Eigentlich gefällt es Donald Trump sehr, recht zu behalten. Doch für seine Prophezeiung vom September vorigen Jahres dürfte dies ausnahmsweise nicht gelten. Damals, mitten in der heißesten Phase des Wahlkampfs, hatte Kandidat Trump gegen die US-Notenbank Federal Reserve gepoltert. Die Fed halte die Zinsen künstlich niedrig, so Trump, um Noch-Präsident Barack Obama das Wirtschaften zu erleichtern. Nach der Wahl würden die Zentralbanker dann die Zinsen rasant erhöhen – und das könne jedem Obama-Nachfolger das Leben schwer machen. Die Chefin der Notenbank, Janet Yellen, sei offensichtlich parteiisch und „solle sich schämen“, befand Trump damals.
Wie viele Deutsche Trumps Vorschläge auch bei uns gerne verwirklicht sähen
Die Deutschen mögen Donald Trump nicht. Nur wenige Prozent hätten für den Republikaner gestimmt, ergaben Umfragen vor der US-Wahl. Doch ist ihnen womöglich nur der Mensch zuwider, nicht sein Programm? Und fürchtet die überwiegende Mehrheit, dass Trump ein gefährlicher Präsident wird? Eine aktuelle Ipsos-Umfrage im Auftrag der WirtschaftsWoche liefert dazu erstaunliche Erkenntnisse.
Auf die Frage, welche Trump-Vorhaben die Deutschen auch hierzulande gerne umgesetzt sähen, antworteten satte 56,3 Prozent, sie wollten die Abschiebung aller illegalen Ausländer.
34 Prozent der Befragten stimmen Trumps Forderung nach mehr Durchgriffsrechten für die Polizei zu.
Immerhin 30,6 Prozent wünschen sich weniger Einkommensteuer.
26,2 Prozent wünschen sich gar eine strikte Einreiseregulierung für Muslime.
Die Ablehnung der Deutschen gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder TPP zeigt sich auch in dieser Umfrage. 19 Prozent sähen auch hierzulande gerne ein Ende/Neuverhandlung der Freihandelsabkommen.
15 Prozent der Befragten sind für den Aufbau engerer Beziehungen zu Putins Russland.
Die Erbschaftsteuer sähen 13 Prozent der Befragten auch in Deutschland gerne abgeschafft.
Immerhin 4 Prozent wünschen sich eine Einführung von (Schutz-)Zöllen für Importe.
Mehrfach drohte der designierte US-Präsident mit dem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Nur 2 Prozent der Befragten sind für einen Austritt beziehungsweise Rückzug aus dem Klimavertag.
17 Prozent der Befragten ist nicht nur die Person Donald Trump zuwider. Auch das Programm des Republikaners stößt auf Ablehnung.
Gemessen an der Ablehnung seiner Person, sehen die Bundesbürger Trumps Rolle in der Welt noch vergleichsweise milde. 57,2 Prozent der Deutschen gehen davon aus, Trump werde vom Weißen Haus aus die Welt politisch destabilisieren.
55,9 Prozent erwarten negative Auswirkungen für Deutschland.
Zu den möglichen Folgen für die USA ist die Skepsis viel größer: Nur 12,2 Prozent sagen, Trump werde die internationale Position seines Landes nachhaltig verbessern.
Tatsächlich wird die Fed, anders als in der Obama-Ära, 2017 die Zinsen wieder kräftig erhöhen. So weit hat Trump recht behalten. Vielleicht schon kommende Woche, spätestens aber im Sommer. Bis zu drei Leitzinserhöhungen könnte es binnen der kommenden Monate geben. Allerdings scheint sich Yellen dafür überhaupt nicht zu schämen. Ihre Stimme ist entschlossen, wenn sie ihr Vorgehen erklärt. Ihr Haus kämpfe weiter um „maximale Beschäftigung und stabile Preise – so wie es unser Mandat ist“, sagt Yellen. Ende der Diskussion. Zumindest für die Zentralbankchefin.
Doch keineswegs für Trump. Zu wichtig ist der Zins für dessen Wirken als Präsident. Der Republikaner will Amerikas Infrastruktur erneuern, Steuern senken, den US-Export beleben. Das ist nur möglich, wenn die Notenbank eine laxe Geldpolitik verfolgt, die Geldleihen zu Minizinsen ermöglicht und den US-Dollar drückt. „Der Dollar ist zu stark“, agitiert Trump. „Das bringt uns um.“
Damit ist der Machtkampf zwischen dem Weißen Haus und der Notenbank voll entbrannt. Dabei ist die Fed nominell unabhängig, feuern kann Trump die ihm unangenehme Währungshüterin Yellen auch nicht. Allerdings läuft deren vierjährige Amtszeit als Fed-Chefin im Januar 2018 aus. Und dass Trump der 70-jährigen New Yorkerin eine Verlängerung vorschlägt, ist mehr als unwahrscheinlich. Vor allem aber: Kann Trump, der schließlich seine Wirtschaftspolitik möglichst sofort umsetzen will, überhaupt so lange stillhalten?
