USA-Experte Josef Braml "Es ist völlig egal, wer US-Präsident wird"

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Lasten auf die Partner abwälzen

Was aus Obamas Wahlversprechen wurde
Die Schließung von Guantánamo Die USA zogen nach den Anschlägen vom 11. September in den „Krieg gegen den Terror“ – und verloren ihren moralischen Kompass. So wurde unter anderem der US-Navy-Stützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba um ein Internierungslager erweitert, indem in Spitzenzeiten mehr als 1000 Insassen festgehalten wurden. Ohne Gerichtsverfahren, ohne ihre Rechte als Kriegsgefangene. Laut FBI-Bericht wurden Häftlinge und deren Angehörige bedroht, mit Schlafentzug mürbe gemacht und mit Koran-Schändungen provoziert. Und: Waterboarding, eine Verhörmethode, bei der der Eindruck des Ertränkens erzeugt wird, sei regelmäßig angewendet worden, so das FBI. „Wir werden Guantánamo schließen“, versprach Barack Obama im Wahlkampf 2007/2008. Quelle: dapd
Die Schließung von Guantánamo Unmittelbar nach seiner Vereidigung zum US-Präsidenten ließ Barack Obama alle laufenden Militärgerichtsverfahren gegen Insassen des kubanischen Lagers für 120 Tage aussetzen, um sie zu überprüfen. Zudem ordnete er die Schließung des Militärgefängnisses auf Guantánamo Bay innerhalb eines Jahres an. Dazu ist es nie gekommen. Zuerst verweigerte der Senat die Bewilligung von Geldern zur Schließung, anschließend gibt es weder im In- noch im Ausland große Bereitschaft, die Gefangenen aufzunehmen. Noch heute werden mindestens 170 Gefangene auf Guantánamo Bay festgehalten, Obamas Wahlversprechen ist gescheitert. Quelle: AP
Eine Krankenversicherung für alle Amerikaner Es ist – zumindest aus europäischer Sicht – unvorstellbar, dass noch 2009, zu Beginn von Barack Obamas Amtzeit, 47 Millionen US-Bürger keine Krankenversicherung besitzen. Arztbesuche können sich diese Menschen nicht leisten; immer wieder bieten Ärzte in Stadt- und Turnhallen ehrenamtlich Massen-Untersuchungen an, um eine Grundversorgung zu gewährleisten. Zustände, wie in einem Entwicklungsland. Barack Obama will das ändern. Er verspricht, sich an eine Gesundheitsreform zu wagen, an der vor ihm bereits sieben Präsidenten gescheitert sind. Eine Krankenversicherung soll keine Ausnahme für Wohlhabende mehr sein. Quelle: dpa
Eine Krankenversicherung für alle Amerikaner Nach zwei Jahren und unzähligen Verhandlungen gelingt Barack Obama im März 2010 sein größter innenpolitischer Erfolg: Nach dem Senat billigte auch das Repräsentantenhaus mit 219 zu 212 Stimmen seine Gesundheitsreform. Sie ist im Vergleich zu Obamas Entwurf abgemildert. Aber: 32 Millionen bislang unversicherte Amerikaner werden bis 2013 eine Absicherung im Krankheitsfall bekommen. Damit wären dann 95 Prozent aller US-Bürger krankenversichert. Die Kosten für den Staat belaufen sich nach Schätzungen der unabhängigen Budget-Behörde in den kommenden zehn Jahren auf rund 940 Milliarden Dollar (696 Milliarden Euro). Sie sollen durch Steuererhöhungen von Besserverdienenden größtenteils gedeckt werden. Quelle: Reuters
Beendigung des Irak-KriegsSchon früh lehnte Obama einen Krieg gegen den Irak ab. „Ich weiß, dass eine Invasion im Irak ohne klare Begründung und ohne starke internationale Unterstützung nur die Feuer des Nahen Ostens anfachen wird, die schlechtesten statt der besten Antriebe der arabischen Welt fördern und den Rekrutierungsarm der al-Qaida stärken wird“, sagte der damals noch weitgehend unbekannte Obama 2002 bei einer Antikriegskundgebung. „Ich bin nicht gegen alle Kriege. Ich bin gegen dumme Kriege.“ Für ihn ist im Wahlkampf fünf Jahre später klar: Der (falsche) Irak-Krieg muss beendet werden. Quelle: Reuters
Beendigung des Irak-KriegsIm Februar 2009, Obama ist gut vier Wochen im Amt, kündigt er den Abzug der US-Truppen innerhalb von 18 Monaten an. Noch im Sommer 2009 verlassen die ersten Kampftruppen die irakische Hauptstadt Bagdad, Ende August 2010 ziehen die restliche Truppen ab. Nur noch wenige US-Soldaten sind zum Schutz der Botschaft und zur Ausbildung des Militärs im Land. Quelle: dpa
Bekämpfung der Staatsschulden Im Wahlkampf 2008 rissen die USA die Schuldengrenze von 10 Billionen US-Dollar. Die beiden Kriege in Afghanistan und im Irak, sowie Steuersenkungen und Konjunkturprogramme hatten die Staatsverschuldung in die Höhe schießen lassen. Obama versprach im Wahlkampf, die Ausgaben stärker zu überwachen und Staatsschulden abzubauen, indem staatliche Einnahmeneinbußen durch Einsparungen in anderen Haushaltsetats ausgeglichen werden. Quelle: dpa

