US-Wahlkampf Wie die Welt auf Trump und Clinton blickt

Die Chinesen fragen sich, ob der US-Wahlkampf Ausdruck der amerikanischen Überlegenheit ist. Die Türken sind desinteressiert und die Europäer entsetzt. Wie die Welt das Duell zwischen Clinton und Trump bewertet.

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Debate Watch in den USA

Weltweit haben die Korrespondenten der WirtschaftsWoche die zweite TV-Debatte im US-Wahlkampf zwischen der Demokratin Hillary Clinton und Donald Trump verfolgt – von Frankreich und dem Vereinigten Königreich, über die Türkei bis nach Russland, Südamerika und China. In Europa beschäftigen sich Medien und Bürger vor allem mit den sexistischen Kommentaren Trumps, im Nahen Osten setzen die meisten auf die islamfreundlichere Clinton und in China reagieren viele mit Hohn. Der Überblick.

Frankreich

Eine Debatte ohne Tiefgang, aber von selten erlebter Heftigkeit. Die Kommentatoren in Frankreich sind sich am Morgen nach der zweiten Debatte einig, dass viele wichtige Themen überhaupt nicht zur  Sprache kamen - stattdessen persönliche Attacken zwischen Trump und Clinton im Vordergrund standen. Einig sind sich die Medien aber auch in der Einschätzung, dass Trump die Schlacht noch nicht verloren hat. „Er hat die Waffen nicht gestreckt“, so ein Korrespondent von „Radio France Info“.

Trumps Drohung, Clinton im Falle eines Wahlsiegs ins Gefängnis bringen zu wollen, nimmt in den Kommentaren großen Raum ein - aber auch seine Körpersprache, die ebenfalls wie eine Bedrohung beschrieben wird: „Er hat sich nicht hingesetzt, wenn Clinton sprach, er stand aufrecht hinter ihr und deutete immer wieder mit dem Finger auf sie.“ Umgekehrt verweist „Radio France Info“ darauf, dass Clinton Trump wieder und wieder nur mit dem Vornamen angesprochen habe – „das hasst er“.

Karin Finkenzeller

Die größten Absurditäten im US-Wahlkampf
Hillary Clintons Doppelgängerin Quelle: AP
Von Hirntumor bis Zungenkrebs – Clintons Krankheiten im Überblick Quelle: dpa
Der Knopf in Clintons Ohr Quelle: AP
Hillary Clinton Quelle: AP
Donald Trump – der Antichrist Quelle: dpa
Hillary Rodham Clinton Jimmy Quelle: AP
Die Illuminati und Trump Quelle: REUTERS

Vereinigtes Königreich

Nicht die Außenpolitik, sondern der heftige Streit über Donald Trumps obszöne, frauenfeindliche Bemerkungen dominierte in Großbritannien die Berichterstattung über die zweite TV-Debatte. Fast einhellig hieß es, Trump sei zwar schwer angeschlagen, aber noch längst nicht besiegt: „Er liegt am Boden, aber er ist nicht aus dem Rennen, denn Hillary Clinton konnte nicht den entscheidenden k.o. Schlag landen“, so die BBC, die die zweite Debatte mit einem Boxkampf verglich.

Aus Sicht von Financial Times und Daily Telegraph trat Trump zwar geschwächt an, konnte mit seinem kämpferischen Auftreten aber wieder Boden gutmachen. Der britische Politologe Matthew Goodwin warnte davor, den Meinungsumfragen, die Hilary Clinton jetzt vorne sehen, zu viel Glauben zu schenken: das sei auch beim Brexit-Votum in Großbritannien ein Fehler gewesen. Der Brexit-Wegbereiter Nigel Farage entschuldigte Trumps abwertende Äußerungen über Frauen als typisches Verhalten eines Alpha-Mannes: „So reden Männer eben wenn sie zusammensitzen und trinken“.

Yvonne Esterházy

Wer sind die Frauen von Trumps Pressekonferenz?

Spanien

„El País“ aus Spanien ist der Meinung, Trumps Drohungen gegenüber Clinton werden in die Annalen der amerikanischen Wahlkampfgeschichte eingehen. In der Endphase des Wahlkampfs habe der Republikaner nun die Rhetorik und die extremsten und aggressivsten Thesen einiger seiner Berater übernommen. „El Mundo“, das konservative Konkurrenzblatt zu "El País" kommt zu dem Schluss: "Trump hat gewonnen. Er hat gewonnen, einfach aus dem Grund, weil er nicht verloren hat. Die Tatsache, dass Trump weiter im Rennen ist, ist allein schon ein Sieg."

