Wahl im Iran Alles dreht sich um das Atomabkommen

Mit Ruhani und dem Atomabkommen hat sich der Iran dem Westen vorsichtig geöffnet. Die Präsidentenwahl am Freitag wird nun zeigen, ob es bei diesem Weg bleibt oder der Klerus das Land wieder abschotten kann.

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Am Freitag entscheidet sich, ob der iranische Präsident Hassan Ruhani im Amt bleibt. Quelle: dpa

Auch nach zwei Jahren dreht sich bei der Präsidentenwahl im Iran wieder alles um den Atomdeal mit den Weltmächten. Dabei geht es für die Wähler nicht um das Wiener Abkommen von 2015 selbst, sondern um die von Präsident Hassan Ruhani betriebene vorsichtige Öffnung des Landes zum Westen.

„Die Wahl ist daher auch eine Art Referendum für oder gegen diese Öffnung“, sagt ein Politologe in Teheran. Eine Niederlage des 68-jährigen Ruhani gegen den erzkonservativen Spitzenkandidaten Ebrahim Raeissi (56) könnte diesen Öffnungskurs - und auch den Atomdeal selbst - blockieren. „Es geht hier nicht um Ruhani selbst, aber nur er kann es schaffen, das zu verhindern“, sagt der Filmemacher Mohsen Amir-Jussefi.

Der erzkonservative Klerus und sein Spitzenkandidat - auch die „Besorgten“ genannt - kritisieren den Atomdeal. Der habe - trotz der Aufhebung der Sanktionen - dem Land wirtschaftlich nichts gebracht. Schlimmer für die „Besorgten“ ist aber die Nähe zum Westen nach dem Deal sowie die Abweichung von islamischen Werten.

Das politische Umfeld im Iran - eine schwierige Gemengelage

„Die Besorgten wollen das Abkommen sabotieren“, warnt Ruhani. Der Deal habe die politischen und wirtschaftlichen Türen zum Westen geöffnet. Seine politischen Gegner wollen die wieder schließen. Daher müssen die mehr als 56 Millionen Wähler am 19. Mai nach den Worten von Ruhani entscheiden, welchen Weg sie für sich und ihre Kinder gehen wollen: Öffnung oder erneute Abschottung.

Einer der vehementesten Kritiker des Atomabkommens, Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad, ist aber gar nicht mehr im Rennen. Der umstrittene Hardliner und Holocaust-Leugner wurde von dem Wahlbeobachtergremium überraschend ausgeschlossen. Angeblich wollte selbst der Klerus seinetwegen keine weiteren Spannungen mit dem Westen riskieren. „Damit ist Ahmadinedschads Platz ab jetzt nur noch im Museum“, sagt der Kleriker Fasel Mejbodi.

Die Reihen der Kandidaten haben sich in den vergangenen Tagen gelichtet - einigen der zunächst sechs Bewerber wurden eh kaum realistische Chancen eingeräumt. Nun bahnt sich ein spannender Zweikampf zwischen Ruhani und dem erzkonservativen Kleriker Raeissi an. Als Kandidat des Establishments genießt Raeissi, der ehemalige Generalstaatsanwalt Teherans, die volle Unterstützung des Klerus und hat daher durchaus Chancen auf einen Machtwechsel.

Fragen und Antworten zum politischen System im Iran

Allerdings hat Raeissi keine politische Erfahrung und ist nach Ansicht von Vize-Präsident Eshagh Dschahangiri ein „Polit-Praktikant“. Sein Chef Ruhani warnt außerdem vor der stockkonservativen Politik Raeissis. „Um Frauen und Männer voneinander zu trennen, planen die (Erzkonservativen) sogar, Mauern auf den Straßen zu bauen“, behauptet der Präsident.

Nach Ansicht von Raeissi hat Ruhani mit dem Atomdeal besonders seine wirtschaftlichen Ziele verfehlt. „Der Deal ist wie ein Scheck, den Ruhani aber nicht einlösen kann“, sagt der 56-Jährige. In der Tat blieb die von Ruhani nach dem Deal versprochene wirtschaftliche Wende im Iran aus. Hauptgrund ist die Weigerung europäischer Banken, die neuen Geschäfte mit dem Westen zu finanzieren, da immer noch einige US-Sanktionen gegen den Iran in Kraft sind.

Das Bankenproblem ist für Raeissi ein Druckmittel gegen Ruhani. Seine Alternative ist die sogenannte „Widerstandsökonomie“, eine vom Westen weitgehend unabhängige Wirtschaftspolitik. Nicht machbar, sagen Wirtschaftsexperten. Die marode Infrastruktur sei nur mit westlicher Technologie zu modernisieren. „Die Herrschaften können ja selbst keine Flugzeuge oder Schiffe bauen“, meint ein Experte mit Blick auf die Kleriker.

Dennoch bleibt das Bankenproblem für Ruhani ein Dilemma. Nach den Worten seines Ölministers Bidschan Namdar Sanganeh wäre der Iran ja bereit, seine Milliarden aus dem Ölexport in Geschäfte mit dem Westen zu stecken. Nur spielen die Banken da nicht mit. „Mehr als seine Gegner könnten die europäischen Banken Ruhani die Wiederwahl verderben“, sagt der Politologe in Teheran.

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