Verbraucherstimmung in Großbritannien Immer weiter runter

Das Brexit-Referendum verdirbt den Konsumenten die Laune gründlich – und lässt das britische Verbrauchervertrauen abstürzen. Denn die Unsicherheit der Briten über die Zukunft des Landes ist groß.

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Shopping in London: Die Konsumlaune der Briten ist im Keller. Quelle: Reuters

London Das Votum, aus der Europäischen Union auszutreten, verdirbt den britischen Konsumenten massiv die Laune. Das Verbrauchervertrauen ist so stark gefallen wie zuletzt 1990. Das geht aus einer Umfrage hervor, die das Marktforschungsunternehmen GfK in der Nacht zu Freitag veröffentlicht hat. Demnach ging der entsprechende Index auf minus zwölf zurück – nach einem Wert von minus eins im Vormonat.

Schon Anfang Juli hatte sich ein tiefer Fall des Index abgezeichnet, als die GfK nach einer Sonderumfrage einen Einbruch des Verbrauchervertrauens kurze Zeit nach dem Brexit-Referendum meldete. Vor inzwischen gut fünf Wochen haben 52 Prozent der Briten dafür gestimmt, der Staatengemeinschaft den Rücken zu kehren.

Bereits kurze Zeit später kam es zu einem Regierungswechsel: David Cameron trat als Premierminister zurück und Theresa May, bis dahin Innenministerin Großbritanniens, übernahm das höchste Regierungsamt. Sie wird voraussichtlich Anfang nächsten Jahres die offiziellen Austrittsgespräche mit der EU in Gang setzen.

Die Unsicherheit über die Zukunft Großbritannien habe die Sorgen britischer Konsumenten deutlich gesteigert, sagte Joe Staton von der GfK. „Die künftige Entwicklung des Verbrauchervertrauens hängt davon ab, ob wir in einer neue Phase von Unsicherheit eintreten, die der Wirtschaft Schaden zufügt“, so der Manager der Marktforschungsgesellschaft, „oder wir den Menschen wieder Vertrauen zurückgeben, indem wir eine positive Haltung einnehmen, wenn es darum geht, einen neuen Deal für Großbritannien zu verhandeln.“

Branchenexperten erwarten allerdings nicht, dass dies nicht so bald passiert. Das Verbrauchervertrauen dürfte weiter fallen, sagen Barclays-Analysten voraus. Die britischen Haushalte würden demnach in den nächsten Monaten vorsichtiger sein und sich beim Geldausgeben massiv zurückhalten.


Gemischtes Bild

Bereits vor dem Referendum hat eine Reihe von Experten und Institutionen, darunter die Bank of England, vor einer Rezession gewarnt, sollten die Briten mehrheitlich für einen Brexit stimmen. Ein paar Indikatoren haben zuletzt signalisiert, dass es in diese Richtung geht – darunter der Markit-Einkaufsmanagerindex, den der Finanzdienstleister vor einer Woche veröffentlicht hat und der auf Daten für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor basiert.

Die Wirtschaft könnte um 0,4 Prozent im laufenden Quartal schrumpfen, sagt Markit voraus. „Der Abschwung, der sich in der Stornierung von Aufträgen, einem Mangel an neuen Aufträgen und durch aufgeschobene oder komplett abgesagte Projekte offenbart, wird in der Regel dem Brexit-Votum zugeschrieben“, erklärte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson.

Investoren und Fachleute erwarten angesichts dieser Indizien, dass die Bank of England in ihrer geldpolitischen Sitzung kommende Woche die Zinsen senken und ihr Anleihekaufprogramm ausweiten wird, um die Wirtschaft zu stützen. Derzeit liegen die Leitzinsen bei 0,5 Prozent.

Die Signale, die zuletzt von Unternehmen auf der Insel bei der Veröffentlichung der jüngsten Quartalszahlen kamen, geben derzeit aber noch ein gemischtes Bild ab. So hat zwar die Lloyds Banking Group, eines der größten britischen Geldhäuser, ihr Sparprogramm verschärft, den Abbau von weiteren 3000 Jobs und die Schließung von Filialen angekündigt, um die Brexit-Folgen besser auffangen zu können. Doch andere Konzerne, darunter der Pharmariese Glaxo Smithkline und die Fastfoodkette McDonald's, haben Investitionen in Großbritannien in Aussicht gestellt und neue Arbeitsplätze.

Die jüngsten offiziellen Daten zur Wirtschaftslage auf der Insel, die vom Statistikamt stammen, zeigen, dass die Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Jahres um 0,6 Prozent zulegte. Doch diese Zahl gilt als wenig aussagekräftig, da sie nur eine Woche der Nach-Brexit-Ära abdeckt.

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