USA Die Supermacht kämpft sich zurück

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"Gnadenloser Kampf um Ressourcen"

Was aus Obamas Wahlversprechen wurde
Die Schließung von Guantánamo Die USA zogen nach den Anschlägen vom 11. September in den „Krieg gegen den Terror“ – und verloren ihren moralischen Kompass. So wurde unter anderem der US-Navy-Stützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba um ein Internierungslager erweitert, indem in Spitzenzeiten mehr als 1000 Insassen festgehalten wurden. Ohne Gerichtsverfahren, ohne ihre Rechte als Kriegsgefangene. Laut FBI-Bericht wurden Häftlinge und deren Angehörige bedroht, mit Schlafentzug mürbe gemacht und mit Koran-Schändungen provoziert. Und: Waterboarding, eine Verhörmethode, bei der der Eindruck des Ertränkens erzeugt wird, sei regelmäßig angewendet worden, so das FBI. „Wir werden Guantánamo schließen“, versprach Barack Obama im Wahlkampf 2007/2008. Quelle: dapd
Die Schließung von Guantánamo Unmittelbar nach seiner Vereidigung zum US-Präsidenten ließ Barack Obama alle laufenden Militärgerichtsverfahren gegen Insassen des kubanischen Lagers für 120 Tage aussetzen, um sie zu überprüfen. Zudem ordnete er die Schließung des Militärgefängnisses auf Guantánamo Bay innerhalb eines Jahres an. Dazu ist es nie gekommen. Zuerst verweigerte der Senat die Bewilligung von Geldern zur Schließung, anschließend gibt es weder im In- noch im Ausland große Bereitschaft, die Gefangenen aufzunehmen. Noch heute werden mindestens 170 Gefangene auf Guantánamo Bay festgehalten, Obamas Wahlversprechen ist gescheitert. Quelle: AP
Eine Krankenversicherung für alle Amerikaner Es ist – zumindest aus europäischer Sicht – unvorstellbar, dass noch 2009, zu Beginn von Barack Obamas Amtzeit, 47 Millionen US-Bürger keine Krankenversicherung besitzen. Arztbesuche können sich diese Menschen nicht leisten; immer wieder bieten Ärzte in Stadt- und Turnhallen ehrenamtlich Massen-Untersuchungen an, um eine Grundversorgung zu gewährleisten. Zustände, wie in einem Entwicklungsland. Barack Obama will das ändern. Er verspricht, sich an eine Gesundheitsreform zu wagen, an der vor ihm bereits sieben Präsidenten gescheitert sind. Eine Krankenversicherung soll keine Ausnahme für Wohlhabende mehr sein. Quelle: dpa
Eine Krankenversicherung für alle Amerikaner Nach zwei Jahren und unzähligen Verhandlungen gelingt Barack Obama im März 2010 sein größter innenpolitischer Erfolg: Nach dem Senat billigte auch das Repräsentantenhaus mit 219 zu 212 Stimmen seine Gesundheitsreform. Sie ist im Vergleich zu Obamas Entwurf abgemildert. Aber: 32 Millionen bislang unversicherte Amerikaner werden bis 2013 eine Absicherung im Krankheitsfall bekommen. Damit wären dann 95 Prozent aller US-Bürger krankenversichert. Die Kosten für den Staat belaufen sich nach Schätzungen der unabhängigen Budget-Behörde in den kommenden zehn Jahren auf rund 940 Milliarden Dollar (696 Milliarden Euro). Sie sollen durch Steuererhöhungen von Besserverdienenden größtenteils gedeckt werden. Quelle: Reuters
Beendigung des Irak-KriegsSchon früh lehnte Obama einen Krieg gegen den Irak ab. „Ich weiß, dass eine Invasion im Irak ohne klare Begründung und ohne starke internationale Unterstützung nur die Feuer des Nahen Ostens anfachen wird, die schlechtesten statt der besten Antriebe der arabischen Welt fördern und den Rekrutierungsarm der al-Qaida stärken wird“, sagte der damals noch weitgehend unbekannte Obama 2002 bei einer Antikriegskundgebung. „Ich bin nicht gegen alle Kriege. Ich bin gegen dumme Kriege.“ Für ihn ist im Wahlkampf fünf Jahre später klar: Der (falsche) Irak-Krieg muss beendet werden. Quelle: Reuters
Beendigung des Irak-KriegsIm Februar 2009, Obama ist gut vier Wochen im Amt, kündigt er den Abzug der US-Truppen innerhalb von 18 Monaten an. Noch im Sommer 2009 verlassen die ersten Kampftruppen die irakische Hauptstadt Bagdad, Ende August 2010 ziehen die restliche Truppen ab. Nur noch wenige US-Soldaten sind zum Schutz der Botschaft und zur Ausbildung des Militärs im Land. Quelle: dpa
Bekämpfung der Staatsschulden Im Wahlkampf 2008 rissen die USA die Schuldengrenze von 10 Billionen US-Dollar. Die beiden Kriege in Afghanistan und im Irak, sowie Steuersenkungen und Konjunkturprogramme hatten die Staatsverschuldung in die Höhe schießen lassen. Obama versprach im Wahlkampf, die Ausgaben stärker zu überwachen und Staatsschulden abzubauen, indem staatliche Einnahmeneinbußen durch Einsparungen in anderen Haushaltsetats ausgeglichen werden. Quelle: dpa

