WirtschaftsWoche Club "Clinton war nicht die richtige Kandidatin"

Im Westen überfordert die Globalisierung viele Menschen, es fehlt an Vertrauen in die Politik. Auswege aus der Krise besprachen Clintons Ex-Berater Tyson Barker und FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff beim Berliner Treff „Curry & Politics“.

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Wie fühlen sich zwei Transatlantiker, keine vier Stunden nachdem der überraschend klare Sieg des Populisten Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen feststeht? Sichtbar frustriert oder müde wirken Tyson Barker und Alexander Graf Lambsdorff (FDP) nicht – vielmehr nutzen sie die Bühne beim Berliner Treff „Curry & Politics“, um Lehren aus einer die Welt verändernden Wahl zu ziehen.

Als Weckruf für Europa bewertet Graf Lambsdorff den Trump-Triumph: „Wir müssen weg von der Symbol- und hin zur Substanzpolitik“, sagt der Vize-Präsident des Europäischen Parlaments vor rund 50 Gästen, die auf Einladung der Hauptstadtbüros von WirtschaftsWoche und Handelsblatt ins Berliner Redaktionshaus gekommen waren. Der FDP-Politiker hofft, dass die EU einen europäischen Grenzschutz aufbaue und auch verteidigungspolitisch zusammenwachse. Die Bürger, so Lambsdorff, erwarten von Europa im Moment vor allem Sicherheit.

Insgesamt sei das „Grundvertrauen zwischen Bevölkerung und politischer Elite gestört“, so Lambsdorff – und diese Diagnose bezieht er auch auf Europa. Wie Trump spreche die AfD in Deutschland eine Gruppe Frustrierter an, die früher nie wählen gingen: „Die Ü-50-Erstwähler haben das Gefühl, sie könnten dem Establishment einen verpassen“, so Lambsdorff. Darum müsse man diese Menschen über eine demokratische Partei binden, „damit sie nicht zu den Populisten gehen“. Und die Politik müsse ihren Ärger und die Ängste vor der Globalisierung ernst nehmen.

Verlorenes Vertrauen aufbauen ist ein gewaltiges Zukunftsprojekt – zumal es angesichts der Nahezu-Vollbeschäftigung in den USA und Deutschland keine objektiven Gründe für diese Ängste zu geben scheint. Graf Lambsdorff nennt drei konkrete Ideen, wie man den Populisten der Wind aus den Segeln nehmen kann: Erstens mehr Steuergerechtigkeit schaffen, zweitens den Bankensektor weitergehend regulieren. Denn sowohl das Geldverschieben der Konzerne als auch Banken-Spekulationen sieht er als Beispiele wahrgenommener Ungerechtigkeit, die Vertrauen in Institutionen kostet. Drittens fordert der Liberale, dass die Gewinne der Globalisierung sozial besser umverteilt werden müssten – ohne näher auszuführen, wie das gelingen soll.

Was schief gelaufen ist, wird auch Tyson Barker immer klarer: „Wir sind davon ausgegangen, dass die jungen Leute für Clinton stimmen und die Nicht-Wähler nicht wählen“, sagt der Politikwissenschaftler, der für die Bertelsmann-Stiftung forscht und Clinton während ihrer vier Jahre als US-Außenministerin als Berater diente. Das Votum vom Dienstag sei eine „Change-Wahl“ gewesen. Und für eine Zeit, in der die Wähler Veränderungen wünschen, sei „Hillary Clinton die falsche Kandidatin“. Es gebe wohl niemanden unter den Demokraten, der so sehr für „das System“ stehe wie Clinton, sagt der Ex-Berater und Wahlkampfhelfer.

Nein, das Ende der Demokratie will Tyson Barker so wenig heraufbeschwören wie Graf Lambsdorff. Der US-Amerikaner sieht die Demokratische Partei aber vor dem Zerfall, „weil sie zu Washington-zentriert ist“. Und für die Republikaner werde es wie schon im Wahlkampf „hässlich und brutal“ unter Donald Trump, der seine Politik gegen innerparteiliche Widerstände durchdrücken werde.

Trumps Triumph wird Auswirkungen auf die Weltpolitik haben – da sind sich die Diskutanten bei „Curry & Politics“ einig: „Trump wird lieber über die Köpfe der Menschen in den kleineren Ländern hinweg verhandeln“, glaubt Tyson Barker. Alexander Graf Lambsdorff rechnet mit einer „Renaissance der Geopolitik“, was Moskau und Peking in die Karten spielen würde. Für Berlin bedeutet dies: „Deutschland muss in Europa mehr Führungsstärke zeigen.“

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