Wahlkampf in der Ukraine Oligarchen ringen um politische Macht

Im Oktober wählen die Bürger der Ukraine neue kommunale Vertretungen. Doch der derzeitige Wahlkampf geht über kommunale Grenzen hinaus – der Urnengang gilt als Stimmungstest für die nationale Regierung.

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Der ukrainische Unternehmer Achmedov dürfte durch eine Wahl Wilkuls vor allem seinen Einfluss in der Grenzregion zu Donezk und deren wichtigen Industrieanlagen ausweiten wollen. Quelle: dpa

Kiew/Dnipropetrowsk Noch sind zwar acht Wochen Zeit bis zu den Kommunalwahlen in der vom Krieg im Donbass und von wirtschaftlicher Not gebeutelten Ukraine. Doch der Kampf um Macht und Einfluss ist bereits voll entbrannt. Offiziell gab die zentrale Wahlkommission in Kiew am Samstag den Startschuss für das Rennen um die Sitze in den Parlamenten der Städte und Gemeinden.

Doch in den meisten Regionen ist das Ringen um Wählerstimmen schon seit längerem im Gang - besonders in den bevölkerungsreichen Gebieten im Osten des Landes, wo Oligarchengruppen im großen Stil agieren.

In der Industrieregion Dnipropetrowsk streben der aus der Separatistenhochburg Donezk vertriebene reichste Ukrainer Rinat Achmetow und der entlassene Gouverneur des Gebietes, Igor Kolomoiski, nach Einfluss. Die beiden Milliardäre wollen jeweils ihre Kandidaten zum Bürgermeister machen.

Vor allem aber sehen sie die Abstimmung als Zwischenetappe für ihr eigentliches Ziel - die Macht in der Hauptstadt Kiew. Nach den jüngsten blutigen Protesten gegen eine Verfassungsreform - dabei starben drei Menschen - und dem Austritt der rechtspopulistischen Radikalen Partei aus der Regierungskoalition ist die Lage dort instabil.

Immer wieder ist von einer möglichen vorgezogenen Parlamentswahl die Rede. Doch vorerst geht es nur um die kommunalen Volksvertretungen - auch in Kiew, wo Ex-Box-Profi Vitali Klitschko am 25. Oktober auf eine Wiederwahl als Bürgermeister hofft.

Besonders heftig ausgetragen wird der Wahlkampf bisher unter anderem in Dnipropetrowsk. Die Metropole mit fast einer Million Einwohner gilt als Schlüsselregion für die zumeist russischsprachigen Städte im Südosten des Landes. Aus der einst abgeschotteten sowjetischen Raketenbauerstadt kommen seit Jahren die wichtigsten Kader der ukrainischen Politik.

Ex-Präsident Leonid Kutschma, Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, Sicherheitsratschef Alexander Turtschinow, aber auch die Oligarchen Kolomoiski und Viktor Pintschuk begannen dort ihren Weg.


Diskreditierung als Wahlkampfstrategie

Die Stadt ist auch ein Bollwerk gegen die Ausbreitung der prorussischen Separatisten aus den nahen Konfliktgebieten Donezk und Luhansk, die gegen den Widerstand Kiews eigene Wahlen abhalten wollen.

Der Milliardär Kolomoiski will sich in seiner Heimatstadt nun die Macht über seinen Vertrauten Boris Filatow sichern.

Doch der 43-jährige liegt in den meisten Umfragen abgeschlagen hinter dem Favoriten Alexander Wilkul vom Oppositionsblock, einem Sammelbecken für einstige Anhänger des 2014 aus dem Amt gejagten Präsidenten Viktor Janukowitsch.

Der Kandidat Filatow ärgerte sich erst dieser Tage öffentlich, dass die Fernsehsender der Oligarchen Achmetow und Pintschuk Stimmung gegen ihn machten. „Rund um die Uhr wird Dreck über mich ausgeschüttet“, beklagte er sich bei Facebook. Besonders beliebt im Wahlkampf sind gegenseitige Vorwürfe, die Kandidaten hätten gute Kontakte zu Russland - dem „Aggressorstaat“.

Der Sender der Kolomoiski-Gruppe 1+1 sagt dem Favoriten Wilkul vom Oppositionsblock zudem enge Kontakte zu den prorussischen Separatisten nach. Als Beweise für diese These sollen Fotos dienen - Wilkul mit dem verschrienen Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, und Wilkul mit dem prominenten Moskauer Biker Alexander Saldostanow, einem Bekannten von Kremlchef Wladimir Putin. Kadyrow und Saldostanow unterstützen offen die Separatisten im Donbass.

Der 41-jährige Wilkul kontert gern und beschimpft seine Gegner als „Banditen“. Kolomoiskis Konkurrent Achmetow dürfte durch eine Wahl Wilkuls vor allem seinen Einfluss in der Grenzregion zu Donezk und deren wichtigen Industrieanlagen ausweiten wollen. Doch selbst falls Wilkul gewinnen und Bürgermeister werden sollte - im Stadtrat könnte seinem Oppositionsblock die Mehrheit verwehrt bleiben. Kolomoiski hat gleich zwei neue Parteien ins Rennen um Mandate geschickt.

Die Oligarchen hoffen nach Meinung von Beobachtern nun vor allem darauf, dass ihnen die Abstimmungen in den Kommunen eine gute Ausgangsbasis für die im Frühling erhofften Parlamentsneuwahlen geben. Dann könnten sie ihre Leute aus den Regionen ins Rennen um die Sitze in der Obersten Rada schicken.

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