Venezuela Eine Ölmacht in der Hungerkrise

Das Drama Venezuelas steuert mit Plünderungen und leeren Regalen einer Eskalation entgegen. Nicolás Maduro könnte dennoch in wenigen Monaten legal wiedergewählt werden. Sein wichtigster Wahlhelfer: der Hunger.

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Ein Überblick über die Schlagzeilen der letzten Tage: „Terror in den Straßen - Tote bei Plünderungen“. „Venezolaner essen Hundenahrung“. „Fünf Venezolaner bei Flucht nach Curazao ertrunken“. „Das Drama der leeren Regale“. „Im Tunnel der Hyperinflation.“ „Militärintervention in Venezuela?“

Im ganzen Land - einst das reichste Südamerikas und mit den größten Ölreserven der Welt gesegnet - kommt es seit Jahresbeginn verstärkt zu Plünderungen, da die Lebensmittelversorgung immer prekärer wird. Das Militär muss Eingänge zu Supermärkten sichern, Tränengas wird eingesetzt. Fast täglich gibt es Tote bei Unruhen wegen der Hungerkrise. Viele erinnert die Lage an die Wirtschaftskrise vor dem „Caracazo“ 1989, als bis zu 3000 Menschen bei Aufständen starben.

Die Inflation galoppiert, die Preise für Lebensmittel explodieren - ebenso die Gewalt und Rechtlosigkeit. Im Internet kursiert ein Video, dass ein gutes Dutzend hungriger Männer zeigt, die auf die Weide einer privaten Ranch eindringen, eine Kuh jagen und sie mit Stöcken zu erschlagen versuchen. Der Hunger treibt die Anarchie sichtbar an.

Die wichtigsten Antworten zur drohenden Staatspleite in Venezuela

Private Supermärkte wurden wegen der weltweit höchsten Inflation, die nach Angaben der Wirtschaftskommission des entmachteten Parlaments 2017 bei über 2600 Prozent lag, zu Preissenkungen gezwungen. Sowieso wirft die sozialistische Regierung privaten Unternehmern vor, mit Sabotage die Krise zu verschärfen. Aber denen fehlen Getreide oder andere Stoffe aus dem Ausland, um noch richtig produzieren zu können.

In den vergangenen Tagen hast sich die Geldentwertung so beschleunigt, dass der Monatslohn maximal ein paar Euro wert ist. Obwohl Caracas einem Pulverfass gleicht und das Land wegen der Entwertung des Bolivar kaum noch notwendige Importe bezahlen kann: Ausgerechnet der Hunger könnte dem sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro helfen, die Wiederwahl zu sichern - und die Unterstützung des Militärs. Es gibt Hinweise, dass die für Ende 2018 geplante Wahl vorgezogen wird.

Um in den Genuss stark subventionierter Lebensmittelpakete zu kommen (mit Öl, Reis, Thunfisch, Milchpulver und Mehl), die es vielerorts irgendwie immer noch gibt, muss man ein „Carnet de la Patria“ beantragen - und erklären, die Regierung zu unterstützen.

Über dieses Carnet wurde bei den Regionalwahlen 2017 laut Berichten der Opposition zum Teil kontrolliert, ob man auch wirklich den Sozialisten die Stimme gibt. Der Schriftsteller und Maduro-Kritiker Leonardo Padrón nennt es eine „Erlösung vom Hunger gegen Stimmen“.

Zudem will Maduro mit einer Kryptowährung, dem „Petro“, das Land aus den Fängen der Inflation befreien. Er soll mit Ölreserven abgesichert werden und damit versucht werden, Einfuhren etwa von Lebensmitteln besser bezahlen zu können. Doch Experten halten das Vorhaben für wenig aussichtsreich - denn was wenn niemand den „Petro“ akzeptiert?. Aber er ist ein politischer Überlebenskünstler, ein Populist, der es wie einst die Castros in Kuba verstanden hat, den Kampf David gegen Goliath (USA) zu propagieren. Die Regierung von Donald Trump hat gegen Maduro und Dutzende Gefolgsleute Sanktionen verhängt, Konten in den USA eingefroren, zudem sehen sie Verbindungen zum Kokainhandel.

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