Wahlprogramm britische Arbeiterpartei Mit Labour zurück in die 70-er Jahre

Das Wahlprogramm der britischen Labour-Partei ist durchgesickert: Es enthält eine Liste radikaler Ideen, die so links ausfallen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Kritiker sprechen von einem teuren Wünsch-Dir-Was-Programm.

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Verstaatlichung der Bahn und Post, Obergrenze für Mieterhöhungen und mehr Rechte für Gewerkschaften. Quelle: Reuters

London Die Ideen sind radikal, und sie füllen ganze 43 Seiten. Es geht darin um die Verstaatlichung der Bahn und der Post, um eine Obergrenze für Mieterhöhungen und mehr Rechte für Gewerkschaften. Unternehmensabgaben sollen erhöht werden, ebenso wie Einkommenssteuern für Besserverdiener – während der Großteil der Arbeiter keine Steuererhöhung fürchten muss. Konzerne mit vielen Mitarbeitern mit vergleichsweise hoher Vergütung sollen eine Art Strafabgabe leisten. Unternehmen, die als wichtig angesehen werden, sollen vor feindlichen Übernahmen geschützt werden.

Das geht aus dem Programm der britischen Labour-Partei für die Parlamentswahl im Juni hervor, das die Zeitungen „Daily Mirror“ und „Daily Telegraph“ vorab veröffentlich haben. Labour-Chef Jeremy Corbyn wolle Großbritannien damit zurück in die 70-er Jahre führen, schreibt der „Telegraph“ in seiner Donnerstagsausgabe. Die 70-er Jahre stehen für eine Zeit auf der Insel, in der der Staatseinfluss sehr hoch ausfiel – bevor Margaret Thatcher Premierministerin wurde und das Land, das als „kranker Mann Europas“ galt, mit ihrem Reformprogramm durchschüttelte.

Unter Corbyn, der die Partei seit fast zwei Jahren führt, ist Labour bereits vor längerer Zeit nach links gerückt. Das hat zu massiven internen Auseinandersetzungen mit dem gemäßigten Flügel geführt. Eine weitere Konsequenz: In Umfragen sind Corbyn und die Labour-Partei weit abgeschlagen. Premierministerin Theresa May versucht diese Schwäche zu nutzen. Sie will ihre konservativen Tories zur Arbeiterpartei machen und all denen eine Heimat bieten, die sich mit den ultralinken Labour-Ideen nicht identifizieren können.

Den Entwurf des Wahlprogramms, der jetzt durchsickert ist und Beobachtern zufolge eindeutig Corbyns Handschrift trägt, haben Kritiker als teures Wünsch-Dir-Was-Programm bezeichnet. Ein Sprecher der konservativen Partei sagte: Corbyns Pläne würden Chaos auslösen, zweistellige Milliardenbeträge an neuen Schulden mit sich bringen und die Brexit-Verhandlungen gefährden.

Einige Beobachter verglichen Corbyns Ideen mit dem Wahlprogramm von Labour von 1983, als Neil Kinnock gegen Thatcher antrat und versprach, einiges zurückzudrehen, was die „Eiserne Lady“ zuvor durchgesetzt hatte. Labour wehrt sich gegen diesen Vergleich: Man habe moderne, progressive Vorschläge entwickelt, um sagte John McDonnell, der Schatten-Finanzminister der Labour-Partei, britischen Medien.

Andrew Gwynne, der den Labour-Wahlkampf koordiniert, nannte die von „Daily Mail“ und dem „Telegraph“ veröffentlichten Vorschläge einen reinen Rohentwurf. Es sei aber nicht das eigentliche Wahlprogramm. Dass die Ideen jetzt schon durchgesickert seien, das habe auch eine positive Seite, so Gwynne in einem ITV-Interview. „Denn es gibt uns die Möglichkeit, jetzt schon über das Großbritannien zu reden, wie wir es gern hätten.“

Nach Informationen britischer Zeitungen will Labour auch Milliarden in das staatliche Gesundheitssystem NHS stecken, in Schulen investieren und Tausende neuer Sozialwohnungen bauen. Zum geplanten Austritt aus der Europäischen Union heißt es in den Unterlagen, die die Blätter veröffentlichten: Man akzeptiere den Ausgang des Brexit-Referendums, werde die nationalen Interessen an erste Stellen setzen und den „verantwortungslosen Ansatz“, den Theresa May dabei verfolge, beenden. Im Gegensatz zr konservativen Tory-Partei will Labour offenbar keine Einwanderungsobergrenze setzen. Medienberichten zufolge wollen die Tories in ihrem Wahlprogramm an einem Limit von 100.000 festhalten, das bereits Mays Vorgänger David Cameron angepeilt hatte. Doch er hat das Ziel nicht erreicht.

Die Parlamentsneuwahlen stehen am 8. Juni in Großbritannien an. In Umfragen hat Mays Partei einen Vorsprung von etwa 20 Prozentpunkten gegenüber Labour.

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