Wahlen Down Under Australien im Kapitalismusmodus

Dürren, Überschwemmungen, Korallenbleiche: Australien spürt die Auswirkungen des Klimawandels massiv. Am 2. Juli wird gewählt, aber das Klima ist kaum Wahlkampfthema. Warum?

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s Great Barrier Reef, das größte Korallenriff der Welt, erlebt eine beispiellose Korallenbleiche. Meeresforscher warnen vor weiteren verheerenden Folgen des Klimawandels. Nun wird am 2. Juli eine neue Regierung gewählt. Der Ausstoß von Treibhausgasen, Kohleförderung, erneuerbare Energien - ein heißes Wahlkampfthema? Mitnichten. Quelle: AFP

Sydney Lauter hätten die Alarmglocken in den vergangenen Woche kaum schrillen können: Das Great Barrier Reef, das größte Korallenriff der Welt, erlebt eine beispiellose Korallenbleiche. Meeresforscher warnen vor weiteren verheerenden Folgen des Klimawandels. Nun wird am 2. Juli eine neue Regierung gewählt. Der Ausstoß von Treibhausgasen, Kohleförderung, erneuerbare Energien - ein heißes Wahlkampfthema? Mitnichten.

Der Regierungschef der Liberalen Partei, Malcolm Turnbull (61), verspricht ganz nach seinem Kapitalismus- und Freihandelscredo Wachstum und Arbeitsplätze. Sein Gegner von der Labor Partei, der ehemalige Gewerkschaftschef Bill Shorten (49), bleibt auch bei seinen Leisten: Er verspricht mehr Geld für Bildung, Gesundheit und Sozialsysteme.

„Die Parteien ignorieren den kohlefarbenen Elefanten im Raum“, meint das leserfinanzierte Nachrichtenportal New Matilda sarkastisch. Autor Costa A stellt eine Karikatur dazu: Ein fetter Mann im T-Shirt „Kohle“ mit Zigarre im Mund schwingt die Spitzenkandidaten wie Marionetten in der Luft. Die Kohlelobby ist nämlich mächtig.

Australien ist der viertgrößte Kohleproduzent – hinter China, den USA und Indien – und nach Indonesien der größte Exporteur. Kohle ist mit Erlösen von 38 Milliarden australischen Dollar (gut 25 Milliarden Euro) - hinter Eisenerz - das zweitwichtigste Exportgut.

Die schmutzige Kehrseite des Geschäfts: Australien stößt pro Kopf der Bevölkerung so viel klimaschädliches Kohlendioxid aus wie kein zweites großes Industrie- oder Schwellenland, und fast doppelt so viel wie Deutschland. Den von Labor eingeführten Emissionshandel zur Reduzierung des klimaschädlichen CO2s hat die konservative Regierung 2013 wieder abgeschafft, um die Industrie zu schonen.

Schließlich sagt der Bergbauverband MCA, die Industrie beschäftige 55.000 Menschen direkt und 145.000 indirekt. Im Wahlkampf einen Plan zum Ausstieg aus der Kohle vorzulegen wäre politischer Selbstmord.


Die Kohle-Branche soll massiv ausgebaut werden

Im Gegenteil: Die Branche soll massiv ausgebaut werden. 20 neue Kohlegruben sind „in der Pipeline“. Turnbull verkauft das als Akt der Wohltätigkeit, um Armen in Indien zu helfen: „Energiearmut behindert Entwicklung“, sagt er. „Man braucht Energie, um Hunger zu stillen und Wohlstand zu mehren. Kohle wird dabei eine große Rolle spielen.“

Einen Knaller für Labor brachte der Abgeordnete Peter Hayes mit seinem Tweet: „Kohlebergbau und Export zu verteidigen ist in derselben Liga wie (eine Lanze zu brechen für) Klatschmohn-Anbau für Heroin!“ Sein Chef Shorten bemüht sich, die Kuh vom Eis zu holen: „Die Kohleindustrie bleibt, wenn Labor gewählt wird“, beteuert er. Wenn es dann aber darum geht, ob er die neuen Bergwerke unterstützt, laviert er: Ob etwas gebaut werde oder Sinn habe, seien kommerzielle Überlegungen, da habe die Bundesregierung nichts mit zu tun.

Obwohl das Land mit Sonne und Wind gesegnet sind, ist der Anteil erneuerbarerer Energien gering. 2013/2014 betrug der Kohle an der Stromversorgung gut 61 Prozent, der Anteil erneuerbarer Energien 14,9 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland waren es 2014 bei Kohle 45,3 Prozent, bei erneuerbaren Energien 24,1 Prozent.

Die Regierung will den Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 etwa auf heutiges deutsches Niveau heben. Labor strebt bis 2050 50 Prozent an. Die Emissionen von Treibhausgasen will die Regierung bis 2020 um 28 Prozent unter das Niveau von 2005 senken. Labor spricht von minus 45 Prozent bis 2030.

Alles unzureichend, sagen die Klimaforscher. Das Große Barriereriff sei durch Umweltverschmutzung schon angegriffen und der Klimawandel mit höheren Wassertemperaturen und häufigeren Stürmen könnte ihm den Rest geben. „Wenn Australien die CO2-Emissionen nicht reduziert, wird vom Great Barrier Reef irgendwann nicht mehr viel übrig sein“, sagt der Meeresforscher Terry Hughes von der James-Cook-Universität.

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