Es wird einsam um Yellen
Charles Plosser jedenfalls sorgt sich schon um Yellen. Das ist bemerkenswert, schließlich hat er ihr in seiner früheren Funktion als Fed-Gouverneur oft widersprochen. Zu expansiv schien ihm Yellens Geldpolitik. Doch im Ringen mit Trump hält Plosser, 68, zu seiner ehemaligen Chefin. Hohe Inflation sei noch immer die größte volkswirtschaftliche Gefahr, argumentiert er. „Geraten die Preise außer Kontrolle, sind Massenarbeitslosigkeit und Armut unabwendbar. Die Fed muss die Zinsen einfach zügig und deutlich anheben, um zu starke Preissprünge zu verhindern.“
Doch Yellen droht für ihren Kurs an Rückhalt zu verlieren – im Weißen Haus und innerhalb der Fed. Anfang April tritt Daniel Tarullo zurück, ein enger Vertrauter der Notenbankerin. Der Demokrat hat sich über Parteigrenzen hinweg als Bankenregulierer einen Namen gemacht. Stets waren sich Yellen und Tarullo einig, dass die Wall Street klare Spielregeln braucht. Das sieht Trump bekanntlich anders. „Es ist davon auszugehen, dass der US-Präsident einen Nachfolger für Tarullo nominiert, der der Finanzbranche mehr Freiheiten zugesteht“, sagt Fed-Kenner David Wessel von der Denkfabrik Brookings.
Gouverneure könnten zu Gegenspielern mutieren
So kann Trump seine Vorstellungen umsetzen – und seine Gegnerin Yellen mürbe machen. Zudem hat Trump bald gleich mehrfach Gelegenheit, ihm genehme Währungsexperten in höchste Fed-Posten zu hieven. Zwei weitere Sitze im siebenköpfigen Topgremium der Bank, dem Board of Governors, sind derzeit vakant. Barack Obama versuchte noch, die freien Posten zu besetzen, doch die Republikaner im Kongress verweigerten die Zustimmung. Das dürfte für Trump-Vorschläge nicht gelten. In kürzester Zeit könnte der Präsident also drei neue Gouverneure benennen, die Yellens Politik mehr oder weniger offen ablehnen.
„Diese Machtverhältnisse erinnern mich an die Endphase der Amtszeit von Paul Volcker“, sagt Exnotenbanker Plosser. Der langjährige Fed-Chef Volcker hatte Anfang der Achtzigerjahre erfolgreich die Inflation bekämpft, aber rasch an politischer Rückendeckung verloren, da die USA nicht aus der Rezession fanden. Damals wurden Gouverneure ernannt, die zu Gegenspielern mutierten. Volcker, eine höchst selbstbewusste Persönlichkeit, hielt das aus. Heute hingegen, meint Plosser, sei die Fed aufgrund des Drucks durch Finanzmärkte, Medien und Politik auf mehr Einigkeit angewiesen. „Gegenstimmen von Gouverneuren werden leicht als Niederlage der Vorsitzenden interpretiert.“
Zwar könnte Yellen nach ihrer Zeit als Fed-Chefin theoretisch ins zweite Glied rücken und den Rest ihrer Amtszeit als einfache Gouverneurin absitzen. Doch das ist nach dem offenen Streit mit Trump wohl keine Option. „Die Chance, dass Yellen nach einer Absetzung an der Spitze bei der Fed bleibt, liegt in meinen Augen bei weniger als 20 Prozent“, sagt Experte Wessel.
Freie Bahn für Trump
Dem Präsidenten wäre das nur recht, er könnte gleich den nächsten Posten besetzen. „Dass ein US-Präsident so viel Gestaltungsmacht bei der Fed hat, ist einzigartig“, sagt Wessel, der die Notenbank als Journalist über 30 Jahren beobachtet hat. Was der US-Präsident damit macht? Charles Plosser schwant nichts Gutes. Er fürchtet um die Unabhängigkeit der Fed, gepaart mit einer neuen Phase der Geldschwemme. „Ich hoffe inständig, dass die neuen Notenbanker ihre Eigenständigkeit verteidigen.“ Sicher aber sei er sich nicht, sagt Plosser.
Als möglicher neuer Notenbank-Chef gilt Stanford-Professor Kevin Warsh. Der 46-Jährige war bereits von 2006 bis 2011 Fed-Mitglied – und bewarb sich vor wenigen Wochen in einem Gastbeitrag um ein Comeback bei der Notenbank. Er kritisierte, der Fed fehle es derzeit an einer längerfristigen Strategie. Und: Die Notenbank sei zu technokratisch ausgerichtet – ein klarer Angriff auf Yellen, die sich stets auf Inflation und Jobs konzentriert hatte.
