US-Wahl und die Medien Eine Niederlage für den Journalismus

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Nach den Quellen des Zorns suchen

Der Wunsch sie bloßzustellen, sie als boshaft und gefährlich zu entlarven, obsiegte meist über die unbequeme Aufgabe, nach den ökonomischen und anderen Gründen des Zorns ihrer Wähler zu forschen. Was nicht heißen soll, dass die Bloßgestellten nicht tatsächlich boshaft und gefährlich sein können.

Offenbar waren all die von Journalisten offen gelegten Makel Trumps nicht entscheidend für den Wählerwillen. Entscheidend war offenbar vielmehr das Versagen der etablierten Eliten, gegenüber denen sich Trump als radikale Alternative präsentierte.

Vatikan betet für Erleuchtung Trumps
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon „Nach einem hart umkämpften und oft spaltenden Wahlkampf lohnt es, daran zu erinnern und sich neu bewusst zu machen, dass die Einigkeit in Vielfalt in den Vereinigten Staaten eine der größten Stärken des Landes ist“, sagte Ban laut Mitteilung am Mittwoch in New York. „Ich rufe alle Amerikaner dazu auf, diesem Geist treu zu bleiben.“ Die Vereinten Nationen erwarteten von den USA, dass sie sich auch weiterhin an internationale Kooperationen halten und unter anderem den Kampf gegen den Klimawandel und die Stärkung der Menschenrechte vorantreiben. Ban bedankte sich auch bei der unterlegenen Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton. „Sie ist ein mächtiges Symbol für Gleichberechtigung von Frauen und ich habe keinen Zweifel, dass sie weiterhin zu unserer Arbeit weltweit beitragen wird.“ Quelle: REUTERS
Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto„Mexiko und die USA sind Freunde, Partner und Verbündete, die weiterhin zusammenarbeiten sollten für die Wettbewerbsfähigkeit und die Entwicklung von Nordamerika“, schrieb Nieto am Mittwoch auf Twitter. „Ich vertraue darauf, dass Mexiko und die USA ihre Beziehungen in Kooperation und gegenseitigem Respekt weiter ausbauen.“ Quelle: REUTERS
Kanadas Premierminister Justin Trudeau Quelle: REUTERS
Chinas Präsident Xi Jinping Quelle: AP
Russlands Präsident Vladimir Putin Quelle: REUTERS
Bundespräsident Joachim Gauck Quelle: dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU Quelle: REUTERS

Warum ist das so? Einer Antwort darauf kommt man vielleicht mit Hilfe der Indexing-Hypothese des amerikanischen Medienwissenschaftlers Lance Bennett näher. Er hat gezeigt, dass sich die Ansichten von Journalisten an der Bandbreite der Positionen im etablierten politischen Betrieb orientieren. Grundlegende Kritik von außerhalb des Establishments bleibt weitgehend außen vor. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Indexing-Effekt umso problematischer wird, je kleiner das Spektrum der im politischen Establishment vertretenen Positionen und je größer die Diskrepanz zu den in der breiten Bevölkerung vertretenen Positionen ist.

Indexing, also die Orientierung an den politisch tonangebenden Eliten ist eine dauernde Versuchung und Gefahr für den Journalismus. Denn es macht die Kritiker genauso blind für Probleme und Gefahren außerhalb des eigenen Sichtfelds wie diejenigen, die zu kritisieren ihre Aufgabe ist. Die Balance zwischen berufsbedingter Nähe zu den Mächtigen und kritischer Distanz zu finden, ist und bleibt eine Daueraufgabe. 

Zu der kritischen Distanz gehört aber auch, sich nicht mit dämonisierenden und pädagogischen Erklärungen für das Phänomen Trump oder die Erfolge des Front National in Frankreich oder der AfD zu begnügen. Denn sie sind nicht durch den irrationalen Hass provinzieller Hinterwäldler auf Einwanderer zu erklären. Das sind sozialpsychologische Folgen, nicht Ursachen.

Nach den Quellen des antielitären Zorns zu suchen und sie zu kartieren, bleibt eine noch längst nicht erfüllte Aufgabe für eine kritische Öffentlichkeit. Aufklärung tut not. Über die benennbaren, aber selten in der Öffentlichkeit benannten Probleme und durchaus begründeten, keineswegs irrationalen Ängste weiter Bevölkerungsteile. Über ein instabiles Weltwirtschaftssystem, das ihnen und ihren Nachkommen zunehmende Unsicherheit verheißt und einer kleinen Schicht den Löwenanteil der noch erwirtschafteten Zuwächse. Aufklärung also über die Auflösungserscheinungen politischer und ökonomischer Ordnungen, die mit dem Wahlsieg Trumps noch offenkundiger geworden sind.

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