„Viele Amerikaner sind trotz der momentanen Erholung nicht zufrieden mit Obamas Wirtschaftspolitik“, sagt Russo. Nur noch 50 Prozent der US-Bürger glauben an den amerikanischen Traum vom Aufstieg. „Das ist sehr gefährlich für unser Land. Denn dieser Traum, dass man es schaffen kann, der hat dieses Land bisher zusammengehalten.“ Wenn die Hälfte der Amerikaner nicht mehr daran glaubt, dann bedeutet das nichts Gutes. „Der Ton ist schärfer geworden in Amerika“, sagt Russo.

Die Arbeitslosigkeit stagniert

Kein Wunder: Die Arbeitslosigkeit stagniert bei 8,3 Prozent. Mehr als 40 Prozent aller Arbeitslosen in den USA sind länger als ein halbes Jahr ohne Job. So hoch war diese Zahl zuletzt in der Rezession 1981/82. „Wir sind immer noch mindestens vier Jahre von einem normal funktionierenden Arbeitsmarkt entfernt“, sagt Harvard-Ökonom Lawrence Katz. Weitaus mehr Stellen müssten geschaffen werden, um die Lage auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig zu verbessern. Die US-Wirtschaft bietet rund sechs Millionen Jobs weniger an als vor vier Jahren, kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise. „Anfang dieses Jahres hatten weniger Amerikaner einen Job als im Januar 2001“, sagt der Ökonom Paul Krugman. Das sei in elf Jahren ein Nullwachstum.

Obamas Optimismus könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Dinge in Amerika so schnell nicht wieder besser liefen, befürchtet auch Columbia-Professor Thomas Byrne Edsall. „Amerika steht eine Periode des Sparens bevor, wie sie das Land zuvor noch nie erlebt hat. Die Zukunft Amerikas wird brutal. Es wird ein gnadenloser Kampf um Ressourcen ausbrechen“, prophezeit Edsall.

Explodierende Gesundheitskosten

Um das wachsende Defizit abzubauen, sollen die Steuersenkungen aus der Ära des früheren Präsidenten George W. Bush Anfang des kommenden Jahres auslaufen und weitere Ausgaben im Staatshaushalt gestrichen werden. Doch die Amerikaner stecken hier in einem Dilemma: Ein umfassendes Sparprogramm dürfte die Konjunktur spürbar bremsen. Findet jedoch nach den Wahlen keine Konsolidierung statt, droht eine weitere Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA und eine fortgesetzte Talfahrt des Dollar.

Völlig offen ist zudem, wie das Land seine explodierenden Gesundheitskosten in den Griff bekommen will. Die Hälfte der Amerikaner ist gegen „Obamacare“, die Gesundheitsreform, die alle Amerikaner verpflichtet, eine Krankenversicherung abzuschließen. Das Ganze sei zu teuer und würde die Steuerzahler zu sehr belasten, so die Befürchtung der Bürger.

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