Vereinte Nationen Die Uno kann die größten Probleme der Welt nicht lösen

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Hauptprobleme internationaler Entwicklungshilfe

Länder, in denen es keine sauber geführten Sterberegister gibt, scheiden von vornherein aus. Das sind zwar nur gut 20, aber zugleich die Länder, wo auch die Probleme am größten sind. Doch selbst wo es glaubhafte Sterbetafeln gibt, fangen die Probleme dann erst an: Wie ordnet man einen Todesfall der Geburt zu? Dazu muss zum einen verzeichnet sein, ob überhaupt eine Geburt stattgefunden hat. Zum anderen muss klar sein, ob der Tod im Zusammenhang mit dieser Geburt stand. In den meisten Entwicklungsländern ist das unmöglich. Gemacht wird es dennoch. Pi mal Daumen als Grundlage von Politik.

Länder mit der höchsten Zahl der Asylbewerber (2014)

„Die Ergebnisse bei diesem Ziel sind ein statistisches Artefakt“, sagt Elizabeth Stuart vom Overseas Development Institute in London. Sie hat in den vergangenen Jahren die Messgrößen der Entwicklungspolitik überprüft. Fazit: „Das Hauptproblem der internationalen Entwicklungshilfe ist schlechte Datenqualität.“

Wir machen es zu einfach

Noch ein Ziel, das inhaltlich über jede Kritik erhaben ist: Aids, Malaria und andere Krankheiten bekämpfen. Ein großes Ziel, das aber vor allem für kleine Ambitionen der Politik steht. Erreicht werden soll es, genau, durch eine hohe Quote an Moskitonetz-Besitzern in den entsprechenden Ländern. „Natürlich sind Moskitonetze ein wichtiger Schutz gegen viele Krankheiten“, sagt der Entwicklungsökonom Jann Lay vom Hamburger GIGA-Institut, „aber sie verraten wenig über den Zustand der Gesundheitsversorgung in einem Land.“

Der Beitrag dieser Netze zur weltweiten Gesundheit eher unbedeutend: 40 Prozent der weltweiten Malariaopfer kommen aus dem Kongo oder Nigeria. Wenn die nigerianische Regierung also die Versorgung mit Moskitonetzen verbessert, ist das eine sinnvolle Maßnahme – für die Weltgesundheit spielt es eine nebensächliche Rolle. „Die ehrlichste und unbestechliche Größe zur Beurteilung der Gesundheitsversorgung ist die Kindersterblichkeit“, sagt Ökonom Lay.

Vorwärts immer, rückwärts nimmer? Nein.

In der Entwicklungsprosa seit jeher eine beliebte Größe zur Messung der Hilfsbedürftigkeit von Menschen: die Entfernung zum nächsten Brunnen. Ist sie kurz, geht es den Menschen gut. So der fromme Wunsch.

