Wahlbetrug auf dem Balkan Wenn Tote wählen

Unsichtbare Tinte, Ausweis-Vermietung und falsche Zahlen zu Wahlberechtigten: Auf dem Balkan grassieren findige Methoden zum Wahlbetrug. Was die beliebtesten Fälschungstricks sind.

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Auf dem Balkan geht es bei Wahlen oft nicht mit rechten Dingen zu. Dagegen wird aber nur wenig unternommen. Quelle: dpa

Belgrad Parlamentswahlen und deren Fälschung sind ein immer aktuelles Thema in Südosteuropa. Manchmal ganz ungeniert offen, manchmal versteckt vor den Augen der Öffentlichkeit. Das bosnische Portal Buka hatte einst sieben Methoden festgemacht. Aber es gibt noch viel mehr.

Es beginnt bei der Zahl der Wahlberechtigten. In Serbien waren es zuletzt 6,6 Millionen Wähler bei 7,1 Millionen Einwohnern, in Mazedonien 1,8 von 2,1 Millionen Bewohnern. Kaum zu glauben, dass es so wenig Menschen in diesen Ländern geben soll, die jünger als 18 Jahre sind.

Das EU-Mitglied Kroatien, wo am 11. September die nächste Wahl ansteht, hat manchmal mehr Wähler als Einwohner. Das wird damit begründet, dass auch die Landsleute im benachbarten Bosnien-Herzegowina wählen dürfen. Sie entscheiden nicht selten die Abstimmung, weil die in den diplomatischen Vertretungen Kroatiens in Bosnien ohne jede unabhängige Kontrolle stattfindet.

Der beliebteste Trick: Gegen Bezahlung überlassen die Wähler ihren Personalausweis Parteifunktionären, die dann an ihrer Stelle abstimmen. Gängig auch: Die Angestellten im überdimensionierten Staatssektor müssen per Handyfoto in der Wahlkabine nachweisen, dass sie wenigstens noch zwei-drei Stimmen für die Regierung gebracht haben.

Auch die Stimmabgabe für Tote, Manipulationen mit alten Menschen oder die Vernichtung von Stimmzetteln der politischen Gegner noch vor der Auszählung sind an der Tagesordnung. Oder ein nicht genehmer Stimmzettel wird durch einen weißen und damit ungültigen Stimmzettel ersetzt. In letzter Zeit erfreut sich auch „unsichtbare Tinte“ aus China wachsender Beliebtheit. Vermutete Oppositionswähler werden so ihres Wahlrechts beraubt – ihr Zettel ist am Ende weiß und damit ungültig.


Fehlerhafte Wählerverzeichnisse geduldet

Warum dieser Fälschungstrick „Bulgarischer Zug“ heißt, ist nicht so ganz klar: Ein Wähler bringt gegen Geld seinen unausgefüllten Stimmzettel mit aus dem Wahllokal. Der wird dann mit dem gewünschten Kreuz versehen. Ein neuer Wähler wirft den manipulierten Zettel in die Urne und bringt seinen eigenen leeren heraus.

In Mazedonien, das voraussichtlich am 11. Dezember ein neues Parlament wählt, behauptet die Opposition, möglicherweise seien bis zu einer halben Million der 1,8 Millionen Namen im Wahlverzeichnis inkorrekt. In Kroatien sind im letzten Monat 11.000 nicht existierende Anmeldungen des Wohnorts aufgeflogen. Er rechne wenigstens mit 50.000 solcher falschen Wähler, zitiert der TV-Sender N1 Innenminister Vlaho Orepic.

Der gehört der neuen Reformpartei Most an und behauptet, die beiden großen politischen Blöcke – Sozialdemokraten (SDP) und Konservative (HDZ) – hätten in der Vergangenheit überhaupt keine Anstalten zur Bereinigung der alten und überholten Wählerverzeichnisse gemacht. Denn damit konnten sie nach Lust und Laune Wahlen in die richtige Richtung drehen.

Mit diesem Instrumentarium lassen sich trefflich die gewünschten Wahlergebnisse erzielen: Bei dem Verfassungsreferendum in Serbien hatten 2006 bis drei Stunden vor Wahlschluss nicht einmal 42 Prozent ihre Stimme abgegeben. Im Handumdrehen wurden dann aber doch noch die notwendigen Mehrheiten gesichert. Ein paar Monate zuvor wurde in Montenegro unter schweren Manipulationsvorwürfen der Opposition eine Punktlandung von 55,5 Ja-Stimmen für die Unabhängigkeit des Landes erreicht – genau dieses Ergebnis hatte Brüssel gewollt.

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