USA Zweiter Terrorverdächtiger von Boston überwältigt

Nach fünf Tagen Ausnahmezustand jubelt Boston: Der flüchtige Terrorverdächtige ist gestellt, sein mutmaßlicher Komplize tot. Waren die Brüder fanatische Islamisten? Beide hatten auf jeden Fall ein gemeinsames Hobby.

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In Boston feierten die Menschen das Ende von fünf Tagen Fahndung nach den mutmaßlichen Attentätern. Quelle: AP

Amerika atmet auf: Ein dramatischer Großeinsatz ist zu Ende. Die Polizei hat den mutmaßlichen zweiten Bombenleger von Boston aufgespürt und überwältigt.

Der 19-jährige Dschochar Zarnajew hatte sich verletzt in einem Garten in einem abgedeckten Boot versteckt. Am Freitagabend (Ortszeit) wurde er im Bostoner Vorort Watertown gestellt und mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht, wie die Polizei mitteilte. Sein älterer Bruder und mutmaßlicher Komplize Tamerlan (26) war zuvor auf der Flucht von der Polizei getötet worden. Über ihr Motiv wird noch gerätselt.

US-Präsident Barack Obama zeigte sich erleichtert. In einer kurzen Rede im Weißen Haus lobte er die Arbeit der Sicherheitsbehörden und kündigte lückenlose Aufklärung an. Bei dem Anschlag auf den Boston-Marathon waren am Montag drei Menschen getötet und 180 verletzt worden.

In Watertown strömten die Menschen auf die Straße, jubelten und applaudierten, als die Festnahme bekannt wurde. Die Bostoner Polizei twitterte um 20.58 Uhr Ortszeit (2.58 Uhr MESZ): "Die Jagd ist aus. Die Fahndung ist vorüber. Der Terror ist vorbei. Und Gerechtigkeit hat gesiegt. Verdächtiger in Haft."

In seinem Versteck war Dschochar Zarnajew von einem Hausbesitzer entdeckt worden. Nach Aufhebung der Ausgangssperre für ganz Boston war er in seinen Garten gegangen und hatte Blutspuren auf einer Bootsplane entdeckt. Außerdem war ein Sicherungsseil durchtrennt. Als er unter die Plane schaute, entdeckte er nach Polizeiangaben einen blutüberströmten Körper. Er habe dann den Notruf gewählt.

Wie genau die Polizisten Zarnajew festnahmen, blieb zunächst unklar. Laut Medienberichten gingen Vermutungen dahin, dass er nicht erst bei seiner Festnahme, sondern bereits in der Nacht zum Freitag bei dem Schusswechsel mit der Polizei schwer verletzt wurde, in dem sein Bruder starb. Der Gouverneur von Massachusetts, Deval Patrick, sagte laut "Boston Globe", er hoffe stark, dass Zarnajew überlebe. "Ich habe viele Fragen an ihn."

Die beiden Brüder sind nach bisherigen Erkenntnissen tschetschenischer Herkunft, lebten aber mit ihren Familie bereits seit 2002 in den USA, wo sie Asyl genossen. In ihrer neuen Heimat führten die Brüder nach außen unterschiedliche Leben. Tamerlan soll eigenbrödlerisch gelebt haben, Dschochar schien dagegen zugänglicher zu sein.

Auf dem ersten Blick: Zwei unterschiedliche Personen

Das Bild zeigt den 26-jährigen Tamerlan Zarnajew (links) und seinen 19-jährigen Bruder Dschochar Zarnajew. Quelle: AP

Ein Nachbar nannte Dschochar bei CNN einen "liebenswerten Jungen". Zudem sagte ein anderer Schulfreund dem US-Sender, dass der 19-jährige nie was "bösartiges" von sich gegeben habe. Es habe nie Indizien gegeben, "woraus man schließen könnte, dass er zu so etwas in der Lage wäre". Auch andere Freunde aus dem Umfeld des jüngeren Tschetschenen sollen keine Hinweise für eine Radikalisierung bei ihm bemerkt haben. Auch sonst konnte man kaum Anzeichen dafür beim Jüngeren sehen. Er hatte einen eigenen Twitteraccount, auf dem er hunderte unauffällige Nachrichten absetzte. Dschochar wirkt wie ein gewöhnlicher Jugendlicher aus den USA.

War das alles nur Tarnung?

Das FBI hatte Tamerlan bereits 2011 auf der Liste

Die Bundespolizei FBI wussten jedenfalls vom älteren Zarnajew. Auf Wunsch einer ausländischen Regierung überprüfte die Behörde nach eigenen Angaben den 26-Jährigen bereits 2011. Die ausländische Regierung soll ihn als Anhänger des "radikalen Islams" verdächtigt haben. Damals seien aber keine Hinweise auf terroristische Aktivitäten gefunden worden, hieß es. Und welcher Staat das war, der mehr über Tamerlan Zarnajew wissen wollte, darüber schweigt das FBI.

Subeidat Zarnajewa, die sich als Mutter der beiden Männer ausgab, sagte dem englischsprachigen Staatsfernsehen Russia Today am Samstag, Tamerlan habe sich seit etwa fünf Jahren stark für den Islam interessiert. "Aber er hat nie gesagt, dass er den Weg des Dschihads einschlagen will."

Nun kündigt US-Präsident Barack Obama eine lückenlose Aufklärung an. Er habe die Bundespolizei und das Heimatschutzministerium angewiesen, alle notwendigen Ressourcen einzusetzen. "Warum haben junge Männer, die hier aufgewachsen sind und studiert haben, zu so starker Gewalt gegriffen?", fragte Obama. Die Familien der Opfer verdienten Antworten.

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