Weinstein in Österreich Öko-Politiker Pilz stürzt über Sex-Affäre

Der Sex-Skandal rund um den Hollywood-Produzenten Weinstein hat Österreich erreicht. Der charismatische Ex-Grünen-Politiker Peter Pilz verzichtet auf seinen Parlamentssitz. Er hat offenbar massiv Frauen belästigt.

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Grünen-Abtrünniger Peter Pilz (Liste Pilz) jubelt am 15.10.2017 in Wien (Österreich) im Rahmen der Nationalratswahl bei der Wahlfeier mit Anhängern. Quelle: dpa

Wien In Österreich wird die eigene Tragödie gerne publikumswirksam inszeniert. Im von Prominenten geschätzten Café Landtmann, gegenüber dem Burgtheater, suchte Peter Pilz die große Bühne, um laut Servus als Parlamentarier zu sagen. Der 63-Jährige hat eilends eine Pressekonferenz im noblen Wiener Kaffeehaus einberufen, um seinen Verzicht auf seinen Sitz im österreichischen Parlament zu verkünden.

Auslöser sind schwerwiegende Vorwürfen der sexuellen Belästigung einer Mitarbeiterin der österreichischen Grünen und einer Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei. Der ehemalige Grünen-Chef hatte im Sommer seine eigene Öko-Partei „Liste Peter Pilz“ gegründet.

Die Beweise sind offenbar so erdrückend, dass dem Öko-Populisten am Ende nichts anderes übrig blieb als das unrühmliche Ende seiner politischen Karriere zu verkünden. Mit dem Rücktritt von Pilz haben die Auswirkungen des Sex-Skandals um den Hollywood-Filmproduzenten Harvey Weinstein auch die Alpenrepublik erreicht. Pilz ist seit den 80-er Jahren verheiratet.

Was aus der populistischen Öko-Partei werden soll, ist noch unklar. Pilz ist am Wochenende vom Amt des Parteivorsitzenden nicht zurückgetreten. „Das politische Ziel uns als eine neue, starke Oppositionskraft gegen Schwarz/Blau zu schwächen, wird nicht erreicht werden“, teilte ein Parteisprecher frustriert mit. Die „Liste Peter Pilz“ ist nach populistischer Manier ganz auf ihren Gründer zugeschnitten.

In Österreich ist Pilz eine politische Größe. Früh erreichte er große Popularität als Aufdecker in der Lucona-Affäre oder dem Noricum-Skandal. Das österreichische Magazin „Profil“ hatte Pilz auf seinem Titelblatt mal den „besseren Haider“ in Anspielung auf den Rechtspopulisten Jörg Haider genannt.

Am 9. November tritt das neue gewählte Parlament in Österreich erstmals zusammen – diesmal ohne Peter Pilz, der einst 1986 erstmals mit den Grünen in die Volksvertretung einzog. Die Sex-Affären von Peter Pilz hatten das Wiener Stadtmagazin „Falter“ und die konservative Zeitung „Die Presse“ am Wochenende aufgedeckt.


Ein Opfer: „…seine Hände waren überall.“

Aus dem Akt der österreichischen Gleichbehandlungsanwaltschaft geht hervor, dass sich der 63-jährige Politiker eine Mitarbeiterin bei den Grünen mit sexuellen Anzüglichkeiten, Berührungen und dem Versuch eines Kusses konsequent zugesetzt haben soll. Es soll dutzende von Vorkommnissen gegeben haben.

„Die uns von Frau (. . .) äußerst glaubhaft geschilderten Verhaltensweisen und Bemerkungen ihres Vorgesetzten, Herrn Peter Pilz, erfüllen nach unserer Beurteilung die Tatbestände der sexuellen und der geschlechtsbezogenen Belästigung", zitiert die „Presse“ die Bewertung der Gleichbehandlungsanwaltschaft am Sonntag. Die Grünen-Mitarbeiterin wurde auf eigenen Wunsch intern versetzt und zog ihre Anzeige zurück.

Pilz selber sieht den Fall anders. „Ich schließe aber kategorisch aus, dass es irgendeine Form der sexuellen Belästigung gegeben hat“, sagte er zu den vielen Vorwürfen. Pilz soll außerdem auf einer Konferenz im österreichischen Alpbach 2013 eine Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei angegrapscht haben.

Das Opfer sagte dem „Falter“: „…seine Hände waren überall. Zuerst umklammerte er meinen Arm, mit der anderen Hand war er an meinem Hals und dann an meinem Busen und Rücken. Auch sein Gesicht war viel zu nahe an mir. Das ging alles ziemlich schnell.“ Zwei Zeugen hätten Pilz dann weggezogen. Der Öko-Politiker kann sich an den Vorfall nach eigener Aussage nicht mehr erinnern und entschuldige sich für diesen Fall aber präventiv.

Der promovierte Volkswirt und Politikwissenschaftler sieht sich als Opfer einer politischen Kampagne der Grünen. Pilz wurde von den Grünen für die Parlamentswahl im Oktober nicht mehr auf einen sicheren Listenplatz aufgestellt. Deshalb gründete der einstige Trotzkist kurzerhand im Juli seine eigene Partei namens Liste Peter Pilz.

Die Ein-Mann-Partei schaffte auf Anhieb mit 4,4 Prozent und acht Sitzen den Einzug in den österreichischen Nationalrat. Die Grünen verpassten hingegen den Wiedereinzug in das Parlament. In der Alpenrepublik gilt die Vier-Prozent-Grenze.


Politiker will nun sein Tagebuch veröffentlichen

Pilz ist ein Intimfeind der früheren Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Zu den Vorwürfen eines politischen Racheaktes sagte die frühere Parlamentsabgeordnete: „Ich weise als damals politisch verantwortliche Klubobfrau den Vorwurf der politischen Intrige aufs Schärfste zurück.“

Nach seinem Rückzug wird Pilz aber weiter für Schlagzeilen sorgen. Derzeit liegt sein Buch „Heimat Österreich: ein Aufruf zur Selbstverteidigung“ in den Buchläden zwischen Bodensee und Neusiedler See. Ein weiteres Buch hat er am Wochenende bereits angekündigt – diesmal zur Sex-Affäre. Er wolle sein Tagebuch veröffentlichen.

Bei seinem Auftritt im Wiener Kaffeehaus am Samstag zeigte sich der Alt-Politiker durchaus lernfähig. „Wir älteren und in meinem Fall - gerade noch - mächtigen Männer müssen bereit sein, auch etwas dazuzulernen, dass es nicht nur darum geht, wie wir etwas empfinden, sondern wie die Frauen es empfinden.“

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