Wahl in Japan Abe siegt und verbirgt seine Schwäche

Japans Ministerpräsident Shinzo Abe vollbringt ein weiteres Kunststück und erringt in vorgezogenen Neuwahlen des Unterhauses mal wieder eine haushohe Mehrheit. Doch sein Sieg ist kein Garant für politische Ruhe.

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Wahlwerbung für Shinzo Abe auf Hokkaido Quelle: REUTERS

Anleger in den japanischen Aktienmarkt dürften zufrieden mit den japanischen Wählern sein, wenigstens der Hälfte, die gewählt hat. Denn am Sonntag bedachten sie Japans Ministerpräsident Shinzo Abe in vorgezogenen Neuwahlen wieder einmal mit einer haushohen Mehrheit und einem persönlichen Triumph.

Der Fernsehsender NHK berichtete in der Nacht zum Montag (Ortszeit), dass die Regierungskoalition ihre Zweidrittelmehrheit behauptet hat. Die Liberaldemokratische Partei von Ministerpräsident Shinzo Abe und Juniorpartner Komeito hätten zusammen 312 der 465 Unterhaussitze gewonnen. Für eine Zweidrittelmehrheit waren mindestens 310 Mandate nötig gewesen. Das offizielle Endergebnis der Parlamentswahl dürfte nicht vor Montag feststehen.

Abe hat damit ein politisches Kunststück fertig gebracht: Obwohl seine Popularität seit zwei Skandalen um Gefälligkeiten für politische Freunde drastisch gefallen ist, holte er seinen fünften Wahlsieg in Folge.

Für die Börsianer ist dies kurzfristig eine Belohnung ihres Vertrauens in ihren Liebling. Nachdem der Regierungschef in Umfragen anfänglich schwächelte, hatten sie zuletzt dank immer positiverer Werte voll auf seinen Sieg gesetzt. Der Nikkei-225-Index stieg auf die höchsten Werte seit Mitte der 1990er-Jahre.

Nun ist die Sorge endgültig vorbei, dass mit starken Verlusten oder gar einer Niederlage Abes Aus und damit das Aus der Abenomics drohen würden, Abes aktionärsfreundliche Wirtschaftspolitik aus Konjunkturprogrammen, einer Geldschwemme der Notenbank und Strukturreformen. Die Party an der Börse kann daher weitergehen.

Auch innerparteilich hat er mit dem Sieg die wachsende Schar seiner Kritiker vorerst geschwächt und seine größte Rivalin gedemütigt. Denn er wehrte mit seinem Wahlsieg auch eine erneute Attacke seiner einstigen Parteigenossin und neuen Rivalin, der Tokioter Gouverneurin Yuriko Koike, ab.

In der Hoffnung , Abes LDP national ebenso zu besiegen wie zuvor im Juli in den Tokioter Regionalwahlen, hatte Koike kurz nach der Auflösung des Unterhauses Ende September die Partei der Hoffnung gegründet. Ihre Attacke führte sogar zur Spaltung der 1996 gegründeten Demokraten, die bis zu ihrer Entzauberung im Amt in den Jahren 2009 bis 2012 der Lichtblick für Japans Reformer war.

Der konservative Flügel, der in der Parlamentsfraktion das Sagen hatte, floh vom vermeintlich sinkenden Schiff zu Koikes Partei und brachte Geld und regionale Organisationen mit. Nur trat Koike dann nicht als Spitzenkandidatin an, sondern blieb Tokioter Gouverneurin – womit sie selbst die Hoffnung auf einen Achtungserfolg verspielte.

Die Hoffnungspartei wurde deklassiert, kann mit gerade einmal etwa 50 Sitzen rechnen. Mehr noch: Die von den Rest-Demokraten gegründete klar linksliberale „konstitutionelle demokratische Partei“ könnte – getragen von der Basis der de facto aufgelösten Demokraten und vielen bisher unentschlossenen Wählern – aus dem Stand zweitstärkste Kraft geworden sein.

Selbst wenn Koikes Partei letztlich knapp die Nase vorn haben sollte, sind die neuen Linken damit neben Abe der zweite Sieger der Wahl. Sie haben nun die Chance, eine neue linksliberale Alternative aufzubauen, die die Japaner für wählbar halten.

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