TV-Debatte in den USA Clinton ist gut, Trump ist besser

Donald Trump und Hillary Clinton liefern sich ein packendes erstes TV-Duell. Der umstrittene Republikaner hat am Ende im WiWo-Check die Nase knapp vorn.

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Im TV-Duell der Superlative zählt jedes Detail
100 Millionen Amerikaner schauen zu Quelle: AP
Clintons Vorsprung ist geschmolzen Quelle: AP
Wichtige Unterstützung Quelle: dpa
Zehn Prozent der Wähler sind noch unentschieden Quelle: AP
Die Macht der Bilder Quelle: AP
Die Strategien der Präsidentschaftsbewerber Quelle: REUTERS
Clinton bereitet sich seit Wochen auf das TV-Duell vor Quelle: AP

Blaue Girlanden, USA-Fähnchen in den Blumenvasen und Luftballons in den Nationalfarben: Die Bars und Restaurants in New York hatten sich schon Stunden vor der ersten TV-Debatte der beiden Präsidentschaftskandidaten herausgeputzt. Das Interesse der Bürger an dem Duell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump war bereits im Vorfeld riesig; Kneipen, die den Fernseh-Showdown nicht übertrugen, blieben leer. Die Fernsehsender hofften auf bis zu 100 Millionen Zuschauer. Und so ist die TV-Debatte wenn auch nicht wahlentscheidend, doch von großer Bedeutung. Donald Trump wollte beweisen, dass er sich präsidial geben kann, Hillary Clinton, dass sie kämpferisch und energiegeladen ist.

Wer konnte überzeugen? Wir haben die Debatte in sechs Kategorien untersucht. Die wichtigste – die Frage nach den politischen Standpunkten – haben wir in drei Unterpunkte unterteilt. Insgesamt gab es also zehn Punkte zu holen, und einen Minuspunkt für signifikante Patzer.

Erster Eindruck

Hillary Clinton erklärt, wie sie das Leben der Bürger „besser machen“ will. Um dies zu erreichen, will sie die Infrastruktur fördern, die kleinen Unternehmen steuerlich entlasten. Sie spricht von „equal pay“ und der Umwandlung der Energiewirtschaft. Erster Eindruck: Sehr akademisch. Dann aber zeigt sie auf, dass sie der Kandidat der kleinen Leute ist. Clinton verweist auf ihren Vater – einen Arbeiter. Trump hingegen sei reich aufgewachsen. Kurzum: Er habe keine Ahnung, was die einfachen Leute sorgt. 

Protokoll einer Achterbahnfahrt - Der Wahlkampf in den USA

Donald Trump schaut beim Eingangsstatement geradeaus und mit zugekniffenen Augen in die Kamera. Wirkt sehr tough. So dann auch sein Eingangsstatement. Es dauert keine 30 Sekunden, bis er Mexiko und China attackiert. „Wir verlieren unsere Jobs.“ Er nennt konkrete Beispiele von Unternehmen, etwa Ford, die Jobs ins Ausland verlagern. „Das können wir uns nicht erlauben. Wir müssen aufhören, zuzulassen, dass unsere Jobs gestohlen werden.“ Anschließend erklärt er seinen Steuerplan. Dies sei „ein Jobschaffer“. Trump startet gut, spricht seine Wähler in den umkämpften Swing States mit leicht verständlichen Argumenten und Parolen an – und geht in Führung.

Punktestand: 1:0

 

Politische Standpunkte

Wirtschaftspolitik

Es ist Donald Trumps Steckenpferd. Der Republikaner spricht darüber, wie der Freihandel ganze Bundesstaaten verarmt habe. Diese Botschaft kommt in Michigan, Pennsylvania oder Indianapolis und Ohio sicher an. Clinton kontert, versucht auszuführen, wie sie die USA zum Technologieführer in erneuerbaren Energien machen will. Das schaffe Jobs. „Hillary, du hast seit 30 Jahren Regierungsverantwortung getragen – und keine Jobs geschaffen.“ Die ehemalige US-Senatorin und Außenministerin kann darauf nicht wirklich antworten.

Trump dominiert diesen Teil der Debatte. Ob er die richtigen Instrumente in der Hand hat, bleibt dahingestellt. Die Freihandelsverträge aufzukündigen, die USA abzuschotten, wird insbesondere die Arbeiterklasse und US-Konsumenten treffen. Dennoch: Wer den Ärger und die Enttäuschung der Bürger in den erwähnten Regionen kennt, weiß: Die Wähler sehnen sich nach einem Kandidaten, der die Probleme beim Namen nennt und (einfache) Lösungen verspricht. Klarer Punkt für Trump.

