Venezuela Die „Mutter aller Demos“

Regierungsanhänger und Oppositionelle werden heute in Venezuela auf die Straße gehen. Die einen zur Verteidigung des Sozialismus, die anderen für einen radikalen Politikwechsel. Von Dialog ist keine Rede mehr.

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Zum Jahrestag des Amtsantritts von Präsident Maduro protestieren sowohl Regierungsgegner als auch -befürworter. Quelle: Reuters

Caracas Mit Großdemonstrationen tragen Regierungsanhänger und Oppositionelle den Machtkampf in Venezuela auf die Straße. Am vierten Jahrestag des Amtsantritts von Präsident Nicolás Maduro wollen die Chavisten am Mittwoch mit einem „Großen Marsch für die Unabhängigkeit und den Frieden“ ihrem Staatschef den Rücken stärken. Regierungsgegner haben zeitgleich zur „Mutter aller Demonstrationen“ aufgerufen.

Sie fordern die Entlassung von sieben Richtern des Obersten Gerichtshofs. Die Verfassungskammer hatte dem von der Opposition dominierten Parlament zuletzt eine Reihe von Kompetenzen entzogen und die Immunität der Abgeordneten aufgehoben. Die Entscheidung wurde später zurückgenommen. Außerdem verlangen die Regierungsgegner die Freilassung inhaftierter Oppositioneller und vorgezogene Neuwahlen.

„Wir befinden uns in einem Widerstandskampf. Das ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, sagte der Vizepräsident der Nationalversammlung, Freddy Guevara. „Wir kämpfen schon lange, aber jetzt stehen wir alle zusammen. Die internationale Gemeinschaft ist auf unserer Seite und die Regierung ist gespalten.“

Eine Reihe lateinamerikanischer Länder forderte die venezolanische Regierung auf, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu schützen und die Demonstranten gewähren zu lassen. Venezuelas Außenministerin Delcy Rodríguez wies dies als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück.

Präsident Maduro kündigte an, alle 500.000 Mitglieder der Nationalen Miliz mit Gewehren auszurüsten. Die Truppe aus Reservisten war nach dem Putschversuch 2002 gegen den damaligen Staatschef Hugo Chávez aufgestellt worden. Oppositionsführer Henrique Capriles sagte, dass Land brauche nicht mehr Waffen, sondern Lebensmittel und Medikamente.

Zuletzt waren in dem südamerikanischen Land fast täglich Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen die Regierung zu protestieren. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten, Regierungsanhängern und der Polizei sind bislang mindestens sechs Menschen ums Leben gekommen, Hunderte wurden verletzt.

Zudem leidet Venezuela unter einer schweren Wirtschafts- und Versorgungskrise. Das Land mit den größten Ölreserven der Welt steht vor dem Bankrott und muss fast monatlich mehrere Milliarden Euro an Auslandskrediten bedienen. Deshalb können kaum noch Lebensmittel und Medikamente importiert werden.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet damit, dass die Wirtschaftsleistung von Venezuela im laufenden Jahr um 7,4 Prozent schrumpft. Die Inflationsrate könnte laut der Prognose bei 720 Prozent liegen. Für das kommende Jahr rechnet der IWF sogar mit einer Teuerungsrate von rund 2000 Prozent.

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