USA Wer überfällt hier wen?

Die mächtige Federal Reserve stellt sich gegen den Präsidenten. Aber Donald Trump kann die Notenbank bald komplett umkrempeln.

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Diese Menschen sprechen für den US-Präsidenten
Sean Spicer ist Sprecher des Weißen Hauses, früher Sprecher der Republikaner Quelle: AP
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Stephen Miller Quelle: AP

Eigentlich gefällt es Donald Trump sehr, recht zu behalten. Doch für seine Prophezeiung vom September vorigen Jahres dürfte dies ausnahmsweise nicht gelten. Damals, mitten in der heißesten Phase des Wahlkampfs, hatte Kandidat Trump gegen die US-Notenbank Federal Reserve gepoltert. Die Fed halte die Zinsen künstlich niedrig, so Trump, um Noch-Präsident Barack Obama das Wirtschaften zu erleichtern. Nach der Wahl würden die Zentralbanker dann die Zinsen rasant erhöhen – und das könne jedem Obama-Nachfolger das Leben schwer machen. Die Chefin der Notenbank, Janet Yellen, sei offensichtlich parteiisch und „solle sich schämen“, befand Trump damals.

Wie viele Deutsche Trumps Vorschläge auch bei uns gerne verwirklicht sähen

Tatsächlich wird die Fed, anders als in der Obama-Ära, 2017 die Zinsen wieder kräftig erhöhen. So weit hat Trump recht behalten. Vielleicht schon kommende Woche, spätestens aber im Sommer. Bis zu drei Leitzinserhöhungen könnte es binnen der kommenden Monate geben. Allerdings scheint sich Yellen dafür überhaupt nicht zu schämen. Ihre Stimme ist entschlossen, wenn sie ihr Vorgehen erklärt. Ihr Haus kämpfe weiter um „maximale Beschäftigung und stabile Preise – so wie es unser Mandat ist“, sagt Yellen. Ende der Diskussion. Zumindest für die Zentralbankchefin.

Doch keineswegs für Trump. Zu wichtig ist der Zins für dessen Wirken als Präsident. Der Republikaner will Amerikas Infrastruktur erneuern, Steuern senken, den US-Export beleben. Das ist nur möglich, wenn die Notenbank eine laxe Geldpolitik verfolgt, die Geldleihen zu Minizinsen ermöglicht und den US-Dollar drückt. „Der Dollar ist zu stark“, agitiert Trump. „Das bringt uns um.“

Damit ist der Machtkampf zwischen dem Weißen Haus und der Notenbank voll entbrannt. Dabei ist die Fed nominell unabhängig, feuern kann Trump die ihm unangenehme Währungshüterin Yellen auch nicht. Allerdings läuft deren vierjährige Amtszeit als Fed-Chefin im Januar 2018 aus. Und dass Trump der 70-jährigen New Yorkerin eine Verlängerung vorschlägt, ist mehr als unwahrscheinlich. Vor allem aber: Kann Trump, der schließlich seine Wirtschaftspolitik möglichst sofort umsetzen will, überhaupt so lange stillhalten?

Mit der Fed ist sich der neue US-Präsident nicht grün. Dennoch könnte ausgerechnet er es sein, der Notenbanken weltweit den Ausweg aus ihrem Krisenmodus weist - und Sparern wieder zu nennenswerten Zinsen verhilft.

Es wird einsam um Yellen

Charles Plosser jedenfalls sorgt sich schon um Yellen. Das ist bemerkenswert, schließlich hat er ihr in seiner früheren Funktion als Fed-Gouverneur oft widersprochen. Zu expansiv schien ihm Yellens Geldpolitik. Doch im Ringen mit Trump hält Plosser, 68, zu seiner ehemaligen Chefin. Hohe Inflation sei noch immer die größte volkswirtschaftliche Gefahr, argumentiert er. „Geraten die Preise außer Kontrolle, sind Massenarbeitslosigkeit und Armut unabwendbar. Die Fed muss die Zinsen einfach zügig und deutlich anheben, um zu starke Preissprünge zu verhindern.“

Doch Yellen droht für ihren Kurs an Rückhalt zu verlieren – im Weißen Haus und innerhalb der Fed. Anfang April tritt Daniel Tarullo zurück, ein enger Vertrauter der Notenbankerin. Der Demokrat hat sich über Parteigrenzen hinweg als Bankenregulierer einen Namen gemacht. Stets waren sich Yellen und Tarullo einig, dass die Wall Street klare Spielregeln braucht. Das sieht Trump bekanntlich anders. „Es ist davon auszugehen, dass der US-Präsident einen Nachfolger für Tarullo nominiert, der der Finanzbranche mehr Freiheiten zugesteht“, sagt Fed-Kenner David Wessel von der Denkfabrik Brookings.

