Veruschka Becquart im Interview „Zeigen, dass das Leben weitergeht“

Veruschka Becquart ist Vorstandsmitglied der französischen Tourismusagentur „Atout France“. Im Interview spricht sie über die Auswirkungen der Terrorangst auf den französischen Tourismus und mögliche Gegenmaßnahmen.

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Im ersten Halbjahr 2016 ging die Zahl ausländischer Besucher im Großraum Paris um zehn Prozent zurück. Quelle: dpa

Paris Frau Becquart, Frankreichs Tourismus leidet darunter, dass Besucher aus Angst vor Terroranschlägen ausbleiben. Wie stark ist dieser Effekt?
Becquart: Wir sind noch vorsichtig mit der Quantifizierung. Klar ist, dass im ersten Halbjahr 2016 die Zahl ausländischer Besucher im Großraum Paris um zehn Prozent rückläufig war. In anderen Gegenden aber gab es einen Anstieg um zwei Prozent.

Die Region Paris und Umgebung steht für fast ein Drittel des Tourismus, der Effekt ist also spürbar.
Ja, doch zugleich sehen wir, dass unsere unmittelbaren Nachbarn – Deutsche. Belgier, Niederländer – weiter nach Frankreich kommen, auch wenn sie vielleicht in andere Regionen ausweichen. Es gibt einen Rückgang, doch wie viel das an Mindereinnahmen ausmacht, sehen wir erst am Ende der Saison.

Welche Nationalitäten reagieren besonders stark?
Bei den Japanern stellen wir auch mittelfristig einen Rückgang fest, bei den Amerikanern erst seit 2016. Die Amerikaner sind eine Kundschaft, die besonders viel ausgibt, wenn die abnimmt, ist das finanziell also besonders stark zu spüren. Wir hoffen allerdings, dass es nur einen vorübergehenden Einbruch gibt. Amerikaner reagieren sehr schnell: Nach dem Anschlag vom 14. Juli in Nizza haben viele von ihnen sofort storniert. In der Vergangenheit war es allerdings so, dass auf einen raschen Einbruch auch eine schnelle Erholung folgte. Wichtig ist, dass Paris und die anderen Zentren als Zielort ja nach wie vor eine völlig ungebrochene Attraktivität haben.

Ist der Rückgang des französischen Tourismus vergleichbar mit dem, den etwa die Türkei und Tunesien erleben?
Ich denke nicht, die Reaktion dort war viel heftiger. Die Frankreich-Touristen sind gut informiert, sie wissen, dass man weiter in unser Land kommen kann, ohne in Gefahr zu geraten. Leider gab es ja auch in anderen europäischen Ländern Terroranschläge.

Haben die Städte wie Paris zu spät reagiert?
Das denke ich nicht. Paris und seine Region haben sich sofort um eine Reaktion bemüht, in 16 Ländern, die als Kunden besonders wichtig sind, wurden die Werbebotschaften angepasst.

Was macht man in so einem Fall?
Vor allem zeigen, dass das Leben weitergeht, ohne Angst. Wir zeigen, dass die Besucher weiterhin kommen, aus ganz unterschiedlichen Ländern. Es gab ja auch eine große Solidaritätswelle, und die Tourismus-Verantwortlichen haben beispielsweise Möglichkeiten dafür geschaffen, die eigenen Emotionen zu teilen. Auch in Nizza, über den Hashtag #cotedazurnow. Man muss keine Angst haben, und das Paradoxe ist, dass gerade die Franzosen, die ja von den Anschlägen am stärksten betroffen waren, in diesem Jahr mehr als sonst ihre Ferien in Frankreich verbringen, statt ins Ausland zu reisen.

Sie hatten schon bislang das Problem, dass Frankeich nach der Besucherzahl die Nummer Eins ist beim Tourismus, aber bei den Einnahmen nur an vierter Stelle rangiert. Was können Sie da tun?
Die Vielfalt des französischen Angebots noch besser herausstellen. Die Schweiz oder Österreich haben die Alpen, aber wir haben die Alpen, das Mittelmeer, den Atlantik, das Inland, alle möglichen unterschiedlichen Landschaften. Die wollen wir den potenziellen Besuchern besser nahebringen. Dafür gibt es spezielle Aktionen, sowohl für einzelne Regionen wie Korsika, Lyon, Bordeaux oder Biarritz, als auch für Themen wie Weintourismus, Gastronomie, Öko-Tourismus, Gesundheit, z.B. Thalasso-Therapie.

Manchmal hört man, in Frankreich seien die Preise höher als die Service-Qualität.
Wir wissen, dass man von uns viel erwartet, und wir bemühen uns darum, dass Besucher noch besser aufgenommen werden.

Frau Becquart, vielen Dank für das Interview.

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