Zwischenstand 2:0 für Trump

TV-Duelle in US-Präsidentschaftswahlkämpfen

 

Sicherheitsfragen

„Clinton traut sich nicht, die Worte ,Law & Order“ in den Mund zu nehmen“, sagt Donald Trump. Dies macht er in Endlosschleife. Die Innenstädte müssten wieder sicherer werden. Es gäbe zu viele Schießereien – Opfer seien vor allem Minderheiten. Wahr ist: Die Zahl von bewaffneten Überfällen in Städten wie Chicago ist dramatisch hoch. New York City etwa hat seine Sicherheitsprobleme mit überwältigender Präsenz von Polizisten und einer Nulltoleranz-Politik in den Griff bekommen.

Hillary Clinton setzt auf Gemeinsinn. Es könne nicht sein, dass es private Gefängnisse in den USA gebe. Keiner solle davon profitieren, junge Menschen – hauptsächlich Minderheiten – in den Knast zu stecken. Zweiter Punkt: „Es sind zu viele Waffen im Umlauf“. Beide teilen sich die Punkte.

Zwischenstand: 3:1 für Trump

 

Terrorbekämpfung

Clinton will in Zusammenarbeit mit den Alliierten aus Europa wie aus den arabischen Staaten den IS bekämpfen. Sie werde auch alles tun, um Führer des IS auszuschalten. So wie die Obama-Regierung in ihrer Amtszeit als Außenministerin entschieden habe, Al-Kaida-Führer Osama bin Laden umbringen zu lassen.

Die größten Absurditäten im US-Wahlkampf
Hillary Clintons Doppelgängerin Quelle: AP
Von Hirntumor bis Zungenkrebs – Clintons Krankheiten im Überblick Quelle: dpa
Der Knopf in Clintons Ohr Quelle: AP
Hillary Clinton Quelle: AP
Donald Trump – der Antichrist Quelle: dpa
Hillary Rodham Clinton Jimmy Quelle: AP
Die Illuminati und Trump Quelle: REUTERS

Donald Trump konzentriert sich darauf, Clinton vorzuhalten, in ihrer Amtszeit sei der IS groß geworden. „Ihr habt ein Kleinkind zu einer großen Gefahr werden lassen“. Was er selbst vor hat, bleibt unklar: „Wir müssen IS wegbomben – und zwar schnell.“

Trump rückt von seiner Nato-Kritik ab. Er verbucht für sich, dass sich das Militärbündnis nach seiner Kritik nun stärker auf die Terrorbekämpfung konzentrieren will. Die Kausalität sei dahingestellt: Trump verkauft sich als starker Führer, rettet eine Punkteteilung.

Zwischenstand: 4:2 für Trump

 

Donald Trump attackiert

 

Ehrlichkeit

Hillary Clinton entschuldigt sich für ihr Verhalten in der E-Mail-Affäre. „Ich habe einen Fehler gemacht und würde es nicht wieder machen.“ Sie beweist Rückgrat. Anders als Donald Trump, der etwa seine Steuerbescheide zurückhält. Auch auf Kritik, dass Trump mit ehemaligen Mitarbeitern nicht gut umgegangen ist, zeigt er sich uneinsichtig. Der Republikaner wirft Clinton Unehrlichkeit vor. Doch der Eindruck bleibt: Der Einzige, der etwas zu verbergen hat und nicht einsichtig ist, heißt Donald Trump. Punkt für Clinton.

Zwischenstand: 4:3 für Trump

Hillary Clinton erlitt einen Schwächeanfall. Ihr Gesundheitszustand könnte sie den Wahlsieg kosten. Denn in den USA gilt Stärke als Voraussetzung, um Präsident werden zu können. Zu oft wurde in der Vergangenheit gelogen.
von Christian Schlesiger

Überraschungsmomente

Trump ist US-weit in der Kritik, dass er – entgegen der Tradition im US-Wahlkampf – seine Steuerbescheide nicht veröffentlicht. Clinton liefert die Erklärungen gleich mit. „Vielleicht ist er nicht so reich, wie er behauptet. Vielleicht ist er nicht so karitativ, wie er behauptet.“ Trump dreht den Spieß um. „Ich werde gegen den Willen meiner Anwälte die Steuerbescheide veröffentlichen – wenn Hillary Clinton die 35.000 E-Mails freigibt, die sie von ihrem privaten Server gesendet hat“.

