US-Wahl Was will diese Frau wirklich?

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Clinton-Kritiker glauben daher nicht, dass die Demokratin als Präsidentin den Mut für eine neue Finanzordnung aufbringen wird. William Lazonick, Wirtschaftsprofessor an der University of Massachusetts und Exberater von Bernie Sanders, sagt: „Im Vorwahlkampf hat sie etwa gegen exzessive Boni für Manager gewettert, doch davon ist nun nichts mehr zu hören.“

Clinton präsentiert lieber Vorschläge, über die sich niemand aufregen kann. Bei einem Auftritt in Philadelphia ruft sie: „Wir wollen, dass Kinder aus finanzschwachen Familien kostenfrei studieren können.“ Und fügt hinzu: „Wir wollen eine Wirtschaft, die allen dient.“ Dazu sollen die Gewerkschaften wieder stärker werden, und die berufliche Bildung soll mehr Förderung erhalten. Aber beides versprechen US-Demokraten seit Jahrzehnten.

Konkreteres ist von Gene Sperling zu erfahren. Der Ökonom ist Clintons wichtigster Wirtschaftsberater im Wahlkampf. Er soll Zahlen liefern, wo seine Chefin bewusst vage bleibt. So spricht Sperling zum Beispiel gerne über einen höheren Mindestlohn von bis zu 15 Dollar pro Stunde.

Die Vorwürfe gegen die Präsidentschaftskandidaten
Trumps bedenkliche Äußerungen Quelle: dpa
Clintons Gesundheitszustand Quelle: AP
Trumps bedenkliche Äußerungen Quelle: AP
Clintons Stiftung im Zwielicht Quelle: AP
Clintons Rolle in Libyen Quelle: REUTERS
Clintons E-Mail-Affäre Quelle: REUTERS
Trumps Versuche Steuern zu vermeiden Quelle: dpa

Er stellt sich auch öffentlich gegen jene radikalen Steuersenkungen, die Trump vorschlägt und die nach dessen Meinung Amerika ein langfristiges Wirtschaftswachstum von vier Prozent bringen sollen. „Reine Magie“ nennt Sperling diese Pläne. Der erhoffte Effekt sei völlig ungewiss, eine steigende US-Verschuldung hingegen sehr gewiss.

Die Demokraten wollen unter einer Präsidentin Clinton stattdessen die staatliche Nachfrage ankurbeln. In den ersten fünf Jahren verspricht ihre Regierung 275 Milliarden Dollar in die marode amerikanische Infrastruktur zu investieren. Finanziert werden soll das Paket durch höhere Steuern für Reiche ab einem Jahreseinkommen von 250 000 Dollar pro Jahr und das Stopfen von Steuerschlupflöchern für Unternehmen. „Die Verschuldung wird sich unter uns nur um 200 Milliarden Dollar erhöhen“, rechnet Sperling vor.

Doch ähnliche Konjunkturprogramme haben schon unter Barack Obama die USA ökonomisch nicht befriedet. Außerdem bräuchte auch eine Präsidentin Clinton für solche Pläne die Hilfe der Opposition. Parallel zum Rennen um das Weiße Haus werden zahlreiche neue Senatoren und Abgeordnete für das Repräsentantenhaus gewählt. In beiden Kammern stellen derzeit die US-Republikaner die Mehrheit – zumindest noch.

„Sollte es keine eindeutigen Mehrheitsverhältnisse geben, droht Clinton in vielen Punkten blockiert zu werden“, sagt Martin Thunert vom Center for American Studies der Universität Heidelberg. Weder höhere Steuern noch schärfere Waffengesetze seien mit den Konservativen zu machen. Am wahrscheinlichsten sei ein höherer Mindestlohn, glaubt Thunert: „Auch viele Republikaner haben erkannt, dass man mit dem jetzigen Satz von unter acht US-Dollar kaum leben kann.“

Doch wird das reichen, um das Gefühl vieler Amerikaner zu lindern, von den Eliten vergessen worden zu sein? Und würden sie Clinton nicht auch im Weißen Haus als Teil dieser Elite sehen?

Clinton versucht in ihrer Rede in Philadelphia, diesem weitverbreiteten Eindruck entgegenzutreten: „Ich will Präsidentin aller US-Amerikaner sein“, sagt sie. Sie werde dafür kämpfen, dass breite Schichten vom Aufschwung profitieren. Und natürlich verstehe sie den Frust über die da oben. „Wir können aber nicht einfach nur wütend sein“ – eine klare Spitze gegen die Trump-Kampagne. Da ist es wieder: das Argument, nur eine Stimme für sie verhindere Trump.

Es ist Clintons stärkstes Argument. Und das scheint sie nicht einmal zu stören.

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