Weißrussland Bananen aus Minsk

Russland und der Westen bekämpfen sich mit Sanktionen. Davon will Europas letzte Diktatur profitieren: Weißrussland exportiert Ananas oder Parmesan nach Russland – „Made in Belarus“. Im Bruderstaat wird Kritik laut.

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Die Weißrussen haben Grund zum Feiern, die Agrarproduktion läuft gut. Doch ist überall wo „Made in Belarus“ draufsteht auch ein weißrussisches Produkt drin? Quelle: dpa

Minsk Es könnte das „Wunder von Weißrussland“ heißen: Seit gut zwei Jahren hat sich die frühere Sowjetrepublik zu einem Garten gemausert, in dem Ananas und Bananen wachsen, obwohl das Klima eher für Äpfel und Birnen geeignet ist. Weißrussland tritt als Hersteller von Garnelen und Austern auf, obwohl es keinen Zugang zum Meer hat. Parmesan und andere westliche Käsespezialitäten ziert das Siegel „Made in Belarus“ – beim Nachbarn Russland ein Zeichen für Qualität.

Genau genommen blüht seit dem Beginn des Sanktionskrieges zwischen Russland und dem Westen in Weißrussland der Handel auf, auch mit exotischen Waren. Moskau hatte 2014 mit einem Importverbot für Lebensmittel aus der EU und den USA reagiert, als der Westen wegen der Ukraine-Krise Strafmaßnahmen verhängt hatte.

„Für uns ist das eine Goldgrube“, meinte Vizelandwirtschaftsminister Leonid Marinitsch damals in Minsk. „Wir ersetzen holländische Kartoffeln und polnische Äpfel. Wir haben alles.“ Fleisch-, Milch- und Getreideprodukte aus Weißrussland sind beliebt in Russland. Berichten zufolge hat der Absatz zugelegt, die Angaben variieren.

Doch in Moskau blicken Politiker mit Argwohn auf den „Bruderstaat“. Denn nicht nur weißrussische Waren gelangen verstärkt ins Land, sondern eben auch durch das Embargo illegale Westwaren, die es gar nicht geben kann in dem Land mit postsowjetischer Kommandowirtschaft.

„Weißrussland will die Situation aktiv ausnutzen, dass der russische Markt für Produkte aus der EU geschlossen ist. Dabei verhält es sich oft skrupellos“, meint Sergej Dankwert, Chef der Agraraufsicht in Moskau. Weißrussische Krabben seien das lustigste Beispiel. Aber auch bei anderen Produkten wirft Moskau dem Nachbarn Etikettenschwindel und Schmuggel vor. So soll die Lieferung von fast 600.000 Tonnen Äpfeln und Pilzen 2015 das Fünffache der Jahresernte betragen haben.

Einzelne Unternehmen profitierten von den Sanktionen, weil viele Russen nicht bereit seien, auf verbotene Produkte zu verzichten, meint der Wirtschaftsexperte Lew Margolin. „Weißrussland wäre dumm, das nicht zu nutzen“, sagt er in Minsk. Letztlich sei der Gewinn für sein Land aber bescheiden.


„Eine Milliarde Dollar verloren“

Weißrusslands autoritärer Staatschef Alexander Lukaschenko beteuert indes, dass sein Land selbst unter der Sanktionsschlacht leide. „Wir haben eine Milliarde Dollar durch die Strafmaßnahmen verloren und nicht gewonnen“, sagt sein Außenminister Wladimir Makej. Der Handel mit Russland sei sogar um ein Drittel eingebrochen.

Das Thema ist heikel, denn für die knapp zehn Millionen Weißrussen ist Russland mit 50 Prozent des Außenhandels der wichtigste Markt. Zudem sind die beiden Staaten in einer Union wirtschaftlich und politisch eng verwoben. Umso stärker drückt die russische Rezession die Stimmung. Denn der Verfall der Ölpreise sowie Strukturprobleme haben die Rohstoffmacht Russland in eine tiefe Krise gestürzt.

Daraus ergeben sich für Weißrussland Probleme wie Kapitalabfluss und Rückgang der russischen Investitionen. Minsk erwartet ein leichtes Wachstum von 0,3 Prozent für 2016 sowie 1,7 Prozent für 2017. Experten gehen für das vergangene Jahr eher von einem Rückgang aus.

„Selbst wenn sich die russische Wirtschaft wieder erholt, gibt es keine Garantie, dass sich dies positiv für uns auswirkt“, meint Margolin. „Unsere Staatsunternehmen sind preislich und qualitativ nicht konkurrenzfähig.“ Solange es keine ernsthaften Strukturreformen gebe, werde das so bleiben.

In kaum einem Bereich wird die starke Abhängigkeit Weißrusslands von Russland deutlicher als im Energiesektor. Doch auch hier liegen Minsk und Moskau im Clinch. Russland fordert eine Nachzahlung von rund 300 Millionen US-Dollar für Erdgas und hat die Öllieferungen gesenkt. Weißrussland hatte seinerseits mit einer Erhöhung der Transittarife gedroht.

Probleme wie der Lebensmittelschmuggel sind somit nur die Spitze des Eisbergs. Experte Margolin kann den Ärger der Nachbarn verstehen – der Staat sei nicht unschuldig an der Lage, vermutet er. „Dafür braucht es ein Abschirm-System, und ohne die Behörden ist das unmöglich.“

Bei einem Treffen mit Lukaschenko 2016 pochte auch Kremlchef Wladimir Putin darauf, dass mehr in Weißrussland erzeugte Lebensmittel nach Russland verkauft werden. Lukaschenko sagte damals: „Mögen unsere besten Produzenten alles züchten – bis hin zu Bananen – und an Russland verkaufen!“ Für die russische Zeitung „Kommersant“ ist der Fall klar: „Das heißt offensichtlich, dass die Lieferung weißrussischer Bananen weiter so aktiv bleiben wird wie bisher.“

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