsprung auf Trump betrug dort gerade einmal sechs Prozentpunkte. In ländlichen Regionen schnitt Trump dagegen um 27 Prozentpunkte besser ab.
Tillerson besitzt derzeit Exxon-Aktien und langfristige Optionen im Wert von rund 150 Millionen Dollar. Was mit ihnen passieren müsste, ist noch unklar. Jede Reaktivierung des Exxon-Rosneft-Deals würde aber dem Aktienkurs des Unternehmens sicherlich sehr gut tun. Trump bezeichnet vor allem Tillersons Russland-Erfahrung als Plus für das Außenministeramt. Er habe „riesige Geschäfte“ dort abgeschlossen und er sei ein „Spieler der Weltklasse“.
In der republikanischen Partei regt sich bislang nur wenig Widerstand. Ein ausgewiesener „Freund von Wladimir“ zu sein sei kein Attribut, das er bei einem US-Außenminister sehen wolle, twitterte zumindest US-Senator Marco Rubio. John McCain, Senator aus Arizona, äußerte sich am späten Samstag ebenfalls besorgt. Er habe „Bedenken“ hinsichtlich der sehr engen Verbindung zu Russland, sagte McCain gegenüber dem Sender „CNN“.
Die Demokraten und Umweltschutzorganisationen weltweit sind quasi in Schockstarre. Sie scheinen nicht zu wissen, wo sie überhaupt anfangen sollen, sich aufzuregen. „Gerade haben wir gedacht, Trumps Kabinett könnte nicht mehr weiter entfernt sein von den Bedürfnissen der amerikanischen Bürger“, so Greenpeace-Sprecherin Cassady Craighill, „da schiebt er noch eine Ernennung von Rex Tillerson als Außenminister nach“. In seiner Position werde er alles unternehmen, um „internationale Klimainitiativen mundtot zu machen“ und die „Generalstaatsanwälte der Bundesstaten daran zu hindern, fossile Brennstoff-Hersteller zur Verantwortung zu ziehen“.
Unter Führung von Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman aus New York haben mehrere Bundesstaaten bereits bei der Ernennung des nächsten Chefs der Umweltbehörde EPA, Scott Pruitt, Widerstand angekündigt. Pruitt weigert sich wie Trump, an den Klimawandel zu glauben und hat als Generalstaatsanwalt von Oklahoma die Behörde verklagt, die er jetzt führen soll. Pruitt zusammen mit dem Handelsminister Wilbur Ross, der mit seiner Investmentgesellschaft beträchtliche Investitionen in Öl- und Kohleunternehmen hält, sowie Rex Tillerson als Außenminister wären das perfekt Bermuda-Dreieck für den Klimaschutz in den USA – und gleichzeitig Garant für eine umfassende Renaissance der fossilen Brennstoffe.
Der Umwelt-Aktivist und Milliardär Tom Steyer, der Hillary Clinton unterstützt hatte, erklärte gegenüber „The Hill“: Tillersons Ernennung „vervollständige die komplette Übernahme unserer Demokratie durch Big Oil, Wall Street und die Ultra-Rechten“. Er ruft den US-Senat offen dazu auf, die Ernennung zu verhindern.
"Niemand weiß wirklich, was passiert"
Unterdessen bestätigte Trump noch einmal seine echten oder zur Erreichung des großen Ziels vorgetäuschten Zweifel an einem von Menschen beeinflussten Klimawandel. „Also, ich bin jemand, der Dinge versteht, und niemand weiß wirklich, was passiert“, wischte er in einem Interview mit dem konservativen Sender Fox News am Wochenende praktisch die Ergebnisse der gesamten Klimaforschung in einem Satz hinweg. „Das ist nichts, was wirklich hart und schnell kommt.“
Tatsächlich geht der designierte Präsident der USA an jeder erdenklichen Front gegen die weltweite Klimapolitik vor. Er wütet gegen deutsche Windenergie-Hersteller und internationale Klimaziele. Mit Blick auf das Pariser Klimaabkommen wiederholte er im Interview am Sonntag seine „Ich schaue mir das an“-Haltung und bekräftigte seine Maxime, Klimapolitik dürfe die US-Wirtschaft nicht beeinträchtigen. „Ich will nicht, das China oder irgendein anderes Land der Erde dadurch einen Vorteil bekommen“, malte er seine „America first“-Strategie weiter aus. So ohne weiteres kann Trump zwar nicht aus dem Klimaabkommen aussteigen. Aber niemand kann ihn daran hindern, die gesetzten Ziele einfach zu ignorieren.
