US-Wahl Weltbörsen im Ausnahmezustand

Donald Trumps Wahlsieg lässt die Stresskurve an den Finanzmärkten steigen. Der Ausschlag ist allerdings schwächer als nach dem Brexit-Referendum.

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New Yorker Börse am 9.11.2016. Quelle: dpa

Donald Trump hat sich trotz seiner rassistischen, frauenfeindlichen und nationalistischen Parolen bei der Wahl zum Präsidenten der größten Volkswirtschaft der Erde durchgesetzt. Der Schreck ist groß, nicht nur beim politischen Establishment, sondern auch bei Investoren rund um den Globus.

Die Ratingagentur FitchRatings erwartet von Trumps Wirtschaftspolitik jetzt negative Folgen für die Kreditwürdigkeit der USA. Noch gehört Amerika zur Gruppe der elf Länder mit einem Spitzenrating. Doch innerhalb dieser Gruppe der kreditwürdigsten Staaten weisen die USA die höchste Verschuldung auf.

Der vom Kölner Institut für Kapitalmarktanalyse (IfK) regelmäßig für die WirtschaftsWoche berechnete Stressindex für die Weltfinanzmärkte bewegte sich nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse deutlich in den Bereich erhöhter Anspannung. Der Stresspegel stieg gegenüber Oktober um 23 auf minus elf Zähler.

Krisengefahr steigt

Damit bewegt er sich Richtung Grenze zum positiven Bereich, der eine steigende Krisengefahr signalisiert. Allerdings war der Ausschlag nicht so heftig wie nach dem Brexit-Referendum im Juni, als sich Großbritanniens Wähler per Volksabstimmung für einen Ausstieg des Landes aus der Europäischen Union entschieden hatten. Danach hatte der Indikator auf minus vier Punkte zugelegt und ein höheres Niveau erreicht als jetzt.

Beim Börseneinbruch vom Februar war der IfK-Stressindex sogar auf plus drei Zähler gestiegen. Damals stürzten vor allem Bankaktien ab und es ging die Angst vor einer neuen Finanzkrise um. Die Erholung des Stresspegels von den Börsenturbulenzen zu Beginn des Jahres und vom Brexit-Schock zur Jahresmitte währte nur kurz. Das US-Wahlergebnis hat die Märkte nun erneut in Aufregung versetzt, wenn auch laut IfK-Indikator nicht so stark wie bei den beiden anderen Schock-Momenten dieses Jahres.

Dazu sagt Markus Zschaber, Vermögensverwalter und Chef des IfK: „Die Stresskurze hat heute kräftig ausgeschlagen, allerdings sind die Ergebnisse nicht so dramatisch einzustufen wie der Brexit im Frühsommer oder die Währungsabwertung Chinas zu Beginn des Jahres.“ Sollte Donald Trump an den schon kurz nach der Wahlnacht angestimmten moderaten und versöhnlichen Tönen festhalten, könnte laut Zschaber sogar eine zeitnahe Entspannung der Finanzmärkte eintreten.

Abschottung und Schutzzölle?

Mittelfristig aber würden sich die Risiken zeigen, die durch den von Trump propagierten Protektionismus auftreten können, also insbesondere einer dadurch folgenden Abschottung der USA von der Weltwirtschaft. Untermauert werden diese Ängste durch Trumps Aussagen im Wahlkampf, etwa dem Ruf nach Schutzzöllen auf Waren aus China oder seiner Absage an das Freihandelsabkommen TTIP mit Europa. Verstärkt werden diese Ängste durch Amerikas Abrücken vom westlichen Militärbündnis der Nato.

So funktioniert der Stressindex

Der Stressindex ist eine Art Fieberkurve der Weltfinanzmärkte. Er soll vor Ansteckungsgefahren warnen, die von Finanzkrisen für die Realwirtschaft ausgehen. In seine Berechnung fließen 6500 weltweite finanzielle und konjunkturelle Indikatoren ein, darunter Aktien-, Währungs- und Rohstoffkurse sowie Zinsen auf Staats- und Unternehmensanleihen oder die Kosten für Versicherungen gegen Kreditausfälle.

Der Indikator ist in drei Stufen unterteilt: Im unteren Bereich mit den Werten minus 100 bis minus 20 sind die Finanzmärkte entspannt. In der Zone zwischen minus 20 und plus 20 herrscht Nervosität, bei der weitere schlechte Nachrichten die nächste Krise ausbrechen lassen können. Der Indikator steigt dann in den Hochdruckbereich auf Werte zwischen plus 20 und plus 100.

Weitere politische Risiken

Aus Sicht des IfK kommen nach dem überraschenden Ausgang der US-Wahl weitere politische Risiken auf die Weltwirtschaft zu. Zunächst in Italien: Dort steht eine Volksabstimmung am 4. Dezember bevor, bei der es um eine Verfassungsreform geht, an die die amtierende Regierung ihr politisches Schicksal geknüpft hat. Eine Niederlage könnte eine Abkehr Italiens von Europa und der Eurozone einleiten.

Für denselben Tag ist der zweite Anlauf für die österreichischen Präsidentenwahlen terminiert, bei denen ein populistischer Kandidat zur Wahl steht. Im März 2017 schließlich wählen die Niederlande ein neues Parlament und im April 2017 sind die Franzosen dran. In beiden Ländern könnten ebenfalls Populisten an Macht gewinnen. Gleiches gilt für die Bundestagswahlen in Deutschland in einem Jahr.

Trumps wirtschaftspolitische Pläne

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