Wahlen in Österreich Ein Grüner als Bundespräsident?

Die Österreicher wählen am Sonntag einen neuen Präsidenten. Alexander van der Bellen, früherer Parteichef der Grünen, gilt als Favorit. Voraussichtlich muss er mit dem Rechtspopulisten Norbert Hofer in eine Stichwahl gehen.

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Der Ökonom Alexander Van der Bellen ist parteilos zur Präsidentenwahl angetreten. Früher hat er die grüne Partei in Österreich geführt. Quelle: dpa

Wien Das Amt des österreichischen Bundespräsidenten war über Jahrzehnte ein Erbhof der beiden Volksparteien SPÖ und ÖVP. Doch diesmal ist alles anders. Die Auflösung des österreichischen Zwei-Parteien-Systems wirkt sich auch vor der Wahl des neuen Staatsoberhauptes bemerkbar.

Mit dem pensionierten Volkswirtschaftsprofessor Alexander van der Bellen könnte in die Wiener Hofburg erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ein Politiker einziehen, der nicht von SPÖ oder ÖVP kommt. Der 72-Jährige mit dem markanten Dreitagebart liegt seit Wochen in Umfragen vorn. Van der Bellen war klug genug, als unabhängiger Kandidat anzutreten. Dadurch ist es dem Wirtschaftswissenschaftler gelungen, seine Wählerschaft stark zu verbreitern. Insgesamt sind 6,3 Millionen Österreicher ab 16 Jahren zur direkten Wahl ihres Staatsoberhaupts aufgerufen.

Insgesamt bewerben sich fünf Männer und eine Frau um die Nachfolge von Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ), der nach zwölf Amtsjahren nicht mehr kandidieren darf. Noch nie gab es so viele Bewerber für das höchste Staatsamt der Alpenrepublik wie diesmal. Insgesamt traten sechs Kandidaten an. Jedoch schaffte es keiner, im ersten Wahlgang die erforderliche Mehrheit zu gewinnen. Deshalb wird sich van der Bellen, dem von Demoskopen 25 Prozent der Stimmen zugetraut werden, in einer Stichwahl seinem Herausforderer stellen müssen. Nach letzten Umfragen liegt Norbert Hofer, Spitzenkandidat der ausländerfeindlichen FPÖ, mit 24 Prozent vorn. Chancen werden auch der unabhängigen Kandidatin Irmgard Griss eingeräumt. Die Richterin, die von den liberalen Neos unterstützt wird, kommt nach letzten Meinungsumfragen auf 22 Prozent.

Van der Bellen, dessen Eltern als Flüchtlinge aus Estland nach Österreich kamen, führte elf Jahre die Grünen in Österreich. Der gebürtige Wiener wuchs im Tiroler Kaunertal auf. In seinem Wahlkampf tritt van der Bellen betont sachlich auf, setzt auf der einen Seite auf Modernität und Liberalität, auf der anderen auf Tradition und Heimat. Diese Strategie, die von der Werbeagentur Jung von Matt ausgearbeitet wurde, kommt gut an.

Der bekennende Raucher ist aber keiner, der sich leicht verbiegt. Als einziger der Kandidaten kündigte er an, dass er als Bundespräsident alle Möglichkeiten der Verfassung nützen würde, um einen rechtspopulistischen Bundeskanzler in Österreich zu verhindern. Aus seiner Sicht will er damit Schaden vom Land abwenden – selbst wenn die FPÖ die meisten Stimmen gewinnen würde.

Sein schärfster Konkurrent ist Norbert Hofer. Der Kandidat der früheren Partei von Jörg Haider mobilisierte seine Anhänger am späten Freitagnachmittag vor dem Wiener Stephansdom. „Flagge zeigen“, hieß das Motto der österreichischen Rechtspopulisten. Für die Schlusskundgebung des ansonsten weitgehend fair verlaufenen Wahlkampfes legte sich auch FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache ins Zeug, der größte Förderer des 45-jährigen Hofer.

