Vereinte Nationen Die Uno kann die größten Probleme der Welt nicht lösen

Weniger Flüchtlinge, weniger Armut, weniger Klimaschäden: Die Welt will bis 2030 das Elend besiegen. Solche Pläne gab es schon, sie scheiterten: die Millenniumsziele. Die traurige Bilanz einer mutigen Idee.

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Arbeiter in Bangladesch Quelle: Laif

Was mit heißer Luft beginnt, kann wohl nur mit heißer Luft enden. „Die nächste Deklaration, die nächste aus der keine Konsequenzen gezogen werden“, erinnert sich Jan Vandemoortele an die Stimmung in New York im Herbst 2000. Hinter dem damaligen Leiter des Welternährungsprogramms lag ein UN-Entwicklungsgipfel, am Ende stand eine Einigung auf ein Dutzend hehre Ziele – so wie bei allen vergleichbaren Gipfeln in den Jahren davor. „Kaum waren die Staatschefs abgereist, war von den Vereinbarungen nur noch das Papier übrig, auf das man sie geschrieben hatte“, sagt Vandemoortele. Doch in der Organisation rumorte es.

Immer mehr UN-Mitarbeiter stellten die eigene Arbeit infrage. Der Ruf litt. Und so fassten sich ein paar Mitarbeiter aus dem Stab des damaligen Generalsekretärs Kofi Annan ein Herz, an ihrer Spitze Vandemoortele. In wenigen Monaten entwickelten sie etwas, was die Entscheidungsträger in der Welt der warmen Worte bis dahin nicht gekannt hatten: konkrete Ziele, die „Millennium Development Goals“. Acht Aufgaben, zu erreichen innerhalb von 15 Jahren. Armut halbieren. Bildung für alle. Den Planeten retten. So was eben.

Die Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen für das Jahr 2015

Größen, an denen man sich messen kann. Gründe, warum heute an mancher Stelle nur noch ungern über die Ziele gesprochen wird.

Dabei wäre das sinnvoll. Denn dieses Jahr ist wieder Weltenrettungsjahr. Kanzlerin Angela Merkel hat den G7-Staaten schon eine „Dekarbonisierung“ bis 2100 aufgenötigt. In Paris will man demnächst das Weltklima retten. Und im September wird die UN neue „Sustainable Development Goals“ beschließen, einzulösen bis 2030. Völlig ungeachtet der Tatsache, dass die Welt schon an den bisherigen Zielen gescheitert ist. Denn wenn man sich Vandemoorteles acht Ziele anschaut, die die Welt bis 2015 erreichen wollte, dann offenbaren sich statt Erfolgen die Grundsatzprobleme der weltweiten Entwicklungspolitik. Mit all den Folgen, die wir heute täglich beobachten können: Klimawandel, Anstieg der internationalen Konflikte, rekordverdächtige Flüchtlingsströme. Folgen, die eigentlich berücksichtigt gehörten, wenn in diesen Wochen die neuen Entwicklungsziele der Weltgemeinschaft für die nächsten 15 Jahre beraten werden. Bisher aber schweigt die Politik darüber hinweg.

Wahnsinniger Aufwand, wenig Ergebnis

Etwa als die WirtschaftsWoche beim UN-Bevölkerungsfonds den amerikanischen Statistiker Howard Friedman für ein Interview anfragt: Friedman sei kein „benannter Sprecher“, ein Interview daher unmöglich. Dabei hätte Friedman etwas zu sagen. Vor knapp zwei Jahren ging er in einer Studie der Frage nach, ob die Millenniumsziele zu einer Beschleunigung der Entwicklung in diesen Bereichen geführt hätten. Die Ergebnisse waren so überraschend wie unangenehm für die UN. „Insgesamt ist es bei den Millenniumszielen nach dem Jahr 2000 zu keiner statistisch signifikanten Beschleunigung gekommen.“

Wahnsinniger Aufwand, wenig Ergebnis – woran liegt das? Zeit, mit jenen zu sprechen, die im Getriebe der Weltpolitik an einer besseren Erde arbeiten. Wenn man sie denn ließe.

An oberste Stelle platzierten die Erfinder das grundlegendste Zeichen gesellschaftlicher Entwicklung: Armut und Hunger. Wo Menschen sich jeden Abend sorgen, ob sie am nächsten Tag genug Essbares zum Überleben finden, braucht man mit dem Bau von Schnellzugstrecken oder Fabriken gar nicht anzufangen. „Es war zudem das Ziel, zu dem sich die Staatschefs am eindeutigsten bekannt hatten“, erinnert sich Vandemoortele. Der Anteil der Menschen, die von weniger als einem Dollar pro Tag leben, sollte im Vergleich zu 1990 weltweit um die Hälfte gesenkt werden, genau wie die Zahl hungernder Menschen.

Einzelne Erfolge überdecken Probleme

Auf den ersten Blick sieht die Bilanz ziemlich beeindruckend aus. So lebten laut Weltbank 1990 gut 36 Prozent der Weltbevölkerung von weniger als einem Dollar am Tag. 2010 waren es – zu entsprechend inflationierten Preisen – nur noch 18 Prozent. Auch der Hunger ist demnach massiv zurückgegangen. Statt 24 Prozent Anfang der Neunzigerjahre waren 2013 nur noch 14 Prozent unterernährt.

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