Fast 10.000 Kilometer liegen zwischen Charleston und Aleppo, ein gewaltiger Bogen auf dem Globus. Wer einen Strich ziehen möchte unter die zwei Amtszeiten des Barack Obama, begibt sich auf eine Reise der Extreme. Hier die Stadt in South Carolina, wo der Präsident in einer Kirche ergreifend das „Amazing Grace“ singt für neun ermordete Schwarze. Dort die tödlich zerschossene Stadt in Syrien. Nur zwei Punkte eines Weges voller Widersprüche.
Wenn Obama nun aus dem Amt scheidet, hinterlässt er einen außenpolitischen Scherbenhaufen und ein gespaltenes Land, zerrissener als zuvor, in dem Millionen Menschen Donald Trump folgen wollen, dem Nicht-Politiker. Und doch hat er so viel erreicht.
Der erste schwarze Präsident der Geschichte. Das wirkt heute so normal, aber es war unvorstellbar.
Als er sein Amt antritt, jung und unverbraucht und ohne ein einziges graues Haar, ist er ein einziges Versprechen, dass alles anders werden möge als unter George W. Bush. „Yes, we can.“ Manches ist ihm gelungen, vieles nicht. Das liegt an ihm, aber auch an einem politischen System, das kaputt ist.
Obama definierte Amerikas Macht neu, brach mit alten Denkmustern, schickte den Weltpolizisten in Rente. Ein Mann des Wortes, ein begnadeter Redner - aber dass der Nahe Osten zerfällt, daran hat er seinen Anteil. Obama machte ein Schritt zurück, andere sollten führen, aber sie taten das nicht.
Das Vakuum, das die USA in Nahost hinterlassen, füllen Moskau, Teheran und andere. Niemand weiß so recht, was die Alternative gewesen wäre - US-Bodentruppen? Einigkeit gibt es nur darin, dass es so, wie es ist, überhaupt nicht gut ist. Dass Obama oft zauderte, rote Linien zog und folgenlos überschreiten ließ, das gilt als eine seiner größten Niederlagen.
Mit dem Iran handelte er einen historischen Atomdeal aus, betrieb entschlossen und gelassen die Öffnung nach Kuba. Die Terrormiliz Islamischer Staat unterschätzte er lange. In Libyen versäumte er eine Anschlusslösung nach dem Ende Muammar al-Ghaddafis. Die Beziehung zu Saudi-Arabien ist in klammer Schwebe, zu Israel angespannt. Das Verhältnis zu Russland ist am Boden, gegen die kaltblütige Gerissenheit eines Wladimir Putin wusste er oft nichts auszurichten.
Obama, Absolvent der Harvard-Law-School, glaubt an Verhandlungen und Rechtsordnungen. Er ist kein grundsätzlicher Pazifist, hat aber die Maßstäbe für eine Beteiligung der USA an „anderer Leute Kriege“ extrem heraufgesetzt. Zwei Kriege fand er 2008 vor, beide versprach er zu beenden. Der Abzug aus Afghanistan aber stockt, der Irak ist ein taumelndes Land.
Mit dem frühen Friedensnobelpreis wurde er eher beschwert als befördert, später wurde er zum Drohnenkrieger. Den rechtsfreien Raum Guantánamo zu schließen gelang ihm nicht, aber er leerte es leise auf wenige Dutzend Gefangene. Er ließ Osama bin Laden töten, den Staatsfeind Nummer eins. Spät entschied er sich für die Verlegung von Truppen an Russlands Grenze, desillusioniert vom Leerlauf seiner Vorstellungen einer friedlichen Welt.
Die Hinwendung zu Asien war ihm wichtig, wird aber oft als reines Etikett kritisiert. Von vielen Europäern entzweite ihn der NSA-Skandal und ein fundamental anderes Verständnis von Staatlichkeit und dem Umgang mit Daten.