Donald Trump wird von den Waffenlobbyisten der NRA unterstützt. Dennoch stimmt Trump während der TV-Debatte zu, dass Bürger, die als gefährlich eingestuft und etwa nicht in Flugzeuge steigen dürfen, keine Waffen bekommen sollen. Trump überrascht positiv und lenkt geschickt von eigenen Schwächen ab. Punkt für Trump.

Zwischenstand: 5:3 für Trump

Kampfgeist

Donald Trump attackiert Clinton, unterbricht sie regelmäßig. So fragt er etwa nach, warum Clinton das Freihandelsabkommen TPP einst „zum Goldstandard“ für Handelsfragen erklärt hatte. Clinton fällt es schwer, zu kontern. Sie wirft Trump Unehrlichkeit vor. „Ich weiß, dass du in deiner eigenen Welt lebst“. Clinton nennt ihren Konkurrenten an einer Stelle „crazy“. Als Trump über die Schwächen der USA spricht, etwa den schlechten Zustand der US-Flughäfen, greift Clinton an. „Das liegt vielleicht daran, dass du nie viel Steuern gezahlt hast.“ Ihre beste Attacke. Doch es ist Trump, der lange die wahren Nadelstiche setzt.

Clintons wirtschaftspolitische Pläne

Auch vor einer Auseinandersetzung mit dem Moderator schreckt Trump nicht zurück. Er spricht so lange, bis er seinen Punkt gemacht hat. Widerspricht – etwa beim Vorwurf, er sei einst für den Irakkrieg gewesen. Clinton schlägt sich tapfer, aber Trump ist aktiver, aggressiver, kampfeslustiger.

Punkt für Trump, Zwischenstand: 6:3 für Trump

 

Fehler

Donald Trump verteidigt seine Kampagne gegen US-Präsident Barack Obama, der angeblich nicht in den USA geboren sei. Es bleibt unklar, ob Trump an den Vorwürfen festhält. Er sei „zufrieden“, dass Obama seine Geburtsurkunde vorgezeigt habe. „Ich finde, ich habe einen guten Job gemacht“ sagt Trump. Nein, hat er nicht. Eine unsinnige Debatte, von der Trump endlich Abstand nehmen sollte. Es bleibt nicht der einzige Patzer von Trump. Clinton wirft dem Immobilienmogul vor, die Immobilienkrise angefeuert zu haben. Trump unterbrich und ruft. „Das nennt man Geschäfte machen.“

Clinton kommt ohne signifikante Patzer durch den Abend. Klarer Punktsieg für sie in dieser Kategorie. Minuspunkt für Trump.

Zwischenstand: 5:3 für Trump

Nachhaltiges

„Ich bin ein Sieger.“ Donald Trump präsentiert sich während der gesamten Debatte als Gewinnertyp. Er sei ein erfolgreicher Geschäftsmann, er werde auch ein guter Präsident werden. Ein Anti-Politiker-Politiker, der Probleme beim Namen nennt. „Clinton hat Erfahrung. Aber das ist schlechte Erfahrung.“ Donald Trump dominiert die erste Halbzeit der Debatte.

In der zweiten Hälfte gewinnt Clinton an Selbstvertrauen und Format. Sie präsentiert sich als seriöse Kandidatin, als bestens vorbereitet für den Job. Im Endeffekt wenig überraschend: Beide betonen ihre Stärke – ohne ihre Wähler neue Argumente für sich an die Hand zu geben.

Zwischenstand: 6:4 für Trump

  

Präsidiales Auftreten

Hillary Clinton ist bestens für das Präsidentenamt gerüstet. Sie hat das Fachwissen, um die USA zu führen und den Charakter, signifikante Entscheidungen zu treffen. „Ich habe mich auf diese Debatte vorbereitet – und ich bin vorbereitet für das Präsidentenamt.“ Dem wird kaum jemand widersprechen.

Donald Trump attackiert während der TV-Debatte. Er versucht erst gar nicht, präsidial zu wirken. Er sei ein Führer, ja. Aber kein Politiker. Politiker hätten die USA schließlich in die Krise geführt. Keine Frage: Clinton gewinnt diesen Vergleich deutlich.