Noch können sich die USA an den Kapitalmärkten aber zu überraschend niedrigen Zinsen Geld leihen.

Das hat zwei Gründe: Die Notenbank um Ben Bernanke kauft langfristige Staatsanleihen auf und wirft kurzfristige Papiere auf den Markt. Das mindert zwischenzeitlich den Zinsdruck.

Zudem profitieren die USA von der Rolle des Dollar als Weltreservewährung. China und Japan als größte Gläubiger können nicht auf einmal all ihr Geld abziehen, das wäre entgegen ihrer Interessen. Es ist aber bereits jetzt deutlich, dass sie diversifizieren. Die beiden asiatischen Länder haben Ende Dezember in einem ernstzunehmenden Vorgang begonnen, gegenseitig in das jeweils andere Land zu investieren. Das ist ein deutliches Zeichen, dass das Vertrauen in die USA schwindet.

FAQ US-Vorwahlen

Welche Auswirkungen haben die hohe Arbeitslosigkeit und die Schuldenlast auf die Außenpolitik der USA?

Amerika kann die Ressourcen nicht mehr bereitstellen, die nötig sind, um Ordnungs- und Sicherheitsmacht zu sein. Das heißt: Ein US-Präsident muss mehr denn je Lasten auf die Partner abwälzen. Der Amtsinhaber Barack Obama hat das bereits gemacht. Im Libyen-Krieg hat er die Führungsrolle verweigert. Richtig. Und das war nur ein Vorgeschmack. Insbesondere die NATO ist ein beliebtes Instrument, um Lasten abzuwälzen. Die USA werden mehr denn je abwägen, wo sie sich engagieren und wo nicht.

Was passiert, wenn Europa und die NATO nicht bereit sind, mehr Verantwortung zu tragen?

Wenn Europa nicht willens oder in der Lage ist, den USA unter die Arme zu greifen, werden für die USA Sicherheitspartner in Asien umso interessanter. Barack Obama hat ja schon angekündigt, zunehmend im pazifischen Raum präsent sein zu wollen. Aus militär-strategischen Gründen, aber auch um Rohstoffinteressen zu wahren.

Für die Army-Stützpunkte auf deutschem Boden ist das keine gute Nachricht.

Nein, wir müssen davon ausgehen, dass die USA einen Großteil ihrer Truppen abziehen. Deutschland verliert sicherheitspolitisch zunehmend an Bedeutung für Amerika. Das würde sich auch unter einem Republikaner nicht ändern. Europa ist heute kein sicherheitspolitisches Problem mehr; es bleibt nur noch interessant, wenn es zur Lösung von Problemen in anderen Weltregionen beitragen kann. Der Blick geht gen Asien, Afrika und zum Nahen und Mittleren Osten – um Amerikas vitale Energieinteressen zu wahren.

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