US-Wahlkampf Das Milliardenspiel um die Macht

Das weiße Haus hinter seinem Gartenzaun. Quelle: dpa

Das Management eines erfolgreichen Wahlkampfs ist der erste Test für jeden Präsidentschaftskandidaten. Denn der Weg ins Weiße Haus ist kompliziert und teuer: Rund 2,4 Milliarden Dollar hat er 2016 verschlungen.

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Als der höfliche Applaus abgeflaut ist, bleibt Jay Inslee noch eine Weile neben dem Rednerpult stehen. Gerade hat der Gouverneur des US-Bundesstaats Washington eine knappe Stunde lang versucht, die rund 100 Zuhörer in diesem zweckmäßigen Hotelsaal in Exeter, New Hampshire, davon zu überzeugen, dass er das Zeug zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten hat. Doch jetzt ist der inhaltliche Teil vorbei. Inslee setzt sein breites Politikerlächeln auf, schüttelt Hände und posiert für Selfies. „Wir werden Trump schlagen“, versichert er seinem Publikum. „Unser langer nationaler Albtraum ist bald vorbei.“

Es spricht nicht viel dafür, dass Inslee tatsächlich demnächst ins Weiße Haus einzieht. Aktuellen Umfragen zufolge wollen nur 0,2 Prozent der US-Demokraten, dass er seine Partei kommendes Jahr in den Wahlkampf führt. Trotzdem kandidiert er – so wie rund zwei Dutzend andere Bewerber - für die Nominierung. Teils seit Monaten schlagen sie sich bereits ihre Wochenenden in Iowa und New Hampshire um die Ohren, den Bundesstaaten, in denen im Februar die ersten Vorwahlen stattfinden. Bald startet die nächste Phase des Wahlkampfs: Ende Juni beginnen die TV-Debatten der Kandidaten. Für nicht wenige von ihnen ist es die erste Gelegenheit, sich einem nationalen Publikum vorzustellen.

Viele Demokraten sehen 2020 als ihre Chance. Präsident Donald Trump gilt als schlagbar. Das Kandidatenfeld ist so groß, dass eine Niederlage keine Schande bedeutet. Eine Bewerbung bringt zudem Aufmerksamkeit, die sich in Buchverträge, Kommentatorenjobs oder ein anderes politisches Amt ummünzen lässt. Da kann es sich lohnen, den verhältnismäßig geringen Aufwand einer Bewerbung auch ohne Aussicht auf Erfolg auf sich zu nehmen. Eine Website und ein paar Freiwillige reichen schon, um mitzuspielen.

Für die ernsthaften Kandidaturen gilt das natürlich nicht. Der Weg ins Oval Office ist kompliziert – und sehr teuer. Rund 2,4 Milliarden Dollar hat der Kampf ums Weiße Haus 2016 verschlungen. Alle Beobachter gehen davon aus, dass es im kommenden Jahr noch einmal teurer wird. Allein die Kampagne des demokratischen Nominierten wird wohl mehr als 500 Millionen Dollar in die Hand nehmen müssen, um Trump ernsthaft gefährlich zu werden, vermuten erfahrene Wahlkämpfer. Hinzu kommen noch die Ausgaben von Parteien und unabhängigen Unterstützergruppen, die ebenfalls jeweils dreistellige Millionenbeträge lockermachen dürften.

Für die Kandidaten heißt das: Spenden sammeln. „Bis zum Wahltag werden sie zwei Drittel ihrer Zeit am Telefon mit Geldgebern verbringen“, sagt eine demokratische Strategin. Noch sind die Kosten überschaubar – ein paar Flugtickets, ein paar Mitarbeiter, Übernachtungen im Motel. Doch das wird sich bald ändern. Je näher die Vorwahlen rücken, desto mehr Geld muss in die Sichtbarkeit des Kandidaten fließen – in Wahlkampfauftritte, Fernsehspots und Internet-Anzeigen. Später kommen noch Ausgaben hinzu, um die Wähler tatsächlich an die Urne zu bekommen. Auch wird das Team mit der Zeit immer größer, was die Personalkosten nach oben treibt.

Erfahrene Wahlkämpfer schätzen, dass eine Kampagne zwischen fünf und zehn Millionen Dollar braucht, um allein in der ersten Vorwahl in Iowa konkurrenzfähig zu sein. „Das ist das absolute Minimum“, sagt ein Wahlkampfberater. „Wenn du fünf Gegner hast, die jeweils 20 Millionen ausgeben, hast du ein Problem.“

Noch scheint Geld für die führenden demokratischen Bewerber kein Problem zu sein. Allein im ersten Quartal 2019 nahmen sieben Kandidaten mehr als fünf Millionen Dollar an Spendengeldern ein. Dafür zapften sie vor allem hunderttausende Anhänger aus dem ganzen Land an, die größtenteils Beträge unter 200 Dollar beisteuerten. Ex-Vize-Präsident Joe Biden, derzeit Favorit auf die Nominierung, sammelte in den ersten 24 Stunden nach seinem offiziellen Eintritt ins Rennen gleich stolze 6,3 Millionen Dollar ein. So viel schaffte keiner seiner zahlreichen Konkurrenten.

Geld allein reicht jedoch nicht für den Sieg. Nach Iowa wird das Management einer Wahlkampagne ungleich schwerer. Plötzlich muss der Kandidat im ganzen Land eine Organisationsstruktur aufbauen, teilweise in Staaten, die nur wenige Wochen im Vorwahlprozess eine Rolle spielen und dann nie wieder. In South Carolina etwa findet eine wichtige Vorwahl statt. Im Herbst, wenn es gegen Trump geht, spielt der Staat für die Demokraten jedoch keine Rolle. Ressourcen müssen also möglichst präzise eingesetzt werden. Für Wahlkampfleiter eine komplexe Aufgabe.

„Eine Präsidentschaftskampagne zu organisieren ist, wie ein Flugzeug zu bauen, während es schon auf der Rollbahn fährt“, sagt Joe Trippi, ehemals Wahlkampfleiter mehrerer demokratischer Kandidaten. „Wenn es abhebt kann man nur hoffen, dass die Flügel nicht abfallen.“

Auch deshalb haben Amtsinhaber im Wahlkampf immer einen eingebauten Vorteil. Ihre Spendensammelorganisation steht meist Jahre zuvor, der Kandidat muss Anhängern nicht neu vorgestellt werden und anders als seine Herausforderer nicht um Aufmerksamkeit kämpfen. Um im Bild zu bleiben: Trumps Flugzeug hat bewiesen, dass es fliegen kann. Das weiß der Präsident für sich zu nutzen

Offiziell befindet sich Trump bereits seit mehr als zwei Jahren im Wahlkampf. Noch am Tag seiner Amtseinführung reichte er die entsprechenden Papiere ein. Der Vorsprung zahlt sich auf. Allein im ersten Quartal 2019 nahm seine Kampagne rund 30 Millionen Dollar an Spenden ein. Bernie Sanders, erfolgreichster Spendensammler der demokratischen Kandidaten, kam im selben Zeitraum auf 18 Millionen Dollar. Bis März gab Team Trump zudem über vier Millionen Dollar für Anzeigen auf Facebook und Google aus – mehr als doppelt so viel wie alle Demokraten zusammen, die zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Kandidatur erklärt hatten.

Um diesen Vorsprung des Präsidenten wieder aufzuholen, muss für seinen Herausforderer alles rund laufen – finanziell und organisatorisch. Einfach wird es nicht. „Seit 1968 wollten mehr als 70 Demokraten US-Präsident werden“, mahnt Wahlkampfberater Trippi. „Geworden sind es drei.“

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