US-Wahlkampf Im Bann des „Großen Satans“

Der Atomdeal hat die internationale Isolierung Teherans beendet. Das Interesse der Iraner am US-Präsidentschaftswahlkampf ist größer denn je. Ein möglicher Sieg von Donald Trump beunruhigt auch in Iran die Bürger.

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Viele Iraner fürchten einen Wahlsieg von Donald Trump, manche halten seine drastische Kritik jedoch vor allem für Wahlkampf-Getöse. Quelle: AP

Teheran Nach Jahrzehnten von oben verordneter Distanz zum „Großen Satan“ ist das Interesse der Iraner am diesjährigen US-Präsidentschaftswahlkampf größer denn je. Schließlich könnte sich die Politik des nächsten Regierungschefs im Weißen Haus auch auf ihr Leben auswirken.

Der Atomdeal im vergangenen Jahr hatte die internationale Isolierung Teherans beendet: Für einen Rückbau des iranischen Atomprogramms wurden viele Wirtschaftssanktionen aufgehoben. Doch Donald Trump, voraussichtlicher Präsidentschaftskandidat der Republikaner, kritisierte das im Iran populäre Abkommen scharf und kündigte für den Fall seiner Präsidentschaft bereits Änderungen an.

Die diplomatischen Beziehungen der beiden Staaten liegen seit der Islamischen Revolution und der Erstürmung der US-Botschaft 1979 auf Eis. Trotzdem schenken die iranischen Staatsmedien Nachrichten aus dem Westen wieder mehr Aufmerksamkeit – und bei der US-Wahl steht diesmal viel auf dem Spiel. Den aktuellen Präsidentschaftswahlkampf verfolgt das staatliche Fernsehen sehr intensiv – mit dem Fokus auf potenziellen Auswirkungen auf das Atomabkommen.

Doch auch Aussagen des demokratischen Kandidaten Bernie Sanders zu Rassenungerechtigkeit und sozialer Ungleichheit strahlte der Sender aus. Schließlich prophezeite Irans Oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei 2011 auf seiner Website, die Occupy Wall Street-Proteste würden sich „soweit ausweiten, dass das kapitalistische System Amerikas und des Westens komplett dem Erdboden gleichgemacht wird“.

Die Bürger beobachten vor allem Trump und seine demokratische Kontrahentin Hillary Clinton. Elektroingenieur Resa Piltan sagte, der US-Wahlkampf erinnere ihn „an Schwergewichtsboxer, die um eine Meisterschaft kämpfen – mit viel Prahlerei“. Viele betrachten Trump mit Sorge, manche halten seine drastische Kritik jedoch vor allem für Wahlkampf-Getöse. Der Barbier Hossein Purebrahim sagte mit gewissem Sarkasmus, er wolle Trump gewinnen sehen, weil dieser dann die USA zugrunde richte. „Er zerstört Amerika und hört auf niemanden, der ihn eines Besseren belehren könnte.“ Aber auch bei Clinton haben viele Bedenken: Ihre Haltung gegenüber dem Iran als Außenministerin erschien vielen Bürgern als zu hart.


Trump als Überraschungspräsident

Auf dem Revolutionsplatz in Teheran ist seit Jahren ein Buch erhältlich, das Trump als Ko-Autor mit verfasste. Nun gehen die Verkaufszahlen zurück – die Händler machen Trumps Kritik am Atomdeal verantwortlich. Auch Clintons Buch „Hard Choices“ liegt hier aus. Der politische Experte Fajjas Sahed warnt, ein Sieg Trumps wäre „katastrophal“ und würde Nationalisten in beiden Ländern stärken. Bei der iranischen Präsidentschaftswahl 2017 könnten sich die Bürger dann „einem militärischen, extremistischen Hardliner“ zuwenden, sagte Fajjas der konservativen Nachrichtenseite Arja. Irans gegenwärtiger Präsident Hassan Ruhani gilt als gemäßigt - seine Regierung verhandelte das Atomabkommen.

Auch der frühere iranische Uno-Botschafter Ali Chorram schrieb in der reformorientierten Tageszeitung „Etemad“, Trump hätte „nicht den gleichen positiven und guten Willen, den Präsident Barack Obama und Außenminister John Kerry gegenüber dem Iran und dem Deal haben“. Nach Ansicht von Nasser Hadian, Professor für internationale Beziehungen an der Universität von Teheran, wäre Trump dagegen zugänglicher als Clinton: „Trump wird an dem Abkommen festhalten, weil er ein Geschäftsmann ist, und Geschäftsleute verletzen Verträge nicht einseitig“, so Hadian in der reformorientierten Zeitung Shargh. Darüber hinaus fehle es Trump „an internationaler Legitimation, um Sanktionen gegen den Iran zu verhängen oder das Abkommen zu verletzen“.

Der Teheraner Bürger Mortesa Amani glaubt, Trump wäre als Präsident „weiterhin für Überraschungen gut“, die Beziehungen zum Iran dann sogar „besser als jemals zuvor – er kritisiert den Iran nur, um Wählerstimmen zu sammeln“.

Offiziell kommentiert die iranische Regierung den US-Wahlkampf nicht. Ansonsten bleibt sie bei ihrer Position, Gegner des Atomdeals seien vom langjährigen Feind Israel beeinflusst. Anfang des Jahres testete der Iran Raketen und hielt Marinemanöver im Persischen Golf ab – was die USA kritisierten. Vorübergehend setzte Teheran auch zehn US-Marinesoldaten fest.

Regierungskreise betrachten die US-Politik nach wie vor mit Misstrauen: Viele glauben, Washington habe das theokratische System in Teheran nie ganz akzeptiert und versuche weiterhin, eine Demokratie nach westlichem Stil zu installieren. So bemerkte der Kleriker und führende Hardliner Ali Saidi nach einem Bericht auf der Webseite der Revolutionsgarden: „Die USA bereiteten Schritt für Schritt den Boden für den Zusammenbruch der Sowjetunion“. Nun ziele ihre Politik darauf, „die Islamische Republik zu stürzen“.

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