USA Willkommen im Sumpf

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Die Macht der Lobby

Natürlich kann Rich Gold über diese These nur lachen. So wie er über Politik an sich seit einigen Jahren nur noch lachen kann. Deshalb vergleichen sie ihn auf dem Capitol Hill – seinem Arbeitsplatz – ja inzwischen auch mit dem Komiker Bill Murray. Für Gold ist alles ein Witz: der Kongress, der Präsident, dieses Gehabe. In Wahrheit machen doch Leute wie er die Gesetze hier: hoch bezahlte Anwälte und Lobbyisten, die wie Gold in Sichtweite des Weißen Hauses gläserne Eckbüros bewohnen, unentwegt mit ihrem iPhone zugange sind und am liebsten von sich selbst sprechen. Gold, ein Schlaks mit Fünftagebart und Casual-Friday-Jeans, der früher mal ausgesehen haben muss wie Eric Clapton, in letzter Zeit aber einiges davon eingebüßt hat, macht es sich auf der Couch im Besprechungsraum bequem. Er legt die Beine auf den Tisch. Sagt: „Es gibt da draußen die Annahme, dass unsere Regierung die Macht hat. Das ist nicht wahr. In Wahrheit sind viel größere Kräfte am Werk. Unsere Institutionen haben viel Reputation eingebüßt. Meine Güte: Man vertraut ja heute nicht mal mehr der katholischen Kirche.“ Als die Lacher ausbleiben, fährt er fort: „Ich glaube nicht, dass Washington kaputt ist. Washington reflektiert doch nur, was da draußen passiert: Das Land ist geteilt. Wir leben eigentlich in zwei sehr verschiedenen Amerika.“

Trump mag keine deutschen Autos? Anna-Maria Schneider wird ihn vom Gegenteil überzeugen müssen. Sie ist Chef-Lobbyistin von Volkswagen in Washington. Quelle: Scott Suchman für WirtschaftsWoche

Gold ist Demokrat, kennt auf dem Hill jeden Abgeordneten der Partei. Das hat ihn unter der Obama-Regierung wichtig gemacht – und wohlhabend. Nun aber muss Gold sich neu orientieren. „Sind wir bereit für Trump? Nein. Aber die Leute da draußen brauchen uns. Irgendwer muss ihnen ja diesen Sumpf hier erklären.“

Der Sumpf. Er zeigt sich etwa im Durchschnittseinkommen der Haushalte, das hier eines der höchsten landesweit ist. Inzwischen liegen acht der zehn reichsten Landkreise der ganzen USA rund um die Hauptstadt. Und während der Rest des Landes bei den Wählerstimmen mehr oder minder gespalten ist, ist Washington sich einig: 90 Prozent der Menschen hier stimmten bei der Wahl im November für Hillary Clinton. Man hat sich eingerichtet in seinem liberalen Weltbild, debattiert bei 40-Dollar-Vorspeisen im Del Friscos über die Notwendigkeit von Transgender-Toiletten oder die Gleichberechtigung in Nordkorea und schiebt sich nebenbei ein paar Aufträge zu. Die verschwundenen Arbeitsplätze im Rust Belt, der Frust des weißen Mannes – all das ist hier weit weg.

Keiner hat diese Clique schöner beschrieben als „New York Times“-Autor Mark Leibovich. In seinem Bestseller „This Town“ karikiert er Washingtoner Berufspolitiker, Lobbyisten und Journalisten als eine sich selbst ernährende Kaste, deren Ziel es ist, das System maximal auszunutzen, die eigenen Kontakte zu „monetarisieren“, wie das im Jargon heißt. „Die Menschen kleben an der Macht, als mache sie die Nähe dazu irgendwie auch ein bisschen zum Präsidenten“, schreibt Leibovich. „Einander zu belügen und zu betrügen gehört inzwischen so natürlich zu Washington wie die schwüle Luft im Sommer.“

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