Für die FPÖ wäre es ein gewaltiger Erfolg, sollte sich das bewahrheiten, was Demoskopen voraussagen – nämlich ein Duell zwischen Alexander van der Bellen und Norbert Hofer – linkes Österreich gegen rechtes Österreich. Die beiden großen Regierungsparteien, SPÖ und ÖVP, müssten tatenlos zusehen, wie das im Vergleich zu Deutschland einflussreichere Amt vergeben wird.


Hofer fährt einen anti-europäischen und islamfeindlichen Kurs

Auch wenn Hofer versucht, sachlich zu bleiben – sein Talent, das Land zu spalten, blitzt auch in der politischen ORF-Elefantenrunde auf, zu der alle sechs Kandidaten am Donnerstagabend antraten. „Sie werden sich noch wundern, was als Bundespräsident alles gehen wird“, drohte der Burgenländer im Fall eines Wahlsieges schon mal präventiv. Der frühere Ingenieur und heutige Dritte Präsident des Nationalrates fuhr in seiner Kampagne einen anti-europäischen und islamfeindlichen Kurs. Er fordert einen EU-Austritt Österreichs, sollte die Türkei Mitglied der EU werden. In seinem Wahlkampf war die Rede von „Völkerwanderungen“ und der Zerstörung des rot-weiß-roten Sozialsystems durch „Wirtschaftsflüchtlinge“. Österreicher zuerst – so heißt die simple Matrix seiner Strategie. Diese Positionen verschaffen ihn und der FPÖ durchaus viel Rückhalt. Nach Umfragen ist die FPÖ zur stärksten Partei im Alpenland aufgestiegen.

Wer Hofer womöglich wichtige Prozentpunkte am Sonntag kosten könnte, ist der 83-jährige Richard Lugner. Der schillernde Bauunternehmer, in Wien nur „Mörtel“ genannt, polterte in teilweise bizarren Auftritten gegen die „Zwei-Parteien-Diktatur“ von SPÖ und ÖVP. Dem berühmten Opernball-Löwe werden von Demoskopen einige Prozentpunkte zugetraut, die vor allem zu Lasten der rechtspopulistischen FPÖ gehen würden. Ihm werden von den Demoskopen derzeit rund drei Prozent der Stimmen zugetraut.

Für eine Überraschung am Wahlsonntag könnte die 69-jährige Ex-Gerichtshofpräsidentin Irmgard Griss sorgen, die als unabhängige Kandidatin antritt. Als renommierte Juristin, die auf Fairness und Argumente im Wahlkampf setzte, ist sie der Anti-Politiker-Typ. Ihre politische Unerfahrenheit war in vielen Debatten ein Pluspunkt in dem ansonsten so erstarrten österreichischen Parteiensystem.

Für SPÖ und ÖVP droht die Bundespräsidentenwahl hingegen zum politischen Waterloo zu werden. Ihre Kandidaten, die beiden ausgebufften Polit-Altvorderen Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) stehen aus der Sicht vieler Wähler für das alte, untergehende Zwei-Partei-System. Im Wahlkampf schafften die beiden Urgesteine ihrer Parteien es nicht, mit neuen Zielen und Ideen die Wählerschaft in ihren Bann zu ziehen. Khol geben die Meinungsumfragen nur elf und Hundstorfer 15 Prozent.

Sollte es der langjährige sozialdemokratische Minister Hundstorfer nicht einmal in die Stichwahl am 22. Mai schaffen, bekommt der in Österreich wenig populäre Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ein Problem. Wegen seines abrupten Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik und der Verschärfung des österreichischen Asylrechts rumort es in der Sozialdemokratie bereits ziemlich laut.

Eine Schlappe bei der Bundespräsidentenwahl würde dem ehemaligen Wiener Stadtrat negativ angelastet werden. Der Sonntag ist daher für Faymann womöglich der Beginn einer Zitterpartei um die Macht in Österreich. Doch der österreichische Kanzler hat zur Enttäuschung seiner vielen innerparteilich Gegner immer wieder Stehvermögen bewiesen. Der Regierungschef will auf alle Fälle bis zur nächsten Nationalratswahl in zwei Jahren durchhalten.

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