USA-Experte Josef Braml "Es ist völlig egal, wer US-Präsident wird"

Josef Braml, USA-Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, glaubt nicht an ein Comeback der USA als Weltmacht. Der nächste Präsident sei nicht handlungsfähig, der Super Tuesday und die Präsidentschaftswahlen im November seien daher nahezu unbedeutend.

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Mitt Romney will US-Präsident Barack Obama beerben. Der Republikaner verspricht im Wahlkampf, die Wirtschaft aufzupäppeln.

Herr Braml, die Mehrheit der Deutschen wünscht sich einen Sieg von US-Präsident Barack Obama bei den Präsidentschaftswahlen im November. Sie sich auch?

Josef Braml: Die US-Wahlen werden überbewertet. Es ist mittlerweile egal, wer US-Präsident ist oder wird. Entscheidender ist die wirtschaftliche und soziale Lage in den USA. Und die ist derart schlecht, dass jeder US-Präsident – ob Demokrat oder Republikaner – kaum Handlungsspielräume hat.

Einspruch: Die USA sind die größte Volkswirtschaft der Welt und nach wie vor einzigartig, wenn es darum geht, neue Trends und Produkte zu entwickeln.

Das bringt aber keine Jobs im großen Stil. Der Industriesektor wurde jahrzehntelang vernachlässigt, erst jetzt hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die USA wieder mehr produzieren müssen. Doch drei Punkte verhindern das: Die Infrastruktur ist in großen Teilen marode, die Arbeiter schlecht qualifiziert und die Wirtschaft sowie Gesellschaft zu abhängig vom Öl

Josef Braml Quelle: Claudia Pfeil

Zuletzt besserten sich doch die Wirtschaftsdaten der USA, auch die Arbeitsmarktdaten waren hoffnungsvoll?

Ich sehe keine substanziellen Verbesserungen. Die Arbeitslosigkeit ist für US-Verhältnisse nach wie vor dramatisch hoch. Und das, obwohl viele Unternehmen Arbeitnehmer suchen. Sie finden aber keine ausreichend qualifizierte Kräfte! Die Statistik ist geschönt, da viele Bürger gar nicht mehr auf Jobsuche sind, sie haben bereits aufgegeben. Für die US-Wirtschaft ist eine hohe Arbeitslosigkeit Gift, da sie immer vom Konsum der Bürger profitierte.

Ein Konsum, der in weiten Teilen kreditfinanziert war.

Das stimmt. Der Konsum wurde hauptsächlich auf Pump finanziert. Es war ein „geborgter Aufschwung“ wie Joseph Stiglitz richtig sagt. Die Subprimekrise hat das Problem offenkundig gemacht. Gelöst aber, ist es noch längst nicht. Im Gegenteil: Inzwischen sind nicht mehr nur Kredite an Kreditnehmer mit schlechter Bonität, sondern auch „normale“ Kredite schwer belastet. Das Volumen der ausstehenden Kredite in den USA ist im Dezember laut US-Notenbank um mehr als 19 Milliarden auf 2,5 Billionen US-Dollar gestiegen. Das ist nur noch knapp unter dem Rekordhoch aus dem Sommer 2008. Die Erkenntnis, dass notleidende Kredite in großer Zahl das Finanzsystem und in der Folge die Realwirtschaft in ihren Grundfesten erschüttern können, wird ignoriert.

Nicht nur die Bürger, auch der Staat ist dramatisch verschuldet. Die Schulden betragen mehr als 15 Billionen US-Dollar. Was hat das für Auswirkungen?

Es führt dazu, dass die politische Führung handlungsunfähig ist. Für Strukturreformen ist kein Geld vorhanden. Weder kurz- noch langfristig. Denn die Schulden sind nur noch durch eine höhere Inflation abzubauen, was eine kalte Enteignung der Sparer bedeutet. Viel schlimmer noch: Ausländische Investoren werden verprellt, allen voran China und Japan. Sie legen nicht mehr all ihr Geld und Vertrauen in den US-Dollar. Die Stellung des „Greenback“ als Leitwährung ist in Gefahr.

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