Vorwahl in Frankreich Sozialisten versuchen es auf die sanfte Tour

Mit einer ersten TV-Debatte ist der Kampf um die Präsidentschaftskandidatur in die heiße Phase eingetreten. Die sieben Kandidaten gaben sich ungewohnt zurückhaltend. Der gemeinsame Feind kommt von rechts.

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Das Ziel ist klar: Trotz aller in Wahrheit unversöhnlichen Gegensätze versuchen die Bewerber nun, die Wähler der Linken hinter sich zu scharen. Quelle: AFP

Paris Nach der Rechten bestimmt nun auch Frankreichs Linke in einer Vorwahl - am 22. und 29. Januar - ihren Kandidaten zur Präsidentschaftswahl, die am 23. April und 7. Mai stattfindet. Vier Bewerber gehören der Sozialistischen Partei (PS) an, drei anderen Formationen. Wählen kann jeder, der sich zu den Werten der Linken bekennt, wahlberechtigt ist und je Wahlgang einen Euro bezahlt. Chancen darauf, Präsident zu werden, hat nach jetzigem Stand keiner der gemäßigten: Sie kommen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl nur auf Rang fünf.

Die Präsidentschaft François Hollandes hat unter den harten Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Strömungen der PS gelitten, die bis hin zum Versuch des Misstrauensvotums gegen den eigenen Premier gingen. Davon wollte man bei der ersten TV-Debatte am Donnerstagabend aber nichts mehr wissen. „Ich habe hier keine Gegner, meine Gegner sind die extreme Rechte und die harten Konservativen“, beschönigte Manuel Valls, bis vor sechs Wochen noch Premierminister und als solcher in beinharte Kämpfe mit einigen der Kandidaten verwickelt. Arnaud Montebourg, früherer Wirtschaftsminister, der im August 2014 von Hollande und Valls aus der Regierung gekegelt wurde, sah es ähnlich: „Unser Feind ist der Defätismus“. Der Feind steht schließlich vor allem rechts: „Es gibt hier einige auf der rechten Seite, die Hass in unserem Land schüren“, erklärte Vincent Peillon. Er kritierte, dass sich der konservative Francois Fillon wahlweise von Putin oder Baschar al-Assad loben lasse. „Das ist eine Schande für unser Land“, so Peillon. Der 56-jährige Sozialist, Vorgänger von Hamon als Bildungsminister, zählt nicht zu den Favoriten. Aber während der Debatte zeigte er sich so eloquent und überzeugend im Auftreten, dass er vielleicht noch Boden gut machen kann.

Das Ziel ist klar: Trotz aller in Wahrheit unversöhnlichen Gegensätze versuchen die Bewerber nun, die Wähler der Linken hinter sich zu scharen. Streit im eigenen Lager kann der Wahlbeteiligung nur schaden. Sie haben versprochen, den Sieger der Primärwahl einvernehmlich zu unterstützen. Deshalb verzichteten sie bei der zweieinhalbstündigen Debatte auf offensichtliche Spitzen gegen die Gegner innerhalb des eigenen Lagers. Aber kaum einer macht sich Illusionen über den Ausgang der Wahl. Für sie geht es vor allem um die Frage, wer die Sozialisten in den nächsten Jahren führen wird.

Frankreichs Linke tickt völlig anders als die deutsche, das wurde in der Debatte rasch klar: In der Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik gibt es große Gegensätze. Vor allem Montebourg und Ex-Bildungsminister Benoît Hamon vertreten Positionen, die in Deutschland teilweise sogar der Linkspartei zu radikal wären. So will Hamon ein bedingungsloses Grundeinkommen und dafür die Steuern um mehrere hundert Milliarden Euro erhöhen. Doch in der Gesellschaftspolitik sind sie konservativer als die SPD: Kein Wort fiel in den zweieinhalb Stunden zu Flüchtlingen, Europa wurde allenfalls am Rande erwähnt. Montebourg beispielsweise will einfach wieder flächendeckende Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der EU einführen.

