Welthandelsorganisation Die WTO kämpft ums Überleben

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Nationen sind egoistisch

Denn Nationen sind egoistisch, sie kennen nur Interessen, keine Freunde. Sobald ein Land der WTO beitritt (164 Mitglieder zählt die Organisation mittlerweile), will es in den Genuss geregelter Weltmärkte kommen. Aber die eigenen Märkte entsprechend liberalisieren und öffnen? Das wollen viele schon weit weniger gern. Die WTO muss kontrollieren, dass sie es doch tun.

Brauner wacht als oberster Kassenwart über die Schiedskasse. 197 Millionen Schweizer Franken hat die Organisation jedes Jahr zur Verfügung, rund 650 Mitarbeiter kann sie sich davon leisten. Das weltweite Handelsvolumen, das die Organisation absichern soll, beläuft sich hingegen auf: 16 Billionen Dollar, pro Jahr.

Brauner, der früher die Außenwirtschaftsabteilung im Bundeswirtschaftsministerium leitete, liebt seine Aufgabe trotzdem. Ein bisschen sehen er und seine Kollegen sich auch als Lordsiegel-Bewahrer des Edlen und Guten, gerade in diesen Tagen.

„Mir gefällt es nicht, dass man einfach von Freihandel spricht“, sagt er. Das klinge zu sehr nach Freibeuterei, ohne Regeln. Er bevorzugt die alte Bezeichnung „Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsverträge“. Brauner spricht die Namen aus wie eine Weltformel für friedliches Zusammenleben.

Schließlich geht es bei fairem Handel ja auch um Gerechtigkeit, um die Solidarität der Völker. Doch die zählt immer weniger, seit die globale Finanzkrise die Weltwirtschaftsordnung durcheinandergewirbelt hat. Danach ist der Welthandel nie wieder zu alter Stärke gekommen. Galten vorher weltweite Wachstumsraten von sieben Prozent pro Jahr als normal, ist es heute nur die Hälfte. Viele Regierungen verlegen sich auf Abschottung statt Offenheit, Trump ist dafür lediglich das prominenteste Beispiel.

Entsprechend lahmt die WTO. Seit Jahren ist ihr kein multilateraler Durchbruch mehr gelungen. Die sogenannte Doha-Runde 2001 war der bislang letzte Versuch, einen weltweiten Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen gemeinsam zu verhandeln.

Wie sollte das mit der neuen US-Regierung anders werden? Der Immobilientycoon Trump versteht Handel nämlich ganz anders als die idealistischen Technokraten aus Genf. Für ihn gibt es nur Gewinner oder Verlierer. Win-win? Kennt er nicht.

Dabei war die WTO bislang ein guter Deal für die USA. 80 Prozent der Entscheidungen über Handelsstreitigkeiten gingen zu ihren Gunsten aus, sagen Experten – zuletzt im Subventionsstreit zwischen Boeing und Airbus.

Doch der US-Präsident will sich nicht mehr auf Richter in einem Schweizer Ort verlassen, die er im Zweifel sowieso nicht kennt. Er möchte über bilaterale Deals die Verhandlungsmacht der USA gegen jene Länder ausspielen, die sich Hoffnung auf den Zugang zum US-Markt machen. Dafür braucht er die WTO nicht.

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