Donald Trump hat sich trotz seiner rassistischen, frauenfeindlichen und nationalistischen Parolen bei der Wahl zum Präsidenten der größten Volkswirtschaft der Erde durchgesetzt. Der Schreck ist groß, nicht nur beim politischen Establishment, sondern auch bei Investoren rund um den Globus.
Die Ratingagentur FitchRatings erwartet von Trumps Wirtschaftspolitik jetzt negative Folgen für die Kreditwürdigkeit der USA. Noch gehört Amerika zur Gruppe der elf Länder mit einem Spitzenrating. Doch innerhalb dieser Gruppe der kreditwürdigsten Staaten weisen die USA die höchste Verschuldung auf.
Der vom Kölner Institut für Kapitalmarktanalyse (IfK) regelmäßig für die WirtschaftsWoche berechnete Stressindex für die Weltfinanzmärkte bewegte sich nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse deutlich in den Bereich erhöhter Anspannung. Der Stresspegel stieg gegenüber Oktober um 23 auf minus elf Zähler.
Krisengefahr steigt
Damit bewegt er sich Richtung Grenze zum positiven Bereich, der eine steigende Krisengefahr signalisiert. Allerdings war der Ausschlag nicht so heftig wie nach dem Brexit-Referendum im Juni, als sich Großbritanniens Wähler per Volksabstimmung für einen Ausstieg des Landes aus der Europäischen Union entschieden hatten. Danach hatte der Indikator auf minus vier Punkte zugelegt und ein höheres Niveau erreicht als jetzt.
Beim Börseneinbruch vom Februar war der IfK-Stressindex sogar auf plus drei Zähler gestiegen. Damals stürzten vor allem Bankaktien ab und es ging die Angst vor einer neuen Finanzkrise um. Die Erholung des Stresspegels von den Börsenturbulenzen zu Beginn des Jahres und vom Brexit-Schock zur Jahresmitte währte nur kurz. Das US-Wahlergebnis hat die Märkte nun erneut in Aufregung versetzt, wenn auch laut IfK-Indikator nicht so stark wie bei den beiden anderen Schock-Momenten dieses Jahres.
Dazu sagt Markus Zschaber, Vermögensverwalter und Chef des IfK: „Die Stresskurze hat heute kräftig ausgeschlagen, allerdings sind die Ergebnisse nicht so dramatisch einzustufen wie der Brexit im Frühsommer oder die Währungsabwertung Chinas zu Beginn des Jahres.“ Sollte Donald Trump an den schon kurz nach der Wahlnacht angestimmten moderaten und versöhnlichen Tönen festhalten, könnte laut Zschaber sogar eine zeitnahe Entspannung der Finanzmärkte eintreten.
Abschottung und Schutzzölle?
Mittelfristig aber würden sich die Risiken zeigen, die durch den von Trump propagierten Protektionismus auftreten können, also insbesondere einer dadurch folgenden Abschottung der USA von der Weltwirtschaft. Untermauert werden diese Ängste durch Trumps Aussagen im Wahlkampf, etwa dem Ruf nach Schutzzöllen auf Waren aus China oder seiner Absage an das Freihandelsabkommen TTIP mit Europa. Verstärkt werden diese Ängste durch Amerikas Abrücken vom westlichen Militärbündnis der Nato.
So funktioniert der Stressindex
Der Stressindex ist eine Art Fieberkurve der Weltfinanzmärkte. Er soll vor Ansteckungsgefahren warnen, die von Finanzkrisen für die Realwirtschaft ausgehen. In seine Berechnung fließen 6500 weltweite finanzielle und konjunkturelle Indikatoren ein, darunter Aktien-, Währungs- und Rohstoffkurse sowie Zinsen auf Staats- und Unternehmensanleihen oder die Kosten für Versicherungen gegen Kreditausfälle.
Der Indikator ist in drei Stufen unterteilt: Im unteren Bereich mit den Werten minus 100 bis minus 20 sind die Finanzmärkte entspannt. In der Zone zwischen minus 20 und plus 20 herrscht Nervosität, bei der weitere schlechte Nachrichten die nächste Krise ausbrechen lassen können. Der Indikator steigt dann in den Hochdruckbereich auf Werte zwischen plus 20 und plus 100.
Weitere politische Risiken
Aus Sicht des IfK kommen nach dem überraschenden Ausgang der US-Wahl weitere politische Risiken auf die Weltwirtschaft zu. Zunächst in Italien: Dort steht eine Volksabstimmung am 4. Dezember bevor, bei der es um eine Verfassungsreform geht, an die die amtierende Regierung ihr politisches Schicksal geknüpft hat. Eine Niederlage könnte eine Abkehr Italiens von Europa und der Eurozone einleiten.
Für denselben Tag ist der zweite Anlauf für die österreichischen Präsidentenwahlen terminiert, bei denen ein populistischer Kandidat zur Wahl steht. Im März 2017 schließlich wählen die Niederlande ein neues Parlament und im April 2017 sind die Franzosen dran. In beiden Ländern könnten ebenfalls Populisten an Macht gewinnen. Gleiches gilt für die Bundestagswahlen in Deutschland in einem Jahr.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.