Venezuela Oberstes Gericht entmachtet Parlament

Ist das der berühmte Funken? Nach Monaten der Dauerkrise steuert die Ölmacht Venezuela mit der Entmachtung des Parlaments nach Meinung der Opposition in die Diktatur. Alle Macht liegt nun bei Präsident Maduro.

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Das Präsidium des venezolanischen Parlaments Quelle: dpa

Abgeordnete in Venezuela sprechen von einem Staatsstreich: Der oberste Gerichtshof des südamerikanischen Landes hat das von der Opposition dominierte Parlament entmachtet. Das Gericht entschied in einem Urteil, die parlamentarischen Kompetenzen zu übernehmen und Entscheidungen für nichtig zu erklären. Damit wird die Position des sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro im Land mit den größten Ölreserven der Welt deutlich gestärkt.

Begründet wurde das Urteil mit Missachtung der Verfassung und unzureichender Zusammenarbeit mit anderen Staatsgewalten. Mit Blick auf das Urteil meinte der Abgeordnete Miguel Pizarro: „Die Übersetzung ist - ohne Beschönigung - einfach: Diktatur.“ Auch andere Abgeordnete sprachen von einem „Staatsstreich“ gegen die Asamblea Nacional (Nationalversammlung).

Mit dem Urteil kann Maduro auf der Grundlage eines Ausnahmezustandes im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichts quasi „durchregieren“. Zuvor war von dem Gericht bereits die Immunität der Abgeordneten eingeschränkt und Maduro ermächtigt worden, die „demokratische Stabilität“ wiederherzustellen.

Zuvor hatte die Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) - darunter die USA, Mexiko, Brasilien und Argentinien - eine klare Warnung an Venezuela ausgesprochen, die Gewaltenteilung zu achten und politische Gefangene freizulassen. Das Parlament hatte die OAS aufgefordert, eine Verletzung demokratischer Rechte durch Maduro festzustellen, was den Konflikt angeheizt hatte.

In Venezuela verschlimmert sich nach Jahren der Misswirtschaft fast täglich die Versorgungskrise. Als Folge der derzeit höchsten Inflation der Welt können Menschen Lebensmittel und Medikamente kaum noch bezahlen.

Das Land ist stark von Importen abhängig, kann aber kaum noch die Produkte in Dollar oder Euro bezahlen. Hintergrund ist, dass die heimische Währung, der Bolívar, immer mehr entwertet wird und sich damit der Wechselkurs zum Dollar oder Euro immer weiter verschlechtert.

In den Krankenhäusern gibt es kaum noch die notwendige Medizin. Die Kindersterblichkeit ist stark gestiegen. Auch die Gewaltrate nimmt zu. Zehntausende Menschen sind bereits geflüchtet.

US-Präsident Donald Trump hatte sich Mitte Februar in Washington demonstrativ mit der Ehefrau des Oppositionsführers Leopoldo López, Lilian Tintori, getroffen. López verbüßt eine fast 14-Jährige Haftstrafe, die unmittelbatr nach dem Treffen von Trump mit Tintori vom obersten Gerichtshof noch einmal bestätigt wurde. Ihm wird eine angebliche Anstachelung zur Gewalt bei regierungskritischen Protesten vorgeworfen, die mehrere Monate andauerten und 43 Tote forderten.

Am 6. Dezember 2015 hatte das Oppositionsbündnis „Mesa de la Unidad Democrática“ (MUD/„Tisch der demokratischen Einheit“) die Parlamentswahl mit überwältigender Mehrheit gewonnen - im MUD sind sozialdemokratische, konservative, und liberale vereinigt.

Der Sieg schien das Ende des 1999 von Hugo Chávez ausgerufenen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ einzuleiten. Doch Maduro, Nachfolger des 2013 verstorbenen Chávez, schränkte - mit Hilfe von Urteilen der Justiz - die Parlamentsrechte nach und nach weiter ein.

Schon seit über einem Jahr regiert er mit Notstandsdekreten. Die Opposition will ihn mit einem Referendum des Amtes entheben lassen, was aber auch von Gerichten blockiert wird. Neben zunehmender Repression gegen politische Gegegner wurden zuletzt auch die Daumenschrauben für die Presse angezogen, zudem wurde mehreren ausländischen Journalisten die Einreise verweigert. Ferner wurde die Abschaltung des US-Fernsehsenders CNN in Venezuela verfügt.

Präsident Maduro hatte dem Sender vorgeworfen, gegen seine Regierung zu konspirieren. Der spanische CNN-Ableger hatte berichtet, Venezuela verkaufe an seinen Botschaften im Mittleren Osten, zum Beispiel in Bagdad, seit Jahren Pässe und Visa für mehrere Tausend US-Dollar, möglicherweise auch an Terrorverdächtige und Drogenhändler.

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