Wahlen in Italien Renzis Poker um Rom

In Italien werden am Sonntag in 1300 Gemeinden neue Bürgermeister gewählt – auch in Rom, Mailand, Neapel und Turin. Es sind nur Kommunalwahlen, aber für den Premier ein wichtiger Test. Vor allem in Rom droht ein Fiasko.

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Italiens Premierminister Matteo Renzi unterstützt nun doch die Bürgermeisterkandidaten seiner Partei wie Roberto Giachetti (l.) in Rom. Quelle: dpa

Rom Typisch Matteo Renzi. Erst hatte der italienische Premier wochenlang verkündet, an diesem Sonntag würden ja nur Kommunalwahlen stattfinden. Und diese hätten mit seiner Regierung nichts zu tun – „da werden Bürgermeister gewählt, nicht die Regierung“, hatte er gesagt. Dann aber änderte er blitzschnell seine Meinung und unterstützte in den letzten Tagen die Kandidaten seiner Partei, der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), in Turin, Mailand und Rom.
Renzi ist – wie die Bundeskanzlerin – Regierungschef und Pateivorsitzender in Personalunion.

Warum das plötzliche Engagement für Kommunalwahlen, bei denen gerade mal 13 Millionen Italiener in 1300 Gemeinden neue Bürgermeister und Gemeinderäte wählen? Für Renzi und seine Regierung, die seit zwei Jahren im Amt ist, drohen bei den Urnengängen zwei Gefahren: ein starkes Abschneiden der Protestpartei Movimento 5 Stelle – die Fünf-Sterne-Bewegung – und eine niedrige Wahlbeteiligung. Außerdem wäre es ein Imageschaden, wenn in Rom, Mailand, Neapel oder Turin – traditionelle Hochburgen der Sozialdemokraten – die PD keinen Bürgermeister stellen würde.

Die Gefahr dafür ist ausgerechnet in Rom am größten. In den anderen Großstädten wird es nach jüngsten Umfragen für einen Wahlsieg der PD reichen oder ihre Kandidaten dürften zumindest in die Stichwahl in zwei Wochen kommen. Anders in der Hauptstadt, dort ist die Politikverdrossenheit besonders groß. Das könnte dazu führen, dass mehr als 40 Prozent der Wahlberechtigten zuhause bleiben.

Noch immer leidet Rom unter dem Korruptionsskandal Mafia Capitale, der vor zwei Jahren aufgedeckt wurde. Wegen der Bestechung von Beamten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Bauten, die Müllentsorgung und die Unterbringung von Migranten mit kriminellen Methoden stehen 46 Angeklagte vor Gericht.

Zu den Negativ-Schlagzeilen über Rom gehörte auch der Rücktritt des PD-Bürgermeisters Ignazio Marino im vergangenen November, der über falsche Spesenabrechnungen stürzte. Seitdem wird die Hauptstadt von einem Beamten kommissarisch regiert. Er wurde von der Regierung eingesetzt.

Und die Römer haben noch viele weitere Gründe, sich zu ärgern: Löcher im Asphalt, Probleme mit der Müllabfuhr, ein schlecht funktionierender Nahverkehr und eine Rattenplage am Tiberufer, die die Freude an Spaziergängern dort vermiest. Außerdem ächzt die Stadt unter einem gewaltigen Haushaltsdefizit.

Vier Kandidaten bewerben sich um den Bürgermeisterposten in der Hauptstadt, zwei Frauen und zwei Männer. Sie liegen in Umfragen nicht weit auseinander, so dass eine Stichwahl höchst wahrscheinlich ist. In keiner der Großstädte wird wohl ein Kandidat in der ersten Wahlrunde die erforderlichen 50 Prozent erreichen.

Gute Chancen auf einen Sieg hat Virginia Raggi, die von Beppe Grillos Protestbewegung Movimento 5 Stelle in einem Online-Verfahren als Kandidatin ausgewählt wurde. Die 37-jährige Anwältin hat im Wahlkampf die direkte Konfrontation mit den anderen Kandidaten gescheut – von einer Fernsehsendung abgesehen, in der sie keine gute Figur machte.

