Das Stakkato der Präsidialverfügungen lässt keinen Zweifel: Trump macht Ernst mit seiner Philosophie des politischen Isolationismus und wirtschaftlichen Protektionismus. Treiber der US-präsidialen Aktionen ist die Befürchtung eines Bedeutungsverlusts der USA angesichts eines erstarkenden Chinas und weiterer Schwellenländer sowie der - trotz Brexit - weiter expandierenden EU.
Trump betrachtet die bereits seit Jahrzehnten globalisierte Wirtschaft unverändert als Nullsummenspiel, in dem die USA gefordert sind, auf Kosten anderer das Maximum herauszuschlagen. Das Programm des Isolationismus und Protektionismus hat als Wahlkampfköder funktioniert. Aber ist es gut für Amerika?
Zur Person
Harald Edele, CFA, ist Direktor Kapitalmarkt und Regulierung der CFA Society Germany.
Protektionismus im Zeitalter der Globalisierung
In der Zeit vor der Globalisierung hätte solch eine Politik vielleicht funktioniert. Im Zeitalter fortschreitend integrierter Märkte führt sie dagegen potenziell eher zum Gegenteil dessen, was sie anstrebt. Die jüngere Vergangenheit hat dies gezeigt. So hat Ronald Reagan bereits Anfang der 1980er Jahre mit seiner Kontingentierung japanischer PKW-Exporte mehrere Tausend US-Arbeitsplätze vernichtet, weil die US-Autobauer die künstliche Angebotslücke mit Preis- statt mit Mengenerhöhungen füllten. Ebenso wurde die US-Computerindustrie bereits Ende der 1980er Jahre mit einem Importstopp für leistungsstarke japanische Computerchips ins technische Abseits bugsiert. Und heute?
Die Märkte sind noch wesentlich weiter globalisiert. Warum sollten Importbeschränkungen und -zölle besser funktionieren? Das angestoßene Kräftemessen von Donald Trump leugnet internationale wechselseitige Vorteile entlang der Wertschöpfungskette. Wenn Nationen nicht diejenigen Güter produzieren, die sie am besten oder am kostengünstigsten herstellen können, bleiben Potenziale zur Steigerung des Lebensstandards auf allen Seiten ungenutzt. Somit schadet ein solcher Ansatz auch den USA.
Kurzfristige Erfolge – langfristige Schäden?
Mit steuerpolitischen Brechstangen wie etwa dem Senken der Körperschaftssteuer von 35 auf 15 Prozent und des Einkommens-Spitzensteuersatzes von 40 auf 33 Prozent könnte die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts USA durchaus kurzfristig erhöht werden. Gegebenenfalls holt Donald Trump damit auch fahnenflüchtige US-Firmen zurück ins Land. Viele moderne Produkte würden dadurch allerdings deutlich teurer, wie sich etwa anhand einer voraussichtlichen Verdoppelung der iPhone-Preise veranschaulichen lässt. Die dämpfenden Effekte sind also vermutlich größer als die beabsichtigte wirtschaftliche Belebung.
Zündstoff für Marktanomalien
„America first“ birgt zudem die Gefahr, dass aktuelle Verzerrungen an den Finanzmärkten dadurch weiter befeuert werden. Zehn Jahre nach Beginn der letzten globalen Banken- und Finanzkrise hat der US-Präsident angekündigt, die Regulierung im US-Bankensektor zu lockern. Dies dürfte die internationalen Verhandlungen über Vorgaben für Finanzinstitute erheblich beeinträchtigen. Eine Aufweichung der angestoßenen Maßnahmen zur Eindämmung von Fehlkonstrukten könnte die „Büchse der Pandora“ wieder öffnen.
Über die Kolumne
In Zeiten negativer Zinsen und quantitativer Lockerung steht so manche vormals gültige Faustregel des Finanzmarkts auf dem Kopf. In dieser Reihe bringen Experten der CFA Society Germany etwas Ordnung in unsere heutige Verkehrte (Finanz)welt. Die CFA ist der mitgliedsstärkste Berufsverband für die Investmentbranche in Deutschland. Gemeinsam mit dem globalen Mutterverband CFA Institute, engagiert sich die CFA Society Germany seit Jahren für professionelle und ethische Standards in der Investmentbranche.
Noch schwieriger absehbar sind die Folgen von Trumps Überlegungen, wie man künftig mit den Schulden der USA umgehen könnte. Bekanntlich plant der US-Präsident ein Konjunkturprogramm für die Binnenwirtschaft mit Schwerpunkt Infrastruktur, welches 5,3 Billionen US-Dollar an neuen Staatsschulden im nächsten Jahrzehnt erfordert. Gegenüber CNBC ließ Trump nun verlauten, dass bei einer Talfahrt der US-Konjunktur etwaige Zinsen oder Nennbeträge von US-Schulden gegebenenfalls nicht voll zurückgezahlt werden.
Zahlungsmoral nach Kassenlage im Bewusstsein militärischer Stärke - eine Haltung, die internationale (finanz-)politische Manieren über Bord wirft. Was wohl China als einer der größten US-Gläubiger dazu sagen wird?
Es bleibt zu befürchten, dass die US-Wirtschaftspolitik unter Donald Trump den vielfach beobachteten Widersprüchen und Paradoxen an den Finanzmärkten weiter Vorschub leisten könnte.