Wahlen in Norwegen Klimaschutz kontra Wohlfahrt

Am Montag wählen die Norweger ein neues Parlament. Noch vor wenigen Wochen deutete alles auf ein Ende der konservativen Minderheitsregierung hin. Doch nun hat sich das Blatt offenbar gewendet.

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Die meisten Umfragen sehen ihre Koalition leicht vorn. Quelle: AP

Oslo Erna Solberg hat ihr Lachen wiedergefunden. Als Norwegens konservative Regierungschefin wenige Tage vor den Parlamentswahlen am kommenden Montag auf Oslos Paradestraße Karl Johan einige Wahlhelfer ihrer Partei besucht, bildet sich sogleich eine große Menschentraube um sie herum. „Wir schaffen es“, lacht Solberg, schüttelt Hände und nimmt einen Einwanderungsjungen kurz in den Arm.

Nur wenige Wochen zuvor sah man die Regierungschefin nicht so entspannt. Damals deuteten die meisten Meinungsumfragen auf einen klaren Sieg der sozialdemokratisch geführten Opposition und ein Ende der Minderheitsregierung aus ihren Konservativen und der rechtspopulistischen Fortschrittspartei hin. Auch jetzt sieht es weiterhin nach einem Wahlkrimi am Montagabend aus, doch die meisten Umfragen sehen Solbergs Koalition leicht vorn. In den vergangenen zwei Wochen ist etwas passiert, ist Bewegung in den zuvor recht müden Wahlkampf gekommen. Wieder einmal geht es um das Öl, das schwarze Gold, das Norwegen zu einem der reichsten Länder der Welt gemacht hat.

Wie soll es weitergehen mit der Ölförderung in Zeiten, in denen Dieselfahrverbote in vielen europäischen Städten drohen? In Zeiten, in denen die E-Mobilität auf dem Vormarsch ist? Diese Frage spaltet Norwegen, wo schon heute knapp jedes dritte neuzugelassene Auto aus einer Batterie gespeist wird.

Die Grünen, bislang mit nur einem Abgeordneten im Parlament, haben sich klar positioniert. „Mit uns wird es keine neuen Ölfelder geben“, sagt Rasmus Hanson, der in Akershus bei Oslo kandidiert. Seine Partei tritt für den Ausstieg aus der Ölförderung ein und kämpft vehement gegen die Suche nach neuen Öl- und Gasvorkommen in den ökologisch sensiblen Gebieten bei den Lofoten oder in der Arktis.

Ganz anders die oppositionellen Sozialdemokraten von Jonas Gahr Store und Solbergs Konservative. Sie wollen trotz gesunkener Preise und geringerer Nachfrage auch rund um die Lofoten und im Nordmeer nach neuen Ölfeldern bohren. Unter den Wählern ist die Frage umstritten.

In einer von der norwegischen Zeitung „Dagbladet“ durchgeführten Umfrage sprachen sich 44 Prozent gegen die weitere Suche nach neuen Öl- und Gasvorkommen aus, während 42 Prozent dafür waren.


Norwegen muss Emissionen reduzieren


Dominierte noch bei den letzten Wahlen die Frage, ob die Regierung zur Finanzierung des Wohlfahrtsstaats den gigantischen Ölfonds anzapfen sollte, steht bei diesen Wahlen das Thema Klimaschutz kontra Wohlfahrt ganz oben. Norwegen hat das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet und muss seine Emissionen reduzieren. Eine Erschließung neuer Felder würde den Schadstoffausstoß jedoch weiter in die Höhe treiben.

Die beiden größten Parteien, die Sozialdemokraten und die Konservativen tun sich allerdings schwer mit einer schrittweisen Abkehr von Öl und Gas. Sie fürchten, dass allein ein Stopp der Erschließung neuer Felder bis zu 60.000 weitere Arbeitsplätze kosten könnte. Schon jetzt haben geringere Nachfrage und niedrigere Ölpreise zu einem Verlust von rund 50.000 Arbeitsplätzen in der Ölindustrie geführt.

Die vergangenen vier Jahre waren nicht einfach für die 56-jährige Solberg. Da ihre Konservativen und die Fortschrittspartei keine eigene Mehrheit besaßen, musste sie sich auf die Unterstützung der Liberalen und der Christdemokraten verlassen. Kompromisse waren die Folge. Außerdem gab es innerhalb ihres Kabinetts immer wieder Streit mit den Ministern der Fortschrittspartei. Vor allem bei der Einwanderungspolitik wollten die Rechtspopulisten eine rigorosere Linie als Solberg fahren. Doch die energische Ministerpräsidentin setzte sich mit ihrem moderateren Kurs durch. In Meinungsumfragen hat die Fortschrittspartei, die erstmals seit ihrer Gründung in einer Regierung sitzt, denn auch ein paar Prozentpunkte eingebüßt.

Erna Solbergs Herausforderer, der sozialdemokratische Parteichef und frühere Außenminister Jonas Gahr Støre, sah noch im Frühjahr wie der nächste Ministerpräsident aus. Doch der 57-jährige Multimillionär verkalkulierte sich, als er Solberg Missmanagement vorwarf und das Bild eines Norwegen in der Krise zeichnete. Viele Wähler erkannten ihr Land nicht wieder. Zwar mussten in der Ölindustrie Zehntausende Arbeitsplätze abgebaut werden, doch die Arbeitslosigkeit liegt mit 4,3 Prozent weiterhin auf einem im Europavergleich niedrigen Niveau. Außerdem fanden viele Wähler, dass Solberg innen- wie außenpolitisch besonnen agiert hat.

Ölpreisfall, Flüchtlingskrise, Russland-Sanktionen – Norwegen kam relativ unbeschadet durch die turbulenten Zeiten. Gar nicht populär war dann Støres Vorschlag weiterer Steuererhöhungen zur Finanzierung des Sozialstaates. Nun kämpft Støre im Gegenwind, könnte gar das schlechteste Ergebnis seit Jahrzehnten für seine Sozialdemokraten erzielen.

Da es noch viele unentschlossene Wähler gibt, bleibt der Ausgang der Wahlen spannend.

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