Kritiker werfen ihr vor, sie sei „ferngesteuert“ von den Anführern der Bewegung in Mailand. Viel Erfahrung in der Politik hat sie nicht. Aber trotz fehlender politischer Sachkenntnisse und merkwürdiger Vorschläge wie einer Seilbahn gegen den Verkehrsinfarkt oder auswaschbare Windeln zur Vermeidung von Müll liegt sie in den Umfragen vorn – auch landesweit macht die Fünf-Sterne-Bewegung Renzi mehr Konkurrenz als die rechtspopulistische Lega Nord.


Generalprobe für die Verfassungsänderung

Am rechten Spektrum angesiedelt ist Giorgia Meloni von der nationalkonservativen Partei Fratelli d’Italia, die auf rechte Wähler in Roms Vororten setzt. Ursprünglich wollte Silvio Berlusconi seine Anhänger für die 39-Jährige motivieren. Doch dann verkündete er öffentlich: Eine Frau, die ein Kind erwartet, solle lieber nicht arbeiten. Meloni ist schwanger.

Eine Außenseiterrolle hat der schwerreiche Bauunternehmer Alfio Marchini. Der zupackende und pragmatische 51-Jährige hatte bei der Wahl 2013 aus dem Stand 9,4 Prozent geholt. Marchini wird dieses Mal von Silvio Berlusconi unterstützt. Das könnte ihm Stimmen konservativer Wähler verschaffen, aber auch viele Linkswähler verstimmen.

Der vierte Kandidat ist Roberto Giachetti von Renzis Partei PD. Der 55-jährige ist Vizepräsident der Abgeordnetenkammer und hat lange Jahre in der Stadtverwaltung gearbeitet. In den ersten Wochen des Wahlkampfs hat sich der Premier nicht um ihn gekümmert. Als aber Virginia Raggi in den Umfragen aufholte, griff Renzi spontan ein und trat mit Giachetti drei Tage vor der Wahl bei einer Veranstaltung im Auditorium von Renzo Piano auf, wo er ihn über den Klee lobte. „Er ist ein echter Politiker, keine Figur aus Plastik“, sagte er über Giachetti.

Wenn die PD-Kandidaten im Land gut abschneiden, ist das für Premier Renzi eine wichtige Etappe für sein nächstes großes politisches Ziel: Im Oktober findet in Italien ein Referendum über eine Verfassungsreform statt, die schon im Parlament verabschiedet ist. Der Senat wird verkleinert und hat weniger Kompetenzen, dadurch soll die Gesetzgebung beschleunigt werden. Abgeordnetenhaus und Senat sollen sich nicht mehr gegenseitig blockieren können. Renzi hat seine politische Zukunft an das „Ja“ der Italiener zur Verfassungsreform geknüpft und die Kampagne dafür ist bereits gestartet. Ein Erfolg bei den Kommunalwahlen wäre ein wichtiger Schritt zum Referendum.

Die Wahllokale sind am Sonntag von sieben bis 23 Uhr geöffnet. Beim Kampf gegen Korruption und Kriminalität geht Italien mittlerweile energisch vor: 14 Kandidaten aller Listen wurden landesweit von der Antimafia-Kommission aussortiert.

Der künftige Bürgermeister oder die Bürgermeisterin der ewigen Stadt muss nicht nur die Löcher in den Straßen stopfen, sondern auch das touristische Potenzial ökonomisch ausschöpfen, das die Stadt bietet. Dass mehr gemacht werden könnte, darin sind sich alle Parteien einig. Bisher sind es jedoch die Privaten, die etwas tun: der Schuhfabrikant Tod’s finanziert die Restaurierung des Kolosseums und die Schwestern Fendi, Regentinnen über ein Modehaus, haben die Fontana di Trevi restaurieren lassen.

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