Warum eigentlich? ...ist ein multilaterales Handelsabkommen besser als bilaterale Verträge?

An diesem Montag machte die Welthandelsorganisation (WTO) wieder mal einen Anlauf: In Genf treffen sich die Minister der 30 wichtigsten Handelsnationen, um die Schranken für Im- und Exporte zu beseitigen. Sie wollen die Doha-Runde zum Abschluss bringen, die nun schon seit sieben Jahren dahindümpelt.

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Protestierende in Indonesien Quelle: AP

An diesem Montag macht die Welthandelsorganisation (WTO) wieder mal einen Anlauf: In Genf treffen sich die Minister der 30 wichtigsten Handelsnationen, um die Schranken für Im- und Exporte zu beseitigen. Sie wollen die Doha-Runde zum Abschluss bringen, die nun schon seit sieben Jahren dahindümpelt.

Die Chancen, den Welthandel zu liberalisieren, sehen eher mäßig aus. EU-Handelskommissar Peter Mandelson beziffert die Aussicht auf einen Erfolg auf 50 Prozent. Der EU-Ratsvorsitzende, der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, schätzt die Lage noch skeptischer ein.  Die Voraussetzungen für eine Einigung seien derzeit nicht gegeben, betonte er kürzlich.

Trotzdem nehmen die Minister am Verhandlungstisch Platz. Sie nehmen die Mühen multilateraler Verhandlungen auf sich, weil sie wissen, dass eine weltweite Liberalisierung des Handels mehr Wohlfahrtsgewinne verspricht als wenn sich die Länder in bilateralen Abkommen darauf verständigen, handelspolitisch abzurüsten.

Auch wenn die genauen Zahlen je nach Modell und Annahmen variieren, sind sich die Volkswirte darin einig, dass eine umfassende Handelsliberalisierung wie ein gigantisches Wachstumsprogramm wirkt. Die Ökonomen der Weltbank taxieren den potenziellen Wohlfahrtsgewinn auf 287 Milliarden Dollar. Bilaterale Abkommen, die immer nur einen kleinen Teil der weltweiten Handelsströme betreffen, können da nicht mithalten. Zumal hinter bilateralen Verträgen häufig mehr politische als wirtschaftliche Überlegungen stecken, etwa weil Regierungen andere Länder an sich binden wollen.

Genau das ist das Problem. Wenn zwei Staaten unterschiedlicher Größe und Macht miteinander verhandeln, kann der Große dem Kleinen meist die Konditionen diktieren. In der Praxis machen die USA und Europa oft keine Konzessionen, wenn es darum geht, den Agrarmarkt zu öffnen. In bilateralen Verträgen wird das einfach ausgeklammert. Aufstrebende Länder mit zunehmendem Einfluss wie China, Indien und Brasilien müssten sich darüber keine Gedanken machen, sagt WTO-Generaldirektor Pascal Lamy, Kleine Länder wie Mauritius, Sri Lanka, Kambodscha oder Ghana aber sehr wohl.

Mit Sorge sehen Ökonomen auch, dass bilaterale Abkommen Warenströme umlenken. Statt Waren des kostengünstigsten Anbieters einzuführen, schwenken Länder um und führen Güter des Handelspartners ein, mit dem ein bilaterales Abkommen existiert. Weil der Zoll in diesem Fall entfällt, erscheint der Handel günstig, obwohl er bei Betrachtung der reinen Produktionskosten mit Nachteilen verbunden ist.

Mit Sorge sehen Ökonomen auch, dass bilaterale Abkommen Warenströme umlenken

Je mehr bilaterale Abkommen abgeschlossen werden, desto komplizierter werden die Regeln. Jagdish Bhagwati, Handelsexperte von der renommierten Columbia University in New York, hat dafür das anschauliche Bild einer „Spaghetti-Schüssel“ geprägt. Werden die Handelsregeln in jedem Abkommen anders formuliert, sehen sich die Länder und Unternehmen mit einem schwer entwirrbaren Knäuel an Anforderungen konfrontiert.

