Virginia Der Aufstand der Ewiggestrigen

In Charlottesville ist eine Kundgebung von Rechtsextremisten eskaliert, es gab Tote und Verletzte. US-Präsident Donald Trump reagierte spät und tat sich schwer, klare Worte gegen die Rassisten zu finden. Das stärkt sie.

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In den USA werden sie auch „Suprematisten“ genannt, weil sie die Überlegenheit der weißen Rasse propagieren. Quelle: Reuters

New York Robert Lee war ein Held. Der Südstaaten-General aus Virginia schaffte es im Amerikanischen Bürgerkrieg mehrfach, mit deutlich unterlegenen Kräften die Truppen der feindlichen Nordstaaten zu besiegen. Am Ende hat es nichts genützt. Die Südstaaten haben den Krieg, der bis 1865 dauerte, verloren und damit auch die Sklaverei als Grundlage ihrer Landwirtschaft.

Für manche Südstaatler ist Lee bis heute ein Held. Deswegen war die geplante Entfernung einer Statue des Konföderationsgenerals Auslöser für Straßenschlachten im Städtchen Charlottesville im Bundesstaat Virginia, wo eine Kundgebung von Rechtsextremisten eskalierte. Drei Tote und mehr als 30 Verletzte sind die Bilanz. Virginia rief den Notstand aus, die Bundespolizei ermittelt parallel zu den lokalen Behörden.

Kommentatoren in verschiedenen Fernsehsendungen äußerten scharfe Kritik an der Reaktion des US-Präsidenten Donald Trump. Prominente Demokraten, Bürgerrechtler und auch einige Republikaner warfen Trump vor, die Rechtsextremen der „White Supremacy“-Bewegung nicht explizit verurteilt zu haben.

Während der Kundgebung war ein Auto, dessen Fahrer später festgenommen wurde, vermutlich absichtlich in eine Menschenmenge gerast. Allein dabei gab es zahlreiche Verletzte, eine 19-jährige Frau wurde getötet. Die beiden anderen Todesfälle ereigneten sich beim Absturz eines Überwachungshubschraubers. Die Maschine verfing sich in einem Baum und ging in Flammen auf, zwei Polizisten starben.

Die Gewalt kam mit den ewiggestrigen Anhängern von Lee in die Stadt. Sie trugen zum Teil die Flagge der Südstaaten, einige gaben sich mit Hakenkreuzfahnen auch offen als Neonazis zu erkennen. Unter diesen Rassisten, in den USA auch „Suprematisten“ genannt, weil sie die Überlegenheit der weißen Rasse propagieren, befanden sich auch Anhänger der Alt-Right-Bewegung sowie frühere Vertreter des gefürchteten Ku-Klux-Klans. Während der Kundgebung gerieten sie in gewalttätige Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten. Die Polizei versuchte, beide Parteien zu trennen, ohne Erfolg. Zum Teil gab es auch Kritik, sie sei nicht entschieden genug gegen die Rassisten vorgegangen.

Donald Trump reagierte spät. „Wir verurteilen diesen ungeheuerlichen Ausbruch von Hass, Fanatismus und Gewalt auf vielen Seiten aufs Schärfste“, sagte er in einer Pressekonferenz. Trumps Reaktion löste eine Welle der Empörung aus, auch unter republikanischen Politikern, die eine klare Distanzierung von dem Rassismus vermissten. Senator Cory Gardner aus Colorado forderte, „das Übel beim Namen zu nennen“.

Senator Rubio aus Florida, der im Vorwahlkampf für die US-Präsidentschaft gegen Trump verloren hatte, twitterte: „Es wäre sehr wichtig zu hören, dass der Präsident die Ereignisse in Charlottesville als das beschreibt, was sie sind – ein Terrorangriff weißer Suprematisten.“ Der frühere Ku-Klux-Klan-Führer David Duke dagegen erinnerte Trump daran, „dass es weiße Amerikaner waren, die dir die Präsidentschaft verschafft haben“. Sie seien entschlossen, sich ihr Land zurückzuholen. „Wir werden die Versprechen Trumps erfüllen, darum haben wir ihn gewählt“, bekräftigte Duke. Trumps ebenfalls umstrittener Justizminister Jeff Sessions äußerte sich deutlicher und wandte sich gegen „Rassenfanatismus“.

Die Auseinandersetzung über die Geschichte der Südstaaten findet zurzeit in vielen Orten statt. Nach Kriegsende dauerte es rund 100 Jahre, bis Schwarze zumindest auf dem Papier überall gleiche Bürgerrechte bekamen. Bis heute ist das Land von Rassenproblemen geprägt, das Thema spaltet eine ganze Nation.

Genau das wusste Trump im Wahlkampf gekonnt für sich zu nutzen. Die Alt-Right-Bewegung war eine der Stützen, die ihm zum Wahlsieg verhalfen. Schon im vergangenen Jahr hatte er scharfe Kritik auf sich gezogen, weil er sich nicht deutlich genug von Rassisten distanziert hatte.

Stattdessen holte er rechtsnationale Vertreter ins Weiße Haus, allen voran seinen Chefideologen Steve Bannon sowie die Top-Berater Stephen Miller und Sebastian Gorka. Letztere fanden in jüngster Zeit immer prominentere Rollen als Trump-Sprecher. Keiner äußerte sich am Samstag.

Trump hat von der politischen, materiellen und ethnischen Spaltung des Landes profitiert. Seine politische Botschaft lautete, Amerika wieder „groß“ zu machen und die Herrschaft den angeblichen politischen Eliten aus der Hand zu nehmen und der Bevölkerung zurückzugeben. Auch wirtschaftspolitisch versprach er, den alten Zustand wieder herzustellen, bei dem viele Amerikaner, auch ohne einen höheren Bildungsabschluss, gut bezahlte Jobs bekommen sollen, vor allem in der Industrie. Damit hat Trump im Wahlkampf die Ängste der Ewiggestrigen bedient. Seine Wahl war von rechtsextremen und rassistischen Gruppen gefeiert worden, sie gehören bis heute zu seiner treuesten politischen Basis.

Daher auch die Scheu des Präsidenten, sich von den Rechtsradikalen deutlich zu distanzieren. Der „Daily Stormer“, eine Webseite amerikanischer Neonazis, die die Demonstration mit propagiert hatte, jubelte: „Wir befinden uns jetzt im Krieg. Und wir werden keinen Rückzieher machen.“ Und: „Er hat uns nicht attackiert. Gott segne ihn.“ „Wirklich, wirklich gut. Gott segne ihn.“ Das Gros der Amerikaner dürfte das anders sehen.

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