Zwischenstand: 6:5

Humor

Die Lacher sind auf Donald Trumps Seite. So wirft er Clinton etwa vor, in ihrer Zeit in Regierungsverantwortung wenig für die Bürger getan zu haben. Sie habe auch heute „keinen Plan, wie sie Jobs schaffen will“. Clinton widerspricht. Sie habe viel über diese Problematik nachgedacht. Trump aus der Hüfte heraus: „Ja, 30 Jahre lang.“

Clinton hat später genug von Trumps angriffen. „Ich glaube, ich werde am Ende des Tages für alles Mögliche verantwortlich gemacht“. Trump lapidar: „Warum nicht?“

Zwischenstand: 7:5

Diese US-Größen stehen hinter den Präsidentschaftskandidaten
Leonardo DiCaprioSeitens Hollywood erfährt Clinton auch von zahlreichen Schauspielerinnen Unterstützung. Zu den prominenten Spendern ihres „Super-PACs“ gehört der Oscar-Gewinner Leonardo DiCaprio, der sich offen für die Bekämpfung des Klimawandels einsetzt. Neben DiCaprio stehen auch Tobey Maguire, Dakota Fanning, Ben Affleck und Chris Meledandri auf der Spenderliste. Quelle: dpa
Bill GatesBill Gates macht aus seiner politischen Einstellung kein Geheimnis. Er setzt sich für Immigranten in den USA ein und prangert den Klimawandel an. Wen genau er bei den Demokraten unterstützt, ist aber nicht bekannt. Quelle: dpa
Jeffrey KatzenbergAuch der Dreamworks-Chef Jeffrey Katzenberg steht hinter Hillary Clinton. Er hat ihrem „Super-PAC“ eine Millionen Dollar zugeschossen. Quelle: REUTERS
Koch-BrüderDie Koch-Brüder (im Foto Charles Koch) waren lange Zeit die größten Unterstützer der Republikaner. Sie hatten sich für George Bush und später Mitt Romney engagiert. Bei Letzterem ohne Erfolg. Doch das Problem ist nicht nur das dadurch verlorengegangene Geld. Auch die anhaltend negative Kritik gegen die Brüder macht den Milliardären zu schaffen. Bislang fielen sie daher im aktuellen Wahlkampf kaum auf. Quelle: AP
Mark ZuckerbergDer Facebook-Gründer macht des Öfteren auf die negativen Effekte des Klimawandels aufmerksam. Außerdem setzt Mark Zuckerberg sich für die Rechte der gleichgeschlechtlichen Ehe ein. Daher dürfte es naheliegend sein, dass er den Wahlkampf der Demokraten unterstützt. Auch die Geschäftsführerin des sozialen Netzwerks sympathisiert mit den Demokraten. Sheryl Sandberg hatte sich offen zu Hillary Clinton bekannt. „Ich würde es begrüßen sie als Präsidentin zu sehen“, sagte sie gegenüber Bloomberg TV im April 2015. Quelle: AP
Harold HammWie die Kochs gehörte auch der Rohstoffunternehmer Harold Hamm lange zu den zahlungskräftigen Unterstützer der Republikaner. 2012 fungierte Hamm als Energieberater des Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney. Im aktuellen Wahlkampf macht sich allerdings genauso rar wie die Gebrüder Koch. Quelle: REUTERS
Satya NadellaWie sein Vorgänger ist auch der neue Microsoft-Chef Satya Nadella dem demokratischen Lager zuzuordnen. Selbst aus Indien stammend setzt sich Nadella ebenfalls für die Rechte von Immigranten ein. Quelle: REUTERS

Fazit

Donald Trump hat die ersten 30+ Minuten dominiert. Er wirkte kampfeslustig, aggressiv, nah am Wähler. Sein Ziel, sich präsidial zu geben, geht nicht auf. Trump ist Trump: er gefällt sich in der Rolle des Angreifers. Dass er charakterlich geeignet ist, der mächtigste Mann der Welt zu werden, bleibt zweifelhaft.

Hillary Clinton verpatzte die Anfangsphase. Demokraten mussten Schlimmes befürchten. Doch dann drehte sich die Debatte. Trump machte Fehler, die Ex-Außenministerin konnte ihre Stärken – Zuverlässigkeit, Deutungshoheit – ausspielen. Insgesamt waren beide gut, Trump hat durch eine starke Anfangsphase leichte Vorteile.

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