Alle sieben Kandidaten stellten sich hinter einen harten Anti-Terror-Kampf, der bis zu gezielten Tötungen auch der eigenen Staatsbürger gehen soll, wenn sie der Terrormiliz Islamischer Staat dienen. Echte Chancen, die Kandidatur zu erringen, haben aktuellen Umfragen zufolge nur drei der vier Sozialisten: Arnaud Montebourg, 54, bis zu seinem Rauswurf aus der Regierung Wirtschaftsminister, der gleichaltrige Manuel Valls, bis Dezember Premierminister und der fünf Jahre jüngere Benoît Hamon. In einer Blitzumfrage nach der Debatte schnitt Montebourg vor Valls und Hamon am besten ab. Montebourg und Hamon fahren auf einem „linken“ Ticket, Valls auf einem „rechten“. Die beiden Ex-Minister haben im Vorfeld versucht, den jeweils anderen von einer Kandidatur abzuhalten, um die Chancen der PS-Linken zu verbessern, statt sich gegenseitig zu kannibalisieren. Doch ihre großen Egos wie auch inhaltliche Gegensätze stehen dem entgegen.

Noch zwei Mal werden die sieben Kandidaten im Fernsehen diskutieren. Nach dem ersten Wahlgang gibt es dann eine Debatte vor der Stichwahl am 29. Januar zwischen den beiden bestplatzierten Bewerbern.


Der ewige Kampf gegen den Terror

Das Feld der Kandidaten wird durch drei Nicht-Sozialisten komplettiert. Sylvia Pinel, 39, Abgeordnete der Radikalen Partei der Linken, die anders als ihr Name erwarten lässt, eine sozialliberale Formation ist, die eng mit der Sozialistischen Partei kooperiert. Jean-Luc Bennahmias, 62, früherer Europaabgeordneter, der bei den Grünen und der Zentrumspartei MoDem war, bevor er vor zwei Jahren seine eigene Partei „Demokratische Front“ gründete. Und François de Rugy, 43, ein grüner Abgeordneter.

Montebourg vertritt die starke antieuropäische Strömung in der französischen Politik, die sich bei Linken wie Rechten findet und die EU als einen „Holzwurm im stolzen Gebälk der französischen Demokratie“ verachtet. Geltende EU-Regeln scheren ihn nicht: Frankreich müsse „mit der EU in Konfrontation gehen“. Mehr zu Europa hörte man von Montebourg nicht.

Währenddessen wiederholt Valls mit markigem Gesichtsausdruck seine Lieblingsformel: „Wir sind im Krieg gegen den Terror.“ Es blieb Peillon überlassen, kritisch anzumerken, die Kriegs-Formel helfe nicht viel weiter, wenn man wisse, dass ein großer Teil der Dschihadisten Kinder des eigenen Landes seien. Auch die eher sozialliberale Pinel verlangte, sich nicht nur auf den Krieg zu konzentrieren, sondern bessere Wege zur Vorbeugung gegen Radikalisierung zu suchen.

Die beiden Linksaußen Montebourg und Hamon dagegen hatten keine Einwände gegen die Kriegsrhetorik. Hamon setzte sogar noch eins drauf: Frankreich sei nach dem Brexit das einzige EU-Land mit eigener Atomstreitmacht. Die solle künftig die EU mitfinanzieren. Und jeder EU-Staat solle künftig drei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. Deutschland liegt heute bei 1,2 Prozent, Frankreich bei 1,8.

Mehr staatliche Ausgaben sind für Montebourg und Hamon kein Problem. Kritisiert wurden sie dafür nur von de Rugy und Peillon. „Wenn der Staat sein Scheckbuch zückt, weiß der Bürger, dass er bald höhere Steuern zahlen muss“, warnte der Grüne. Und Peillon fügte hinzu: „Mir wird Angst und bange, wenn ich euch höre, so schlagen wir die Rechte nicht!“

Da kann man ihm nicht widersprechen.

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