Da Donald Trump eindeutig gewonnen hat, ist es nur noch eine mediale Randnotiz: Clinton bekam in absoluten Zahlen rund 200.000 Stimmen mehr als Trump. Es hilft ihr nichts, so wie es schon früheren Verlierern nichts half, dass sie den so genannten „popular vote“ gewannen. Das passiert nun zum vierten Mal nach 1876, 1888 und 2000. Auch George W. Bush kam mit weniger Wählerstimmen als sein gescheiterter Gegenspieler Al Gore an die Macht.
Möglich ist das, weil die Präsidentenwahlen indirekt sind. Nicht die insgesamt abgegebenen Stimmen entscheiden, sondern die Zahl der Wahlmänner aus den Bundesstaaten. Wenn in einem Staat ein Kandidat die Mehrheit erreicht, kann seine Partei alle Wahlmänner nach dem Winner-takes-all-Prinzip stellen. Die Bundesstaaten fungieren also wie ein einziger Wahlkreis. Nur die Bundesstaaten Maine und Nebraska teilen auf: zwei Wahlmännerstimmen an den Kandidaten, der die relative Mehrheit im ganzen Staat erhält, und die anderen Stimmen wie bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus.
Das heißt: pro Wahlkreis wird je ein Wahlmann mit relativer Mehrheit gewählt. Die Zahl der Wahlmänner pro Bundesstaat richtet sich nach der Einwohnerzahl und wird vor Wahlen angepasst, wenn sich die Verhältnisse deutlich verändern.
Das sogenannte Electoral College wählt schließlich den Präsidenten. Die Wahlmänner treffen sich dazu am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember, also diesmal am 19. Dezember, in den Hauptstädten ihrer Bundesstaaten. Die Stimmzettel werden versiegelt dem amtierenden Vizepräsidenten, als Präsident des Senats übersandt. Am ersten Sitzungstag des Kongresses, seit 1933 auf den 3. Januar festgesetzt, werden die Stimmzettel öffentlich ausgezählt. Präsident und Vizepräsident werden die Kandidaten, die jeweils die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen.
Einen Zwang, sich an das Bürger-Votum zu halten, gibt es für die Wahlmänner aus immerhin 24 der 50 Bundesstaaten nicht. Dennoch: Abweichungen sind sehr selten. Noch nie änderte sich dadurch das Endergebnis einer Präsidentschaftswahl.
"Not our President" und "Our body, our choice": Ein paar Hundert Menschen demonstrieren vor #Trump-Building am Central Park in New York. pic.twitter.com/aBYRpxsc74
— Tim Rahmann (@timrahmann) 10. November 2016
Auf Grund dieses Verfahrens sind die Siege in den „Swing States“ so entscheidend, also in den Bundesstaaten, in denen mit knapper Mehrheit viele Wahlmänner zu holen sind. Ohio ist zum Beispiel meist zwischen Republikanern und Demokraten umstritten. Trump hat die meisten dieser Staaten gewonnen. Aber in vielen Staaten, die Clinton für sich entschied, war ihr Stimmenvorsprung größer als der von Trump in den anderen. So ist die Diskrepanz zwischen Wahlmänner-Stimmen und „popular vote“ zu erklären.
Dieses Wahlmänner-Verfahren widerspricht also weitgehend dem deutschen Verständnis der fünf Wahlrechtsgrundsätze: „allgemein“, „geheim“, „gleich“, „frei“ und „unmittelbar“. Die Präsidentschaftswahlen in den USA sind zweifellos „geheim“ (die Stimmabgabe erfolgt unbeobachtet und unbeeinflusst in einer Wahlkabine) und „frei“ (die Kandidatenaufstellung ist frei und es gibt mehrere Kandidaten zur Auswahl). Aber ob sie auch „allgemein“, „unmittelbar“ und "gleich" sind, kann man aus guten Gründen bezweifeln.