US-Wahlsystem undemokratisch? "Gleich" sind die Präsidentenwahlen nicht

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Wähler in kleinen US-Bundesstaaten werden bevorzugt

Gleich ist die Wahl keinesfalls. Denn die Wähler in kleinen Staaten werden bevorzugt. So repräsentiert ein Wahlmann aus Kalifornien rund 677.000 Bürger, ein Entsandter aus Hawaii aber nur rund 340.000 Bürger. Die Bevorzugung der kleinen Staaten ist beabsichtigt. Es soll dadurch das föderale Element der USA betont werden. Im Senat, der zweiten Kammer des Kongresses ist dies noch weit eklatanter: Jeder Staat ist durch zwei Senatoren repräsentiert, Kalifornien mit seinen 37 Millionen Einwohnern ebenso wie Rhode Island mit kaum einer Million Einwohnern.

Die Kritik am Wahlmänner-Verfahren, das allein aus den politischen und praktischen Bedingungen in der Frühphase der US-Geschichte zu erklären ist, wird lauter. Aber die Entscheidung darüber obliegt verfassungsgemäß nicht der Bundesgesetzgebung in Washington, sondern jedem einzelnen Bundesstaat. In elf Staaten mit 165 Wahlmännern wurde die „National Popular Vote Bill“ zwar von den Parlamenten verabschiedet. Sie sieht vor, dass die Wahlmänner verpflichtet wären, den Kandidaten mit der US-weit höchsten Stimmenzahl zu wählen.

Allerdings gibt es eine Klausel in den elf Staaten: Die Verpflichtung tritt erst in Kraft, wenn weitere Bundesstaaten mit weiteren 105 Wahlmännern sie auch übernehmen. Schließlich will kein Bundesstaat sein eigenes Gewicht schwächen.

Das Wahlrecht und Wahlsystem der USA

„Allgemein“ kann man das Wahlrecht in den USA allerdings durchaus nennen. Zumindest seit einigen Jahrzehnten. Denn es steht grundsätzlich allen Staatsbürgern ab einem gewissen Alter offen, ihre Stimme abzugeben.

Amerikanische Bürger werden nicht aufgrund bestimmter Zugehörigkeit ausgeschlossen. Nicht mehr. Die de facto Wahlrechtshürden für Schwarze in den meisten Südstaaten wurden endgültig mit einem Bundesgesetz 1965 beseitigt. Zuvor war das Wahlrecht dort an bestimmte Auflagen (zum Beispiel eine Wahl-Steuer, Lese-Tests, fester Wohnsitz) gebunden, die die meisten Schwarzen, aber auch arme Weiße, vom Wählen abhielten.

Allerdings geben noch heute deutlich weniger wahlberechtigte Bürger mit Migrationshintergrund ihre Stimme ab als etwa Weiße. Hintergrund ist das Registrierungsverfahren im Vorfeld der Wahl, das viele Bürger scheuen. Da es in den USA kein zentrales Melderegister und keinen Zwang, sich bei Einwohnermeldeämtern anzumelden gibt, gibt es kein zentrales Wählerregister.

Man muss sich registrieren lassen, um wählen zu können, der Staat kommt nicht – wie in Deutschland per Wahlbrief – auf einen zu. Diskriminierende Hürden gibt es allerdings nicht mehr. Aber: Straftäter werden in den USA per se aber – anders als in Deutschland – vom Wahlrecht ausgeschlossen.

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