Wahlen in der Slowakei Ficos fremdenfeindlicher Kurs zahlt sich nicht aus

Der sozialdemokratische Premier Fico hat die absolute Mehrheit im slowakischen Parlament verloren. Angesichts des Rechtsrucks wird die Regierungsbildung schwierig. Im Juli übernimmt das Land die EU-Ratspräsidentschaft.

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Im vergangenen Jahr hat der Premier die Slowakei die Slowakei zu der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft in der EU gemacht. Quelle: dpa

Wien Die absolute Mehrheit für den slowakischen Premier Robert Fico ist weg. Sein populistischer Wahlkampf gegen Flüchtlinge hat sich für den 51-Jährigen am Ende nicht ausgezahlt. Seine sozialdemokratische Partei Smer-SD holte bei den Parlamentswahlen nur 28,3 Prozent. Das ist deutlich weniger als Demoskopen in Bratislava prognostiziert hatten. Vor vier Jahren hatte Smer-SD noch 44,4 Prozent der Stimmen erreicht.

Dennoch bleiben die Sozialdemokraten die stärkste politische Kraft in dem EU-Land. Fico steht damit vor einer dritten Amtszeit. Die Regierungsbildung wird allerdings schwierig. „Es wird nicht leicht, das sage ich ganz deutlich“, gab der Ministerpräsident offen zu. Er kündigte an, mit allen im Parlament vertretenen Parteien Gespräche führen zu wollen.

Der Premier, einst Mitglied der Kommunistischen Partei, muss sich Koalitionspartner aus dem bürgerlichen oder rechten Lager suchen. Eine Option ist die Koalition mit der rechtspopulistischen Partei SNS, die auf 8,6 Prozent kam und nach einer Pause nun wieder dem Parlament angehört. Mit dieser Partei hatte Fico bereits zwischen 2006 und 2010 ein Regierungsbündnis gebildet.

Die zweitstärkste politische Kraft wurde die liberale und unternehmerfreundliche Partei SaS („Freiheit und Solidarität“), die auf 12,1 Prozent kam. Sas-Parteichef Richard Sulik sagte, dass er bereit sei, eine „rechte Reformregierung“ bilden zu wollen. Auf Platz drei folgt die konservative Partei Olano – Nova („Einfache Leute“) mit elf Prozent, die sich noch nicht zu einer mögliche Koalition mit Fico äußern wollte.

Fico hat in einem Land, in dem es so gut wie keine Flüchtlinge gibt, mit seinem fremden- und islamfeindlichen Kurs viele Stimmen gesammelt. Der Jurist schürte bewusst Angst vor Muslime. Mit Ficos Slogan „Wir schützen die Slowakei“ pflasterte seine sozialdemokratische Partei das Land zu. Experten geben dennoch Entwarnung. „Fico ist nicht Orban, er ist nicht Kaczynski. Er ist Pro-Europäer“, sagte der slowakische Politologe Samuel Abraham, Rektor der Bratislava International School of Liberal Arts, dem Handelsblatt in Anspielung auf die beiden rechtspopulistischen Politiker in Ungarn und Polen

Analysten gehen nicht vor einer veränderten Wirtschafts- und Steuerpolitik nach dem Wahlsieg Ficos in dem Euroland aus, selbst wenn es zu einem Bündnis mit den Rechtspopulisten kommen sollte. „Das Wirtschaftsministerium wird in den Händen seiner Partei bleiben. Wir rechnen nicht mit einer Kursänderung in der Wirtschaftspolitik“, sagt Markus Halt, Vize-Geschäftsführer der Deutsch-Slowakischen Industrie- und Handelskammer in Bratislava.

Deutschland zählt zu den größten Investoren des osteuropäischen EU-Landes. Volkswagen ist mit über 10.000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber in der Slowakei. „Fico ist wirtschaftlich viel pragmatischer als sein ungarischer Amtskollege Orban“, bestätigt auch Gunter Deuber, Osteuropa-Chefvolkswirt der Raiffeisen Bank International. Als Beispiel nennt er die geplante Senkung der Bankensteuer in der kommenden Legislaturperiode.


Verhältnis zu Deutschland angekratzt

Im vergangenen Jahr schaffte es Fico, die Slowakei mit einem Plus von vier Prozent beim Bruttoinlandsprodukt zu der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft in der EU zu machen. In diesem Jahr gehen Volkswirte wie Deuber von einem Wachstum von immerhin 3,5 Prozent aus.

Das ansonsten ausgezeichnete Verhältnis zwischen Deutschland und der Slowakei hatte in der Flüchtlingskrise einen Knacks bekommen. Der alte und neue Premier Fico lehnt wie seine Nachbarländer Polen, Tschechien und Ungarn eine Quote zur Verteilung von Migranten ab. An dieser grundsätzlichen Position wird sich auch nach seiner Wiederwahl als Premier wenig ändern. „Die slowakische Gesellschaft ist mit Fremdenfeindlichkeit diagnostiziert“, resümiert der bekannte Politologe Grigorij Meseznikov, Gründer des Institute for Public Affairs in Bratislava, gegenüber dem Handelsblatt. Fico habe mit Vorurteilen diesen Zustand provoziert. Das hat sich auch bei den Parlamentswahlen gezeigt.

Auf Anhieb schaffte die rechtsextremistische Partei LS-Nase Slovensko („Unsere Slowakei“) mit acht Prozent den Einzug ins Parlament in Bratislava (Preßburg). In der Slowakei gilt die Fünf-Prozent-Hürde. Die fremdenfeindliche Partei LS-Nase Slovensko, die von Marian Kotleba, einst Chef einer verbotenen Neonazi-Partei, bekämpft nicht nur Minderheiten wie die Roma, sondern auch den Euro. Die Slowakei hatte im Gegensatz zu den Nachbarn Ungarn und Tschechien die europäische Gemeinschaftswährung vor Jahren eingeführt. Kotleba war in der Vergangenheit öfters wegen Rechtsextremismus und Rassismus angeklagt, aber nie verurteilt worden.

Auf der Straße beschäftigt die Menschen derzeit weniger die bislang unsichtbaren Migranten, sondern vielmehr die soziale Situation des Landes. Die weit verbreitete Korruption, die Rechtsunsicherheit und die soziale Ungerechtigkeit sowie bildungspolitische Probleme sind nach Angaben des Politologen Meseznikov die zentralen Themen. Zuletzt haben Streiks von Lehrern und Angestellten im Gesundheitssektor das Land erschüttert. Dem pragmatischen Fico sind die Herausforderungen durchaus bewusst. Zuletzt hatte er die Mehrwertsteuer für Lebensmittel halbiert und den Mindestlohn auf 405 Euro monatlich angehoben. Das wird aber künftig nicht ausreichen, um sich ausreichend politischen Rückhalt in der kommen Legislaturperiode zu verschaffen. Deshalb hat Fico bereits eine Anhebung auf 500 Euro nach seiner Wiederwahl als Premier in Aussicht gestellt.

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