Wahl in Österreich Der Sieg steht Kurz ins Gesicht geschrieben

Der konservative ÖVP-Chef ist nach Meinungsumfragen der Sieger bei den Wahlen in Österreich. Koalition mit den Rechtspopulisten gilt als wahrscheinlich. Was sich die Mehrheit der Wähler von einer neuen Regierung wünscht.

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ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz spricht am Wahlsonntag im Rahmen der Nationalratswahl mit Journalisten. Quelle: dpa

Wien Auf dem Weg zur Stimmabgabe am Sonntag durch seinen Wiener Heimatstadtteil Meidling, unweit von Schloss Schönbrunn, hat Sebastian Kurz zahlreiche Hände zu schütteln. Die Siegesgewissheit stand dem konservativen Kanzlerkandidat und ÖVP-Chef am Sonntagmittag beim Kaiserwetter ins Gesicht geschrieben.

Begleitet von seiner Freundin Susanne, einer jungen Beamtin im Finanzministerium, gab der 31-Jährige knapp fünf Stunden vor Schließung der Wahllokale seine Stimme in seiner ehemaligen Schule ab. „Ich hoffe natürlich auf ein gutes Ergebnis, damit eine echte Veränderung in Österreich möglich ist“, sagte Kurz. Alle österreichischen Meinungsforschungsinstitute sind sich vor dem Urnengang einig, dass die konservative Volkspartei mit dem bisherigen Außenminister die vorgezogenen Parlamentswahlen in Österreich für sich entscheiden wird.

Der bisherige Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern ist nach einem Skandal um gefälschte Facebook-Seiten geschwächt. Der frühere Bahn-Manager versuchte allerdings bis zur letzten Minute bei seinen Anhängern Zuversicht zu verbreiten. „Wir werden das gewinnen, ihr werdet das sehen!“, machte er sich und seinen Anhängern im Zelt vor der SPÖ-Parteizentrale gegenüber dem Burgtheater Mut.

Er warnte vor der Wiederauflage eines rechts-rechtspopulistischen Bündnis aus ÖVP und FPÖ. Den Film „Die Mumie kehrt zurück 2“ werde er verhindern, sagte der 51-Jährige bei seiner Abschlusskundgebung, der vor 15 Monaten den Chefsessel im Bundeskanzler übernahm. 2000 wurde unter Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) ein Bündnis mit der FPÖ gebildet – begleitet von internationalen Protesten.

Mit großer Spannung wird daher das Abschneiden der rechtspopulistischen FPÖ erwartet. Die frühere Haider-Partei hatte sich unter ihrem Chef Heinz-Christian Strache staatstragend im Wahlkampf gegeben. In Wien wird der Partei der Platz zwei noch vor den Sozialdemokraten zugetraut. Der gelernte Zahntechniker Strache, in seiner Jugend ein aktiver Neonazi, träumt sogar von Platz eins. „Vielleicht gelingt es uns sogar, gemeinsam die Überraschung zu schaffen?“, sagte der langjährige FPÖ-Chef bei der Abschlusskundgebung seiner Partei im Wiener Migrantenviertel Favoriten.

Ein Bündnis aus ÖVP und FPÖ gilt in Wien als das wahrscheinlichste Bündnis für die nächste Legislaturperiode. Die bisherige rot-schwarze Koalition scheiterte vor Monaten. Die ÖVP erzwang Neuwahlen.

Im Mai übernahm Kurz die Partei und inszenierte die konservative Volkspartei wie eine Oppositionsbewegung. Im Wahlkampf machte er aus der ÖVP die „Liste Kurz“ mit eigenem Logo und türkiser Parteifarbe. Mit diesem Schritt gelang es dem früheren Jura-Studenten neue Zielgruppe zu gewinnen. Auf dem Höhepunkt seines Wahlkampfes feierten ihn über 10.000 Anhänger seiner Bewegung frenetisch in der Wiener Stadthalle.

Aus den Wahlen von 2013 ging noch die SPÖ mit 26,82 Prozent als stärkste politische Kraft hervor. Die ÖVP kam auf 23,99 Prozent und die FPÖ auf 20,51 Prozent. Den Sprung in den Nationalrat schafften leicht auch die Grünen mit 12,42 Prozent. Das rechtspopulistische Team Stronach, das diesmal nicht mehr antrat, gelang damals mit 5,73 Prozent ebenfalls der Sprung ins Parlament wie den vom Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner unterstützte liberale Partei Neos mit 4,96 Prozent. In Österreich gilt die Vier-Prozent-Hürde.

Die Mehrheit der Österreicher wünscht sich eine Regierung, welche die fünfjährige Legislaturperiode durchhält und rasche Reformen anpackt. Das geht aus einer Untersuchung des Linzer Market-Instituts im Auftrag der österreichischen Zeitung „Standard“ hervor. Seit Jahren beklagen die Unternehmen in der Alpenrepublik den Reformstau. Sie fordern nachhaltige Veränderungen in der Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, um Österreich wieder in die Spitzengruppe der europäischen Volkswirtschaften zu bringen.

Insgesamt sind an diesem Sonntag 6,4 Millionen Österreicher zur Wahl aufgerufen. Die Wahllokale schließen bereits um 17 Uhr. Kurz danach wird es die ersten Hochrechnungen geben. Das vorläufige amtliche Endergebnis wird gegen 20 Uhr erwartet. Allerdings werden erst am Montag die Stimmen der Briefwahl ausgezählt. Das österreichische Parlament besitzt 183 Mandate. 92 Abgeordnete bilden daher die Mehrheit.

Die neue Regierung übernimmt ein Österreich, das dank einiger Reformen der rot-schwarzen Koalition aus der Wirtschaftsflaute heraus gekommen ist. Für dieses Jahr prognostizieren die Ökonomen des Instituts Wifo und des Instituts für Höhere Studien einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 2,8 beziehungsweise 2,6 Prozent. Im kommenden Jahr soll das Wachstum bei 2,1 Prozent bis 2,8 Prozent liegen. Die stärkste Wachstumsphase seit mehreren Jahren macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Die Wirtschaftsforscher erwarten einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit auf rund 8,5 Prozent.

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