Karin Finkenzeller

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Belgien

Der harsche Ton der Auseinandersetzung und die persönlichen Angriffe stehen in Belgien im Mittelpunkt der Reaktionen auf das zweite Fernsehduell. Von einer „vergifteten Debatte“ spricht die frankophone Tageszeitung „Le Soir“. Das flämische Wirtschaftsblatt „De Tijd“ nennt das Aufeinandertreffen Trumps und Clintons eine „Schlammschlacht“. Sowohl linke, als auch rechte Medien, sowohl seriöse Blätter, als auch Boulevardzeitungen beklagen am Montag, dass es bei der Debatte der beiden US-Präsidentschaftsanwärter nicht wirklich um Sachthemen ging. Keiner der beiden Kandidaten ließ erkennen, wohin er das Land in den kommenden Jahren steuern wolle. Das flämische Boulevardblatt „Het Laatse Nieuws“ bezeichnete die Debatte in der Nacht von Sonntag auf Montag als „inhaltslose“ Veranstaltung.

Die linke Antwerpener Tageszeitung „De Morgen“ wies darauf hin, dass die Enthüllungen um Trumps frauenfeindliche Aussagen in den Vortagen den zuvor schon umstrittenen Milliardär in die Defensive gebracht hatten. „Selten hat es eine Wahlkampf-Debatte mit einem befremdlicheren Ausgangspunkt gegeben.“

Silke Wettach

Warum China und der Nahe Osten nichts von Trump halten

Dieses Mal dauerte es 52 Minuten, bis Trump seinen ewigen Joker zog: China. Während in der Volksrepublik das Wirtschaftswachstum bei 7 Prozent läge (sic! Es sind 6,7 Prozent.), sei es in den USA nur noch ein Prozent. Das sei eine „nationale Katastrophe“, kritisierte er und schob wenig später nach, dass vor allem der chinesische Billigstahl Jobs in den USA vernichte. Seine Anfeindungen gegen das Land gingen zuletzt sogar soweit, dass Trump China in einem seiner Tweets für den Klimawandel verantwortlich machte: „Das Konzept der globalen Erderwärmung ist von und für die Chinesen erfunden worden“, schrieb der Milliardär. „Und zwar lediglich, um die USA in der Produktion nicht mehr wettbewerbsfähig zu machen.“

Trotz dieser andauernden Provokationen hat die chinesische Politik den amerikanischen Wahlkampf, die Debatten und die Kandidaten bisher kaum kommentiert. Lediglich der chinesische Außenminister Lou Jiawei ging in einem Interview im vergangenen April auf den US-Wahlkampf ein – und nannte Trump einen „irrationalen Charakter“.

In den chinesischen Staatsmedien wird durchaus über den Wahlkampf berichtet – und damit vor allem über Trump. Er sei exzentrisch, ein Clown und Angeber, so das Urteil. Dass ein Politikamateur wie Trump Präsident werden könnte, ist aus chinesischer Sicht nach der Flüchtlingskrise und dem Brexit die endgültige Bankrotterklärung der westlichen Demokratien. Eine chinesische Zuschauer kommentierte die gestrige Debatte in dem chinesischen sozialen Netzwerk Weibo so: „Einen Hahnenkampf zwischen einem Lügner und einem Verrückten live im Fernsehen ausstrahlen -  ist das ein Zeichen für die Überlegenheit der amerikanischen Demokratie?“

Lea Deuber

Türkei

Die Türken interessieren sich momentan nicht sonderlich für den US-Wahlkampf. Auch der zweiten Fernsehdebatte wird wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Menschen kümmern andere Dinge: Der Einmarsch der eigenen Armee in Syrien, und vor allem die Nachwirkungen des Putsches. Eines aber ist klar: Trump hat nicht nur in der Türkei, sondern in der gesamten islamischen Welt keine Sympathien. Für Äußerungen wie „Der Islam hasst uns“, seine Forderung nach einem Einreise-Verbot für Moslems (das er zwar gestern Nacht relativierte) und nach einer Registrierungspflicht für schon dort Lebende haben die meisten Menschen bestenfalls Kopfschütteln übrig.

"Weil du dann im Gefängnis wärst"
Donald Trump Quelle: dpa
Donald Trump (links), Hillary Clinton (rechts) Quelle: REUTERS
Donald Trump küsst seine Frau Melania Quelle: AP
Donald Trump Quelle: AP
Hillary Clinton Quelle: REUTERS
Hillary Clinton (links), Donald Trump (rechts) Quelle: REUTERS
Hillary Clinton (links), Zuschauer (rechts) Quelle: REUTERS

Im schlimmsten Fall aber befeuern sie die zahlreichen Verschwörungstheorien gegen die USA. Der türkischen Regierung geht es darüber hinaus um die Auslieferung des Predigers Fetullah Gülen, der im amerikanischen Exil lebt und den Ankara hinter dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli vermutet.