Der schnellste Weg, Klimaforschung zu behindern, beginnt aber in den USA selbst. Die Raumfahrtorganisation Nasa etwa liefert Forschern seit Jahrzehnten hochauflösendes Bildmaterial aus dem All, das den Wandel auf der Erde dokumentiert, die Eisschmelze zeigt, wie Kohlendioxid um die Welt wandert oder Küstenstädte durch den steigenden Meeresspiegel gefährdet werden. Dafür hat die Nasa für 2017 erneut ein Budget von 1,7 Milliarden Dollar beantragt. Trump hat schon im Wahlkampf durchblicken lassen, dass er das nicht mehr will. Die Nasa solle nur noch den Weltraum erforschen.
Die Umweltbehörde EPA, bald in den Händen von Scott Pruitt – ein fanatischer Gegner der Klimatheorien – würde auf lange Zeit gesehen aufgelöst, so Beobachter, und in das Energieministerium integriert. Die bisherigen Regulierungen zu Schadstoffausstößen ließen sich relativ einfach außer Kraft setzen, auch der ambitionierte „Clean Power Plan“, der Schadstoffbegrenzungen für US-Kraftwerke vorsieht, könnte schnell zu Fall gebracht werden.
Das Energieministerium hat für 2017 rund 8,5 Milliarden Dollar für Aktivitäten in klimarelevanten Bereichen verplant. Das geht von der Erforschung alternativer Energien bis hin zur Nuklearforschung. Während unter Barack Obama aber die Priorität auf alternative Energien gelegt wurde, könnte jetzt das Pendel auf Öl- und Gas-Förderung zurückschwingen. Zahlreiche Regulierungen, die aus Umweltgründen neue Bohrungen verhindern, stehen ebenfalls zur Disposition. Das hat Trump bereits öffentlich erklärt.
Wahlpolitisch hatte Trump sich schon früh festgelegt. Er wolle in der Industrie für fossile Brennstoffe in den USA „Millionen gut bezahlte“ Arbeitsplätze schaffen. Ein wichtiger Faktor, um in den wirtschaftlich schwachen Kohle- und Öl-Staaten Stimmen zu gewinnen. Ein von Öl-Importen unabhängiges Amerika ist erklärtes Ziel, und da schließt sich der Kreis: Das Multi-Milliarden-Projekt von Exxon in der Antarktis könnte als großer Schritt in diese Richtung und als Arbeitsplatz sichernd verkauft werden. Voraussetzung ist nur ein freundschaftliches Verhältnis mit Russland und eine Aussetzung der Sanktionen.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Ist es vielleicht eine Ironie der Geschichte, dass das Wohl des Planeten in den kommenden vier Jahren von den Kindern des 70-Jährigen Präsidenten abhängen wird? Ein Treffen im Trump-Tower mit dem zuletzt zum Umweltaktivisten gewandelten früheren Vizepräsidenten Al Gore soll auf Drängen von Tochter Ivanka Trump zustande gekommen sein. Die 35-Jährige will sich die Erhaltung der Umwelt auf ihre Fahnen schreiben. Dazu müsste sie allerdings ihren Vater überzeugen, seine bisherige Haltung spürbar zu überdenken, und das Öl-Triumvirat im Weißen Haus überwinden.
Rohöl ist dann doch vielleicht dicker als Blut. Kurzfristig jedenfalls hatte Ivanka Trump schon mal keinen Erfolg. Nach dem Treffen mit Al Gore nominierte Donald Trump Klimaverweigerer Pruitt für den Chefsessel der Umweltbehörde EPA. Wenn Tillerson auch noch bestätigt werden sollte, dann waren die Gespräche restlos erfolglos. Was nicht verwunderlich wäre, wenn man unterstellt, dass 500 Milliarden Dollar bei einem einzigen Öl-Deal mit Russland auf dem Spiel stehen könnten.