Trotzdem gewinnen Ökonomen bilateralen Handelsabkommen mittlerweile mehr ab als noch vor ein paar Jahren. Praktiker beobachten, dass gerade kleine Länder bei bilateralen Gesprächen Verhandlungstechniken lernen. Bilaterale Abkommen erhöhen den Wettbewerb, weil heimische Unternehmer mit Konkurrenzprodukten aus dem Ausland konfrontiert werden. Auch können sie einen Anstoß zur Liberalisierung geben, weil Politiker mit Hinweis auf den Druck von außen möglicherweise eher Reformen im eigenen Land durchsetzen können.

Hinzu kommt: Bilaterale Abkommen lassen sich relativ schnell abschließen – anders als die zähen multilateralen Verhandlungen. Die haben sich schon immer in die Länge gezogen. Seit die WTO auf 152 Mitgliedsländer in sehr unterschiedlichen Entwicklungsstadien angewachsen ist, hat sich der Verhandlungsprozess noch stärker verlangsamt. "Wenige Parteien werden sich schneller einig", weiß WTO-Generaldirektor Lamy. "Das ist meist sehr attraktiv für Politiker und die Wirtschaft, die schnelle Ergebnisse sehen wollen."

Die WTO geht deswegen davon aus, dass die Zahl der bilateralen Abkommen in den kommenden Jahren eher zu- als abnehmen wird. Bis 2010 wird ihre Zahl weltweit auf 400 steigen, schätzt die Organisation. Deswegen verdammt sie die bilateralen Abkommen auch nicht, sondern sieht sie als Ergänzung zur Doha-Runde. WTO-Generaldirektor Lamy: "Regionale Handelsabkommen sind der Pfeffer in einem guten Curry." Der bringt bekanntlich Würze, macht aber nicht satt."

Die Europäische Union hat am ersten Tag der neuen Verhandlungsrunde bei der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) starke Kürzungen der Agrarzölle angekündigt. Damit könnten sich die EU-Märkte für landwirtschaftliche Produkte aus Entwicklungsländern deutlich öffnen. EU-Handelskommissar Peter Mandelson sprach am Montag in Genf von fast 100 Milliarden Euro, die die EU bereit sei, die Subventionsobergrenze zu senken. Die Agrarzölle sollen um mindestens 54 Prozent gekürzt werden. Mandelsons Sprecher Peter Power sprach sogar von durchschnittlich 60 Prozent. Damit hofft die EU, ein starkes Zeichen für die Schwellenländer wie Brasilien, Mexiko oder Indien zu setzen, die erst nach starken Kürzungen der Agrarabschottungen bereit sind, ihre Märkte für Waren und Dienstleistungen aus den Industriestaaten zu öffnen. Auch die USA erklärten, die seit 2001 laufende Doha-Welthandelsrunde zu einem erfolgreichen Abschluss bringen zu wollen und schlossen ebenfalls ausgeweitete Subventionskürzungen nicht aus.

Mandelson sagte, was die Agrarexportzuschüsse angehe, werde die EU diese bei einer Vereinbarung völlig abzubauen. Und bei den anderen Gütern, den Nicht-Agrarprodukten, werde Europa „ohne Ausnahmen und Ausflüchte“ die Zollsenkungen auf Importe im Wert von einer Billion Euro vornehmen. „Ein mögliche Vereinbarung wäre von gewaltigem wirtschaftlichem Wert und auf die Interessen der Agrarexporteure in den Entwicklungsländern maßgerecht zugeschnitten“ sagte Mandelson. Dieses einmalige Vorgehen werde in Europa schmerzhaft sein. Aber es liegt jetzt auf dem Tisch weil wir uns dieser Runde und dem multilateralen Handelssystem verpflichtet sehen“, sagte der EU-Kommissar.

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