In anderen Ländern der Region sieht es nicht besser aus: Den Iran-Deal möchte Trump rückgängig machen. Zudem prahlte er damit, iranische Schiffe „aus dem Wasser zu schießen“. Zwar hat sich Trump schon mit dem ägyptischen Staatschef Sisi getroffen. Insgesamt aber wirkt seine Politik im Nahen Osten erratisch und konturlos. Clinton steht immerhin für Kontinuität, außerdem äußerte sie sich gestern Nacht klar gegen eine Ausgrenzung der Muslime – das macht sie vielleicht nicht beliebt, aber Trump ist noch unbeliebter.

Philipp Mattheis

Warum Putin auf Trump hofft

Wenn Wladimir Putin in den USA wählen dürfte – er würde sicherlich für Donald Trump stimmen. Der Republikaner, der in der Nacht erneut für den alliierten russisch-amerikanischen Feldzug gegen die Terrormiliz IS warb, macht aus seiner Sympathie für den Autokraten keinen Hehl. Der Kremlchef den US-Milliardär als „bunten“ Kandidaten, konstatierte aber auch nüchtern: „Herr Trump sagt, er seine für den vollständigen Wiederaufbau der russisch-amerikanischen Beziehungen. Wie könnten wir dies negativ sehen? Wir sind alle dafür!“

Freilich ist das womöglich freundlichere bilaterale Verhältnis nicht der einzige Grund für die Rückendeckung aus Russland. Im Kreml hofft man, dass Trumps Isolationismus in der Weltpolitik mehr Raum lässt – auch damit sich in der Bevölkerung ein Gefühl eigener Größe entwickelt, das sie die wirtschaftlichen Dauerkrise vergessen lässt. Umgekehrt fürchtet man in Moskau, unter einer Präsidentin Hillary Clinton könnte der unilaterale Interventionismus zurückkehren. Je stärker die USA global agieren, desto schwächer wirkt Russland. Für die Wahlkampf-Beeinflussung durch russische Hacker, von denen die US-Behörden sprechen, gäbe es somit zumindest ein Motiv.

Die Marke Donald Trump

Russlands staatlich kontrollierten Medien war die Fernsehdebatte nur kleinere Meldungen wert. Der Auslandssender „Russia Today“ pointierte, wie Trump den Russen beisprang, die in Syrien angeblich nur den IS bekämpfen. So bestätigte er die russische Propaganda, die diese halbe Wahrheit seit Monaten predigt. Anderer Staatsmedien überschrieben ihre Berichte am Montagmorgen mit Trumps Aussage, er werde Clinton ins Gefängnis schicken. Kommentare lieferten russische Journalisten kaum – nur die Internetzeitung „Gazeta.ru“ fasste das Gesagte einordnend zusammen: „Trump wirkt sehr viel selbstsicherer. Clinton wird dagegen nicht müde, ihn als mangelhaft informiert darzustellen.“ Wenn Clinton gewinne, werde sie härter im Umgang mit Russland sein – und weniger bereit zur Kooperation mit Russland. Man könne nicht behaupten, dass dies für Moskau und die internationale Stabilität eine gute Nachricht wäre.

Florian Willershausen

Südamerika

Trump habe sich gut gehalten trotz der erdrückenden Seximus-Vorwürfe. Hillarys Auftritt sei schwächer gewesen, als noch in der ersten Debatte – so lauten heute die überraschend neutralen Medienkommentare in Südamerika. Erwartet hätte man vorurteilsgetriebene Kommentare gegen Trump. Immerhin hatte dieser Mexikaner und Latinos, die illegal in die USA einwandern pauschal als Vergewaltiger bezeichnet. Für viele Südamerikaner, auch in den wohlhabenderen Ländern wie Brasilien, Argentinien oder Chile, sind die USA immer noch das Traumziel für eine Auswanderung. Unter einem Präsidenten Trump dürfte das künftig deutlich schwerer werden. Doch die Südamerikaner sind derzeit selbst heftiges Fahrwasser gewohnt: In der Region werden die länger als eine Dekade dominierenden Links-Präsidenten abgelöst, zum Teil mit erheblichen politischen Spannungen. Deswegen interessieren sich die südamerikanischen Intellektuellen und Politaktivsten noch weniger als sonst für den Wahlkampf in den USA, ebenso die große Mehrheit der Bevölkerung. Dennoch dürften die neuen Rechts-Populisten in Südamerika, die in der Region gerade politisch aufsteigen, genau beobachten, wie Trump gegen das Polit-Establishment einer Hillary Clinton Popularitätspunkte sammelt.

Alexander Busch

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