Länder mit hoher Arbeitslosigkeit und Inflation
Platz 21: FinnlandEs gibt keinen Grund, in Finnland zu leben. So zumindest sieht es der Kult-Regisseur Aki Kaurismäki ("Le Havre"). Die Inflation ist mit 0,3 Prozent zwar niedrig, aber 11,5 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos. Finnland ist stark exportabhängig, mehr als ein Drittel des BIP werden durch Exporte bestritten. Die schwächelnde Konjunktur in Europa setzte der finnischen Wirtschaft in den vergangenen Jahren zu.Quellen: Businessinsider.com, Reuters, dpa, AP Quelle: AP
Platz 20: ChileGleichauf mit Finnland liegt Chile in Sachen Inflation und Arbeitslosigkeit. Auch hier wird die Wirtschaft stark vom Export bestimmt; er macht rund 33 Prozent des BIP aus. Die Wirtschaft wuchs zuletzt so langsam wie seit vier Jahren nicht mehr. Quelle: dpa
Platz 19: BrasilienDie Arbeitslosigkeit liegt bei nur 4,9 Prozent, aber die Inflation beträgt derzeit 6,5 Prozent. Brasilien ist im zweiten Quartal 2014 trotz der Fußball-WM in eine Rezession gefallen. Das BIP der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas lag um 0,6 Prozent unter dem Vorquartal, wie das nationale Statistikamt IBGE mitteilte. Im ersten Quartal war ein Rückgang von 0,2 Prozent verzeichnet worden. Zwei Minusquartale in Folge gelten gemeinhin als Rezession. Brasilien war zuletzt während der internationalen Finanzkrise 2008 in eine Rezession gerutscht. Quelle: dpa
Platz 18: PolenEine Skulptur in Form eines Papierboots treibt an Warschau vorbei. In Polen sind 11,5 Prozent der Bevölkerung ohne Job. Die Inflation liegt derzeit bei 0,3 Prozent. Das Land leidet vor allem unter einem komplizierten Steuersystem und einer maroden Infrastruktur, sowohl bei Straßen als auch bei Schienen. Es wird erwartet, dass Polens Wirtschaft weiter schwächelt, da das Land von Import-Verboten Russlands betroffen ist. Polen ist Europas größter Apfelproduzent mit rund 2,5 Millionen Tonnen im Jahr und sucht nun dringend nach Lösungen, um dramatische Einkommensverluste für die Anbauer zu vermeiden. Quelle: dpa
Platz 17: IrlandDie Inflation ist mit 0,3 Prozent niedrig, 11,5 Prozent der Iren sind arbeitslos. Irland hatte 2010 das größte Defizit mit 32,4 Prozent vom BIP. Inzwischen konnte das Land das Euro-Rettungsprogramm verlassen und seine Neuverschuldung dank überraschend hoher Steuereinnahmen in diesem Jahr stärker drücken als erwartet. Das Defizit werde bei rund vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen, sagte Finanzminister Michael Noonan am 3. September in Dublin. 2015 will Irland das EU-Defizitziel von drei Prozent wieder einhalten. Quelle: dpa
Platz 16: PhilippinenDie Preise auf den Philippinen steigen stark: Die Inflation lag zuletzt bei 4,9 Prozent. Zugleich sind 7 Prozent der Philippinos arbeitslos. Das Land kämpft, auch aufgrund wiederkehrender Naturkatastrophen, mit Infrastrukturproblemen. Die Weltbank hat ihre Wachstumsprognose für die Philippinen erst im August gesenkt. Für 2014 rechnet das Institut nun noch mit einem Wachstum von 6,4 Prozent, für 2015 von 6,7 Prozent. Die Weltbank machte für die Senkung die schleppende Wirtschaft im ersten Quartal 2014 nach den Zerstörungen durch den Taifun „Haiyan“ verantwortlich. Zudem seien im zweiten Quartal die Staatsausgaben verlangsamt und die Geldpolitik in den ersten sieben Monaten verschärft worden. Allerdings bleibe das Land weiter eines der am schnellsten wachsenden Länder Ostasiens, hieß es. Quelle: dpa
Platz 15: Russland4,9 Prozent der Bevölkerung haben keinen Job, die Inflation liegt bei 7,5 Prozent. Im Sog der Ukraine-Krise schrumpfte die russische Wirtschaft 2014 stärker. Das BIP verringerte sich im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,2 Prozent. Damit fiel das Minus doppelt so groß aus wie im Juni. Der Westen hat Sanktionen gegen Russland verhängt. Er wirft der Regierung in Moskau vor, sich nicht wie zugesagt um eine Entspannung der Lage im Osten der Ukraine zu bemühen. Dort kämpfen prorussische Separatisten gegen die ukrainische Armee. Im Zuge der Krise hat die russische Währung Rubel massiv an Wert verloren und sich die Kapitalflucht aus dem Land verstärkt. Quelle: dpa

„Die meisten Infektionskrankheiten gehen von verschmutztem Wasser aus“, erklärt Entwicklungsökonom Klasen das Kalkül hinter dem siebten Millenniumsziel. Bis 2015 solle die Anzahl der Menschen, die keinen Zugang zu einer gesicherten Wasserversorgung haben, halbiert werden.

1990 waren 24 Prozent der Weltbevölkerung unversorgt, 2012 nur noch 11 Prozent. Aber die Sache hat einen Haken. „Die UN misst, ob es im Umkreis von 500 Metern eine abgedeckte Wasserquelle gibt“, sagt Klasen, „nicht aber die Wasserqualität.“ Im Jemen etwa wurden viele Häuser direkt an das Wassernetz angeschlossen. Zugleich nahmen aber die Fälle typischer Infektionskrankheiten zu. „Wenn die Wasserversorgung nur unzuverlässig verfügbar ist, bilden sich Keime in den Leitungen“, erklärt Klasen, „dann ist eine saubere Quelle in einiger Entfernung eigentlich die bessere Variante.“ Perverse Anreize nennen Ökonomen so etwas.

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