Trumps Amerika: Die Pläne des neuen US-Präsidenten
Trump will sich ganz von amerikanischen Interessen, vor allem den Sicherheitsinteressen leiten lassen. Höchste Priorität soll der Kampf gegen islamistische Terrororganisationen wie den Islamischen Staat (IS) haben. Russland wird in den Eckpunkten nicht direkt erwähnt, es gibt aber einen Satz, der als Botschaft an Russland verstanden werden kann. „Die Welt muss wissen, dass wir keine Feinde suchen, dass wir immer froh sind, wenn alte Feinde zu Freunde werden, und wenn alte Freunde zu Verbündeten werden.“ Internationale Bündnisse und Organisationen wie die Nato, die Europäische Union und die Vereinten Nationen kommen in den Eckpunkten nicht vor.
Trump setzt auf „harte und faire“ Handelsabkommen, die vorrangig der US-Wirtschaft nutzen sollen. Darauf will er seine „härtesten und klügsten“ Leute ansetzen. Erstes Ziel: „Rückzug aus der transpazifischen Partnerschaft.“ Das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta der USA mit Kanada und Mexiko will er neu verhandeln und aufkündigen, wenn es keinen „fairen Deal“ gibt. Verstöße anderer Länder gegen Handelsabkommen will er „mit allen Mitteln“ bekämpfen.
Die Kürzungen bei den US-Streitkräften will Trump rückgängig machen. „Unsere militärische Dominanz darf nicht infrage gestellt werden.“ Kein Land dürfe die USA militärisch überholen. Trump kündigt ein Raketenabwehrsystem zum Schutz vor Angriffen des Iran und Nordkoreas an. Dem Cyber-Krieg soll Priorität eingeräumt werden. Dabei sollen sowohl die defensiven als auch die offensiven Fähigkeiten der Streitkräfte gestärkt werden.
„Die Trump-Regierung wird eine Law-and-Order-Regierung (Recht und Ordnung) sein“, heißt es in den Eckpunkten. Vor allem die Gewaltkriminalität will der neue US-Präsident durch effektivere Polizeiarbeit, konsequentere Anwendung von Strafgesetzen und mehr bürgerliches Engagement bekämpfen. Das Recht auf Waffenbesitz soll nicht angetastet werden, um es jedem US-Bürger zu ermöglichen, sich selbst zu verteidigen.
Ein Grenzwall nach Mexiko soll illegale Einwanderung stoppen. Außerdem will Trump Migranten, die straffällig geworden sind, abschieben.
In zehn Jahren will Trump 25 Millionen Arbeitsplätze schaffen und vier Prozent Wachstum pro Jahr erreichen. Er will die Steuern für Bürger und Unternehmen senken sowie das gesamte Steuersystem vereinfachen. Staatliche Regulierung will die neue US-Regierung so weit wie möglich zurückfahren.
Trump will Energie für die Bürger möglichst billig machen und unabhängig sein von ausländischem Öl. Dafür will er Gesetze zum Klima- und Wasserschutz zurücknehmen, die Obama durchgesetzt hat. Stattdessen setzt er auf Fracking, also die Förderung von Erdgas aus Gesteinsschichten. Die US-Kohleindustrie will er „wiederbeleben“. Die Umweltbehörde EPA soll sich auf den Luft- und Wasserschutz konzentrieren. Trump hat früher abgestritten, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt.
Aussagen, die bei Charles Plosser die Alarmglocken klingen lassen. „Die Fed muss vor allem die Preise stabil halten; politischer Einfluss führt zu Fehlentscheidungen“, sagt er und verweist einmal mehr auf die Geschichte. Mitte der Sechzigerjahre lud der damalige US-Präsident Lyndon Johnson den Fed-Chef William McChesney Martin auf seine Ranch in Texas ein. Er bearbeitete ihn, die Zinsen niedrig zu halten. Schließlich mussten der Vietnamkrieg und Johnsons Sozialprogramme finanziert werden. Martin hörte auf den Präsidenten. Es folgten zweistellige Inflationsraten und Massenarbeitslosigkeit, bilanziert Exnotenbanker Plosser. Je mehr Distanz es zwischen Politik und Zentralbank gebe, desto besser.
Eine Position, die Janet Yellen – trotz aller Vorwürfe von Donald Trump während des Wahlkampfs – stets vertreten hat. Die Unabhängigkeit der Fed wird sie nach ihrer Amtszeit als oberste Währungshüterin schwerlich weiter verteidigen können. Wohl aber kann sie eisern ihre Politik bis zum Ende fortsetzen, indem sie konsequent an der Zinsschraube dreht. Je schneller und aggressiver sie dies tut, desto eher bremst Yellen einen drohenden Anstieg der Inflationsrate aus – und verschafft einem möglichen Nachfolger mehr Luft im Machtkampf mit Präsident Trump.