Vatikan Franziskus' schwieriger Besuch in Kairo

Papst Franziskus besucht Ägypten. Er will sich dort mit den Christen und trifft sich aber auch mit eher reformscheuen Muslimen. Angesichts der jüngsten Angriffe auf Christen beschimpfen Kritiker den Papst als „wohlmeinend, aber naiv“.

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Ein Plakat heißt an der Markuskathedrale in Kairo Papst Franziskus willkommen. Der Papst besucht von Freitag bis Samstag Ägypten. Links auf dem Plakat der koptische Papst Tawadros II. Quelle: dpa

Kairo In den nächsten zwei Tagen ist in Kairo höchste Sicherheitsstufe angesagt. Papst Franziskus, der am heutigen Freitagnachmittag am Nil eintrifft, wäre ein besonders attraktives Ziel für Islamisten. Aber obwohl es in den vergangenen Wochen und Monaten mehrere Anschläge auf koptische Kirchen und das Katharinenkloster im Sinai gegeben hat, wollte der Papst den Besuch nicht absagen. Als ob er den Sicherheitsbehörden ihre an sich schon schwierige Aufgabe noch erschweren wollte, will der Papst in Kairo ein „normales Auto ohne Panzerung“ (Papst-Sprecher Greg Burke) verwenden. Für Sicherheitsleute in Kairo und im Vatikan ist die Visite am Nil ein Albtraum. In Kairo, Tanta und Alexandria töteten allein in den vergangenen Wochen Selbstmordattentäter 75 Gottesdienstbesucher.  

Doch der Papst nimmt das für ihn besonders hohe Risiko in Kauf, um sich mit Kopten und christlichen Ägyptern solidarisch zu zeigen. Seit der Arabischen Revolte, die im Jahr 2011 begann und die zu einer Erstarkung islamistischer Bewegungen führte, fühlen sie sich allein gelassen. Zudem sucht der Papst in Kairo auch den Dialog mit dem Islam. So ist ein Gespräch im 1.000 Jahre alten Al Azhar-Zentrum vorgesehen, der wichtigsten Institution des sunnitischen Islam. Sein Gegenüber wird der Grossimam der Al-Azhar Universität sein, Ahmad Mohammed al-Tayyeb.

Noch bevor Papst Franziskus in Rom seine Maschine in Richtung Kairo bestiegen hatte, hagelte es Kritik. Sein Versuch, sich für eine Verbesserung der Beziehungen zum Islam einzusetzen, wird vor allem von den konservativen Kreisen im Vatikan gerügt. Nach den tödlichen Anschlägen auf Kopten sei es nicht angebracht, sich mit muslimischen Religionsführern zu treffen.

Der päpstliche Wunsch nach einem Dialog mit dem Islam wird von Skeptikern zudem als „naiv“ bezeichnet. Die Kirche sei mit dem Islam derzeit in einem „Religionskrieg“, warnen sie. Der italienische Historiker Roberto De Mattei hat den Papst laut Nachrichtenagenturen angesichts der jüngsten Attacken auf Christen sogar zum „Reality Check“ aufgefordert. Die Angreifer seien keine „Verrückten“ gewesen, sondern Anhänger einer religiösen Schule, die das Christentum seit dem siebten Jahrhundert bekämpfe, meint De Mattei, der die erz-konservative Zeitschrift „Christliche Wurzeln“ herausgibt. Der aus Ägypten stammende Priester Samir Khalil Samir bezeichnet Franziskus zwar als „wohlmeinend, aber gleichzeitig auch als naiv.“ Der Papst habe wiederholt den Islam als Religion des Friedens bezeichnet, "aber das ist einfach falsch," meinte Samir vor der Abreise des Papstes nach Kairo: Der Koran enthalte keine Botschaft des Friedens.

Bei seinen Gesprächen mit der Al Azhar-Spitze darf Franziskus zwar mehr Sympathien erwarten als seinem Vorgänger Benedikt zu teil wurden. Dieser hatte den Dialog mit dem Islam stets skeptisch beurteilt. Vor elf Jahren hatte Benedikt beispielsweise in Regensburg aus alten islamischen Schriften zitiert, die dazu aufforderten, den Islam durch das Schwert zu verbreiten.

Trotz des guten Willens, den Franziskus an den Tag legt, ist unklar, ob ein echter Dialog stattfinden kann. Sicher ist bloß: Al Azhar zeigt keine Anzeichen, vom strammen Kurs abzuweichen. Wohl hatte der ägyptische Präsident Abdel Fattah el-Sisi die höchste Schule der Sunniten vor mehr als zwei Jahren eindringlich aufgerufen hatte, den Islam zu reformieren. Aber seither ist nichts in dieser Richtung geschehen. „Wir brauchen eine religiöse Revolution“, hatte Sisi gesagt, „und Ihr, die Ihr Imame seid, seid vor Allah verantwortlich. Die ganze Welt wartet auf euren nächsten Schritt.“ Aber die Geistlichen, angeführt von Tayeb, ignorieren den Aufruf des Präsidenten weitgehend.


Islamische Hardliner haben das Sagen

Der Patriarch von Babylon, Louis Raphael Sako, zeigte in einem Interview mit „Le Figaro“, wie schwierig der Dialog sein wird. Erstens genüge es nicht, nur mit den Sunniten zu sprechen. Die Schiiten müssten ebenfalls ins Gespräch mit einbezogen werden. Angesichts der politischen Rivalitäten zwischen Saudi Arabien und dem Iran ist daran aber bis auf weiteres nicht zu denken. Er stelle zwar fest, dass es in der islamischen Welt eine realistische Tendenz gebe, die sich den Frieden herbei sehne und stabile Verhältnisse wolle. „Aber“, erklärt der Patriarch, „sie sind richtungslos.“" Der Islam brauche deshalb dringend eine Art Vatikan II. Zudem müssten Moslems ihre Überzeugung ablegen, wonach diejenigen, die nicht an den Islam glauben, als Ungläubige verfolgt und bestraft werden müssten.

Al Azhar bezeichnet sich zwar selber als moderat, lässt es aber zu, dass in Spitzenpositionen Hardliner den Ton angeben und sich weigern, Lehrinhalte anzupassen. Dazu gehören Jahrhunderte alte Texte, die oft von Radikalen zitiert werden. Al Azhar hat sich bisher nicht nur Reformen widersetzt, sondern auch versucht, seinen Kritikern das Maul zu verbieten. Im August erklärte der enttäuschte und frustrierte Kulturminister Helmi al-Namnan: „Seit dem Aufruf des Präsidenten, den (inner-islamischen, Red.) religiösen Dialog wieder aufzunehmen, hat sich nichts bewegt.“

Der Papstbesuch fällt in eine turbulente Epoche. Christen leben zwar seit rund 2.000 Jahren im Mittleren Osten, wo das Christentum entstand. Wegen Verfolgungen und Diskriminierungen machen sie heute nur noch drei bis vier Prozent der Bevölkerung aus - vor hundert Jahren hatte ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung 20 Prozent betragen. Eine Koexistenz mit den überwiegend muslimischen Nachbarn wird immer schwieriger.  

Ägypten gehörte zu den ersten Ländern der Erde, die christlich wurden. Im 7. Jahrhundert wurde es jedoch von den islamischen Arabern überrannt. Seither regiert in Ägypten der Islam. Fast 1.400 Jahre später wird die Gesamtzahl der Christen noch auf rund zehn Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt. Der größte Teil davon sind Kopten, die einer eigenständigen altorientalischen Kirche angehören.

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