Gouverneure könnten zu Gegenspielern mutieren

So kann Trump seine Vorstellungen umsetzen – und seine Gegnerin Yellen mürbe machen. Zudem hat Trump bald gleich mehrfach Gelegenheit, ihm genehme Währungsexperten in höchste Fed-Posten zu hieven. Zwei weitere Sitze im siebenköpfigen Topgremium der Bank, dem Board of Governors, sind derzeit vakant. Barack Obama versuchte noch, die freien Posten zu besetzen, doch die Republikaner im Kongress verweigerten die Zustimmung. Das dürfte für Trump-Vorschläge nicht gelten. In kürzester Zeit könnte der Präsident also drei neue Gouverneure benennen, die Yellens Politik mehr oder weniger offen ablehnen.

„Diese Machtverhältnisse erinnern mich an die Endphase der Amtszeit von Paul Volcker“, sagt Exnotenbanker Plosser. Der langjährige Fed-Chef Volcker hatte Anfang der Achtzigerjahre erfolgreich die Inflation bekämpft, aber rasch an politischer Rückendeckung verloren, da die USA nicht aus der Rezession fanden. Damals wurden Gouverneure ernannt, die zu Gegenspielern mutierten. Volcker, eine höchst selbstbewusste Persönlichkeit, hielt das aus. Heute hingegen, meint Plosser, sei die Fed aufgrund des Drucks durch Finanzmärkte, Medien und Politik auf mehr Einigkeit angewiesen. „Gegenstimmen von Gouverneuren werden leicht als Niederlage der Vorsitzenden interpretiert.“

Zwar könnte Yellen nach ihrer Zeit als Fed-Chefin theoretisch ins zweite Glied rücken und den Rest ihrer Amtszeit als einfache Gouverneurin absitzen. Doch das ist nach dem offenen Streit mit Trump wohl keine Option. „Die Chance, dass Yellen nach einer Absetzung an der Spitze bei der Fed bleibt, liegt in meinen Augen bei weniger als 20 Prozent“, sagt Experte Wessel.

Diese Insignien der Macht erhält Donald Trump
„Atom-Football“ heißt der etwas überdimensionierte Aktenkoffer, mit dessen Hilfe der Präsident den Abschuss von Nuklearwaffen befehlen kann. Quelle: dpa
Das Weiße Haus Quelle: dpa
Das Oval Office Quelle: REUTERS
Der Präsidenten-Schreibtisch Quelle: dpa
Der Kabinettstisch im Weißen Haus Quelle: dpa
Privaträume im Weißen Haus Quelle: AP
Privaträume im Weißen Haus Quelle: AP

Freie Bahn für Trump

Dem Präsidenten wäre das nur recht, er könnte gleich den nächsten Posten besetzen. „Dass ein US-Präsident so viel Gestaltungsmacht bei der Fed hat, ist einzigartig“, sagt Wessel, der die Notenbank als Journalist über 30 Jahren beobachtet hat. Was der US-Präsident damit macht? Charles Plosser schwant nichts Gutes. Er fürchtet um die Unabhängigkeit der Fed, gepaart mit einer neuen Phase der Geldschwemme. „Ich hoffe inständig, dass die neuen Notenbanker ihre Eigenständigkeit verteidigen.“ Sicher aber sei er sich nicht, sagt Plosser.

Als möglicher neuer Notenbank-Chef gilt Stanford-Professor Kevin Warsh. Der 46-Jährige war bereits von 2006 bis 2011 Fed-Mitglied – und bewarb sich vor wenigen Wochen in einem Gastbeitrag um ein Comeback bei der Notenbank. Er kritisierte, der Fed fehle es derzeit an einer längerfristigen Strategie. Und: Die Notenbank sei zu technokratisch ausgerichtet – ein klarer Angriff auf Yellen, die sich stets auf Inflation und Jobs konzentriert hatte.

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Aussagen, die bei Charles Plosser die Alarmglocken klingen lassen. „Die Fed muss vor allem die Preise stabil halten; politischer Einfluss führt zu Fehlentscheidungen“, sagt er und verweist einmal mehr auf die Geschichte. Mitte der Sechzigerjahre lud der damalige US-Präsident Lyndon Johnson den Fed-Chef William McChesney Martin auf seine Ranch in Texas ein. Er bearbeitete ihn, die Zinsen niedrig zu halten. Schließlich mussten der Vietnamkrieg und Johnsons Sozialprogramme finanziert werden. Martin hörte auf den Präsidenten. Es folgten zweistellige Inflationsraten und Massenarbeitslosigkeit, bilanziert Exnotenbanker Plosser. Je mehr Distanz es zwischen Politik und Zentralbank gebe, desto besser.

Eine Position, die Janet Yellen – trotz aller Vorwürfe von Donald Trump während des Wahlkampfs – stets vertreten hat. Die Unabhängigkeit der Fed wird sie nach ihrer Amtszeit als oberste Währungshüterin schwerlich weiter verteidigen können. Wohl aber kann sie eisern ihre Politik bis zum Ende fortsetzen, indem sie konsequent an der Zinsschraube dreht. Je schneller und aggressiver sie dies tut, desto eher bremst Yellen einen drohenden Anstieg der Inflationsrate aus – und verschafft einem möglichen Nachfolger mehr Luft im Machtkampf mit Präsident Trump.

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